Experte Kaser: "Sehr gute" Klimarat-Empfehlungen mit Signalwirkung
"Sehr, sehr gut" sind laut dem Klimaexperten Georg Kaser die mehr als 90 Vorschläge, die der Klimarat am Montag präsentiert hat. Dem Glaziologen zufolge, der im wissenschaftlichen Beirat des Gremiums saß, sei bei den an die Politik übergebenen Empfehlungen nichts dabei "wo man als Wissenschafter sagen müsste, das ist falsch, romantisch oder schwach". Der Klimarat zeuge von der Bereitschaft der Bevölkerung, Schritte gegen den Klimawandel mitzutragen, sagte er im APA-Gespräch.
"Das Haus brennt"
Die 100 zufällig ausgewählten Menschen hatten mögliche Maßnahmen zur Erreichung der Klimaneutralität im Jahr 2040 erarbeitet. "Das Haus brennt", hob Kaser die Gefahr einer existenzbedrohenden Klimaerwärmung hervor. Komplett seien die Vorschläge nicht, das sei aber in den sechs Monaten, in denen die Mitglieder des Klimarates immer wieder zusammenkamen und die Handlungsfelder Mobilität, Energie, Ernährung und Landnutzung, Konsum und Produktion sowie Wohnen diskutierten, aber auch gar nicht möglich gewesen. Die Handlungsfelder seien so definiert worden, dass sie auch in österreichischer Verantwortung liegen, und so sei etwa der globale Finanzmarkt - laut Kaser "ein gigantischer Hebel" - nicht in die Diskussion eingeflossen.
Unter den Vorschlägen finden sich ein Grundrecht auf Klimaschutz, ein Bodenversiegelungsstopp, Bewusstseinsbildung für "unbequeme Maßnahmen", die Abschaffung klimaschädlicher Subventionen und höhere Steuern für klimaschädliche Fahrzeuge. Dass es etwa die 100-km/h-Geschwindigkeitsbegrenzung nicht in den Bericht geschafft hat, sei kein Problem, sagte Kaser. Dies sei ein Beispiel für ein Thema, das nicht gänzlich ausdiskutiert worden sei - dafür hätte man noch ein paar Wochenenden gebraucht. Die Empfehlung, die Geschwindigkeit auf den Straßen zu reduzieren, gibt es jedenfalls.
Wichtiger als ein Anspruch auf Vollständigkeit sei jedenfalls die Signalwirkung des Klimarates: Die Erfahrung mache deutlich, "dass viele Menschen überzeugt werden können, wenn man ihnen nur die Möglichkeit gibt, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen." Die Mitglieder des Klimarates hätten sich seriös mit dem Thema beschäftigt und auch Vorschläge gemacht, die ihre ganz persönlichen Lebenssituationen verändern würden. Sie würden nun selbst in ihren Gemeinden aktiv werden und hätten einen Verein gegründet, in dem sie weiterarbeiten wollen.
Kaser berichtete von einer "kollektiven Schockstarre" nach Präsentation der "dramatischen Situation" beim ersten Treffen. Er sowie andere aus dem wissenschaftlichen Beirat seien dabei gewesen und hätten bei Bedarf Fragen beantwortet. "Wir haben aber nicht eingegriffen", versicherte der Klimaexperte.
"Die Politik soll erkennen, dass in der Bevölkerung eine große Bereitschaft da ist, Schritte mitzutragen", wünschte sich Kaser, der auch Entscheidungsträgern empfiehlt, sich in der Sache wissenschaftlichen Rat zu suchen. Nun müsse begonnen werden, entlang der Empfehlungen Umsetzungsschritte zu setzen. Bei der Übergabe der Vorschläge hatte Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) versprochen, jede einzelne Empfehlung zu prüfen.
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