Kurzarbeit: "So kulant wie möglich, so streng wie nötig"
4,1 Milliarden Euro hat das AMS bis dato an Unternehmen ausbezahlt, die Kurzarbeit beantragt haben. Ob das veranschlagte zwölf Milliarden Euro schwere Kurzarbeitsbudget ausgeschöpft werden wird, das werden die Antragszahlen zeigen, und das wird sich im März 2021 weisen, wenn die Frist für das adaptierte Modell endet.Derzeit sind 450.143 Menschen in 40.034 Kurzarbeitsprojekten beschäftigt. Tendenz leicht sinkend. Wer aber beantragt Kurzarbeit? Und wer kontrolliert, ob selbige rechtens abgerechnet wird? Der KURIER hat bei Finanz- und Arbeitsministerium nachgefragt.
Das Gros der „Kurzarbeiter“ ist mit rund 180.000 in Industrie und Gewerbe zu finden, gefolgt vom Handel mit rund 67.000 und dem Tourismus mit rund 48.000 Beschäftigten. 3.249 Unternehmen wurden seit März überprüft – dabei 160 Verdachtsfälle von betrügerischem Vorgehen festgestellt und an die Kriminalpolizei übergeben.
Insider-Anzeigen
Welches Unternehmen überhaupt geprüft wird, das obliegt der Finanzpolizei. „Sie erhält durch Anzeigen aus dem privaten Umfeld, durch verärgerte Dienstnehmer und Insider aus Firmen, teilweise durch Interessenvereinigungen und vom AMS Informationen wie auch Anzeigen“, heißt es auf KURIER-Nachfrage seitens des Finanzministeriums. Diese Infos würden überprüft und zusätzliche Risikoeinschätzungen durch Kontrollorgane vor Ort eingeholt.
Phase I und Phase II
Die Corona-Kurzarbeit wurde zunächst auf drei Monate ausgelegt (1. 3.–31. 5.), dann einmalig um drei Monate (1. 6.–30. 9.) verlängert. Arbeitnehmer erhalten 80 bis 90 Prozent des Nettolohns, den sie vor der Kurzarbeit erhalten haben. Die Arbeitszeit beträgt 10 bis maximal 90 Prozent der ursprünglichen Arbeitszeit
Phase III
Die Corona-Kurzarbeit Phase II läuft mit Ende September aus. Von 1. 10. 2020 bis 31. 3. 2021 kann die Kurzarbeit dann um weitere sechs Monate verlängert werden. Die Arbeitszeit kann diesmal zwischen 30 und 80 Prozent betragen. Im Unterschied zu Phase I und II müssen die Arbeitnehmer sich zu einer Weiterbildungsbereitschaft verpflichten
Kontrolliert wird die Arbeitsstundenaufzeichnung und ob diese mit Arbeitsanfall (Umsatz), Öffnungszeiten, Hilfsaufzeichnungen (im Bau zum Beispiel Bautagebuch) oder Lieferscheinen übereinstimmen kann. Ganz profan ausgedrückt: Die Finanzpolizei gleicht die vorhandenen steuerlichen und arbeitsmarktrechtlichen Datenbanken mit der Arbeitswirklichkeit vor Ort ab. Im Zuge der Prüfung werden alle Dienstnehmer angehalten ein Personendatenblatt auszufüllen und befragt. Die Unternehmer müssen „korrekte tagfertige Arbeitsaufzeichnungen“ führen und bei der Kontrolle vorweisen. Zudem werden gegebenenfalls auch Urlaubsaufzeichnungen überprüft und mit den Aussagen der Dienstnehmer verglichen. Sofern keine sonstigen Beanstandungen (illegale Ausländerbeschäftigung, falsche/fehlende Anmeldung bei ÖGK u. a.) festgestellt werden, endet die Kontrolle ohne Maßnahmen.
Das AMS wird über die festgestellten Arbeitsstunden des geprüften Unternehmens jedenfalls informiert, damit die Infos später mit der eingereichten Abrechnung verglichen werden können. „Der größte Teil der Unternehmerinnen und Unternehmer arbeitet vorbildlich. Von den meisten kommt nicht nur Verständnis, sondern sogar Unterstützung für die Kontrollen“, sagt Finanzminister Gernot Blümel mit Verweis auf eine Studie seines Ministeriums, laut der 73 Prozent die Kontrollen befürworten. „Die ehrlichen Unternehmer haben kein Verständnis für die wenigen schwarzen Schafe, die sich auf Steuerkosten bereichern.“ In den ersten Monaten herrschte vor allem auf Mitarbeiterseite Unwissenheit darüber, ob und in welcher Form die Kurzarbeit vereinbart wurde, heißt es.
„Schwarze Branchen“
Branchen, die besonders akkurat oder besonders unsauber abrechnen, will das Ministerium nicht nennen. „Es gibt diesbezüglich keine ‚schwarzen‘ Branchen, aber immer wieder Hinweise, dass Arbeitszeitaufzeichnungen nachträglich manipuliert werden, um die Abrechnungsmodalitäten zu ‚optimieren’.“ Zu Beginn der Kontrollen während des Lockdowns sei in einigen Branchen wie im Bau/Baunebengewerbe vermehrt Schwarzarbeit festgestellt worden. Dabei sei Kurzarbeit gemeldet und entweder die volle Stundenanzahl weitergearbeitet oder es seien andere Arbeitnehmer illegal beschäftigt worden. Bei einer oberösterreichischen Metallbaufirma habe ein nicht angemeldeter Dienstnehmer angeblich „ehrenamtlich“ gearbeitet, so das Ministerium. Auf einer Wiener Großbaustelle stieß die Finanzpolizei gleich auf 14 nicht angemeldete Dienstnehmer, die vor der Krise dort gemeldet waren – und während der Krise schwarz gearbeitet haben.
Für Kurzarbeit prädestinierte Branchen gibt es auf KURIER-Nachfrage keine, „allerdings gibt es Branchen, die sich als besonders schwierig kontrollierbar herausgestellt haben, weil auch das tatsächliche Arbeitsausmaß schwer überprüfbar ist“. Explizit benennen will das Ministerium keine Branche.
Das neue Kurzarbeitsmodell soll auf jeden Fall strenger sein und mehr Anreize für die Wiedereingliederung von Arbeitnehmern bieten. „Wir haben uns geeinigt, die Kriterien für die Beantragung zielgerichteter zu gestalten. Mittels eines Kriterienkatalogs stellen wir sicher, dass die Kurzarbeit nur noch dort beantragt werden kann, wo die Unterstützung wirtschaftlich notwendig ist“, sagt Arbeitsministerin Christine Aschbacher. Gemäß jenem Motto, das Blümel bereits zu Beginn der Krise ausgegeben hat: „Wir sind so kulant wie möglich und so streng wie nötig.“
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