Ex-Raiffeisen-Boss: "Mitterlehner verwechselt im Rückblick einiges"
Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) lädt seit Monaten im Zuge der Ermittlungen im Ibiza-Komplex Zeugen aus dem ÖVP-Umfeld zur Einvernahme. Im Mai war Ex-ÖVP-Chef und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner an der Reihe - und das gleich zwei Mal.
Der Grund: Es galt, widersprüchliche Aussagen aufzulösen, in die sich Mitterlehner verwickelt hatte. Dem KURIER liegen die Einvernahme-Protokolle vor.
Zum ersten Mal kam Mitterlehner am 10. Mai und wurde dabei zu den Beziehungen zwischen Sebastian Kurz, der zu Mitterlehners Amtszeit Außenminister war, und verschiedenen Persönlichkeiten befragt, gegen die aktuell ermittelt wird.
Was den ehemaligen Finanz-Generalsekretär Thomas Schmid betrifft, so habe Mitterlehner "ein besonderes Naheverhältnis" zu Kurz nicht wahrgenommen. Mitterlehner selbst habe mit Schmid ein "korrektes Verhältnis" gehabt, Schmid sei bei Kontakten entgegenkommend und korrekt gewesen. Dessen "negative Haltung" ihm gegenüber habe sich nicht in seinem Verhalten widergespiegelt. Zur Erinnerung: Schmid schrieb in einem Chat mit Kurz: "Mitterlehner ist ein Linksdilettant und ein riesen oasch!! Ich hasse ihn." Woraufhin Kurz antwortete: "Danke Thomas Super war dass Spindi heute ausgerückt ist. Das stört den Arsch sicher am meisten..."
Der Staatsanwalt fragt Mitterlehner schließlich nach Siegfried Wolf, ein Großinvestor, dem vorgeworfen wird, er habe über seine Kontakte ins Finanzministerium einen Steuernachlass erhalten (mehr dazu hier). Was weiß Mitterlehner über Wolf und seine Verbindungen zu Kurz und Co.?
Mitterlehner erzählt, Wolf habe eine "Kultur der Unterstützung und des gegenseitigen Weiterbringens" gelebt. "Es gab sicher nicht plumpe Leistung gegen Gegenleistung." Wolf sei sehr umtriebig gewesen und kenne Politiker aller Couleur. Um 2016 habe sich bei Wolf die Meinung durchgesetzt, dass Kurz einmal die wichtigste Position in der ÖVP übernehmen könnte - daher sei er ihm und seiner Agenda zugewandt gewesen.
Was geschah im Schloss Reifnitz?
Der Ex-Vizekanzler erzählt von einer Veranstaltung im Schloss Reifnitz im Jahr 2016: Ein Industrieller habe ihn, Mitterlehner, angerufen und ihm mitgeteilt, dass er von Kurz angesprochen worden sei, "ob er ihn nicht im Zuge einer allfälligen zukünftigen Wahlauseinandersetzung finanziell unterstützen möchte".
Mitterlehner wird darauf hingewiesen, dass seine Aussage vollständig sein müsse, deshalb verrät er, es habe sich dabei um Christian Konrad gehandelt. Konrad war bis 2012 Raiffeisen-Generalanwalt und in den Jahren 2015 und 2016 Flüchtlingskoordinator der Regierung.
Zurück zum Telefonat: Konrad habe ihm dann geschildert, dass er Kurz geantwortet habe, ob er denn die Freiheitlichen auf Platz eins haben möchte. Konrad sei nämlich überzeugt gewesen, dass die ÖVP Neuwahlen verliert, wenn sie sie forciert, sagt Mitterlehner.
Konrad war gar nicht da
Am 18. Mai wurde dann Christian Konrad von der WKStA befragt. Er kenne Siegfried Wolf, sei ihm zuletzt bei einer Jagd begegnet und mit ihm per Du. "Wir begegnen einander freundlich, aber wir sind nicht enger befreundet."
Zur Frage, ob er Wahrnehmungen habe zu einer allfälligen Unterstützung von Wolf für Kurz oder die Gruppe um ihn in den Jahren 2016 bis 2018 kann Konrad keine Angaben machen. Alles, was er weiß, wisse er aus den Medien, sagt er. Einige Industrielle hätten ihm, Konrad, gegenüber geäußert, dass sie Kurz unterstützen - Wolf sei aber nicht darunter gewesen.
Gefragt nach der von Mitterlehner angesprochenen Veranstaltung im Schloss Reifnitz sagt Konrad Erstaunliches: Er sei gar nicht dort gewesen.
Der Staatsanwalt liest ihm die Aussage von Mitterlehner vor, aber Konrad betont nochmals: "Ich war bei dieser Veranstaltung wirklich nicht. Ich habe mit Wolf nie über Kurz gesprochen. Wolf hat mir nie erzählt, ob er Kurz unterstützt oder nicht."
Konrad fällt aber eine andere Veranstaltung vom August 2016 ein: Er sei bei einer Veranstaltung von Walter Rothensteiner, seinem Nachfolger als Generalanwalt, von Kurz angesprochen worden, ob er seine Funktion als Flüchtlingskoordinator weiterführen wolle. Konrad erwiderte, dass das eine Entscheidung von Kanzler und Vizekanzler (damals Christian Kern und Reinhold Mitterlehner) sei.
Einige Tage später habe Mitterlehner ihn angerufen und ihm gesagt, dass der Innenminister (damals Wolfgang Sobotka) und der Außenminister (Sebastian Kurz) der Meinung seien, die Integration funktioniere ohnehin gut, seine Verlängerung als Koordinator sei nicht mehr notwendig. Er wolle "kein Spielball für die Innenpolitik sein", sagt Konrad, deshalb habe er Mitterlehner gesagt, er höre als Flüchtlingskoordinator auf.
"Eine Verwechslung"
Eine völlig andere Geschichte also. Wie erklärt er sich Mitterlehners Aussage? Konrad: "Ich denke, Dr. Mitterlehner verwechselt hier im Rückblick einiges. Dr. Mitterlehner war damals schon in einer sehr schwierigen Situation und auch innerparteilich unter Druck."
Kurz habe ihn, Konrad, grundsätzlich schon um seine Unterstützung gefragt. "Finanzielle Unterstützung war aber dabei kein Thema." Er sei zu der Zeit ohnehin schon in Pension gewesen.
Zu seiner Haltung Kurz gegenüber sagt der Ex-Raiffeisen-General: "Ich habe immer wieder gesagt, dass Kurz vieles politisch gut mache, aber in der Flüchtlingsfrage waren wir völlig anderer Meinung und auch das habe ich öffentlich mehrfach gesagt."
Oder war's doch woanders?
Zweiter Auftritt Mitterlehner: Am 24. Mai erklärt der Ex-Vizekanzler bei der WKStA, er sei über einen gemeinsamen Bekannten darüber informiert worden, dass es offensichtlich eine Diskrepanz zwischen seiner Aussage und jener von Konrad gegeben habe. Er habe Konrad dann noch am selben Tag von dessen Einvernahme, am 18. Mai, angerufen.
Konrad habe ihm das Telefonat von Sommer 2016 bestätigt, ihn aber darauf hingewiesen, dass er ihm dabei nicht von Reifnitz berichtet habe, sondern von der bereits erwähnten Veranstaltung von Rothensteiner.
Mitterlehner gibt zu Protokoll: "Für mich war 2016 aber nicht relevant, wo ein Gespräch geführt wurde, sondern dass ein Gespräch zwischen Dr. Konrad und Kurz geführt wurde und Kurz Dr. Konrad um Unterstützung bei einer potenziellen Wahl angesprochen hat."
Diese Geschichte habe er damals auch Kurz vorgehalten - und ihn mit seinen "Fundraising-Versuchen" anhand von konkreten Personen konfrontiert, erzählt Mitterlehner, "was er unwidersprochen zur Kenntnis genommen hat". Zur damaligen Zeit hätten ihn "praktisch dauernd Leute kontaktiert", die ihm erzählt hätten, dass Kurz bei Unternehmern um Unterstützung werbe.
Klar sei, dass zwischen Kurz und Konrad eine finanzielle Unterstützung kein Thema war: Konrad war damals nicht mehr bei Raiffeisen, sagt Mitterlehner. Aber: "Dr. Konrad hatte natürlich noch einen Einfluss und Kontakte in die Raiffeisen, weil man aufgrund seiner ehemaligen Funktion natürlich seine Meinung wertschätzte." Sprich: Konrad hätte als "Türöffner" in den Raiffeisen-Konzern dienen können.
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