Madeleine Petrovic war für die Grünen im Nationalrat und im Landtag in Niederösterreich. Jetzt tritt die 68-jährige Grüne der ersten Stunde mit der "Liste Madeleine Petrovic" zur Nationalratswahl am 29.September an. In der Reihe "Bei Gebhart spezial", bei der mit allen Spitzenkandidaten ein Gespräch geführt wird, hat sie den Start gemacht.
KURIER. Frau Petrovic, es gibt kaum eine Ebene, wo Sie nicht politisch aktiv gewesen sind. Sie waren Bundessprecherin der Grünen, Klubobfrau im Nationalrat, Landessprecherin in Niederösterreich und auch EU-Kandidatin. Warum kehren Sie jetzt mit einer eigenen Liste in die aktive Politik zurück?
Madeleine Petrovic: Einerseits war ich natürlich immer ein politischer Mensch. Andererseits sind in der abgelaufenen Legislaturperiode sehr viele Fehler gemacht, sehr viele Prinzipien verlassen worden.
Madeleine Petrovic zu Gast in der KURIER TV-Sendung "bei Gebhart"
Die Kritik verwundert, denn erstmals waren Ihre Grünen mit in der Regierung.
Im Prinzip war ich auch dafür, dass die Grünen das Experiment in einer Regierung wagen. Nach 30 Jahren im Nationalrat war das hoch an der Zeit. Aber es wäre mehr Prinzipientreue angesagt gewesen. Es ist die Basisdemokratie verlassen worden, ein ganz wichtiger Grundwert der Grünen ist auch die Selbstbestimmtheit. Da denke ich an die Corona-Maßnahmen. Und auch die Wurzeln der Grünen, die in der Friedensbewegung, in der Frauenbewegung und in der Umweltbewegung liegen, die habe ich nicht mehr gespürt.
Sind Sie noch eine Grüne?
Nein, ich bin ausgetreten. Diesen Schritt habe ich für fair gehalten. Wenn man eine neue Partei gründet, muss man einen klaren Schnitt machen. Und das habe ich getan.
Es gibt viele ehemalige Weggefährten von Ihnen, die den Schritt nicht verstehen und sich fragen, warum Sie sich politisch so verändert haben.
Ich glaube, ich habe mich weniger verändert als die grüne Spitze. Aber es geht um die Prinzipien, für die ich stehe, um Umweltschutz, Frieden, Neutralität und eben Basisdemokratie. Der Schritt ist mir auch nicht leichtgefallen, da war schon viel Wehmut mit dabei.
Viele sagen, dass der Umgang mit der Corona-Pandemie für diesen Schritt entscheidend war.
Das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Es war ein dramatischer Eingriff in die Grundrechte, dass man Ausgangssperren verhängt hat und die Impfpflicht einführen wollte. Man hat die Impfpflicht nur aufgrund der Proteste wieder fallen gelassen.
Im aktuellen Wahlkampf gibt es nur zwei Parteien, die bundesweit antreten und die Corona-Pandemie als Thema haben: Sie und Herbert Kickl mit seiner FPÖ. Sehen Sie sich da mit Herbert Kickl auf einer Linie?
Es wird ja bereits gesagt, dass ich deswegen wahrscheinlich auch der FPÖ Stimmen wegnehmen werde, weil Menschen sagen, mir ist das Corona-Thema wichtig, aber ich habe Skrupel, die FPÖ zu wählen. Da gibt es jetzt mit mir eine Alternative.
Überraschend ist, dass Sie als ehemalige Grüne die CO2-Reduktion nicht als oberstes Ziel im Kampf gegen den Klimawandel sehen. Warum ist das so?
Erstens, denke ich, hat das Wort Klimaschutz sehr das Wort Umweltschutz und das, was dahinter steckt, verdrängt. Das ist schade. Gerade die österreichische Bevölkerung ist ökologisch sehr motiviert und will Umweltschutzmaßnahmen. Sie will den Schutz der Bäume. Was ich an der Klimakampagne der Regierung kritisiere, ist, dass man mit Angst arbeitet. Angst ist immer schlecht. Wir wollen, dass die Leute positiv mitmachen bei Maßnahmen und nicht sagen, um Gottes willen, die Erde wird untergehen. Ob CO2 wirklich der zentrale Faktor ist oder ob uns nicht ein Bündel von Schadstoffen zusetzt, bleibt die Frage. Als Tierschützerin denke ich an das Methan, das wahrscheinlich weit gefährlicher ist. Wir sollten alle Schadstoffe vermeiden.
CO2 wird natürlich auch im Hinblick auf den Verkehr ins Rennen geworfen, wenn es um den Umstieg auf E-Autos geht.
Wir werden mit den Elektroautos nicht die Erde retten. Es hat sich die Technologie ja schon in den vergangenen Jahrzehnten sehr verändert. Wie ich ein Kind war, haben die Autos an die 20 Liter Treibstoff pro 100 Kilometer verbraucht. Davon sind wir bei den Verbrennungsmotoren jetzt weit weg. Alle industriellen Strategien können nur ein wahrscheinlich kleiner Teil der Maßnahmen sein.
Ein österreichweiter Wahlkampf ist sicherlich keine billige Angelegenheit. Wie schafft das Ihre Liste?
Wir werden ein Exempel statuieren, mit wie wenig Geld man einen Wahlkampf führen kann, weil wir haben im Vergleich zu anderen kein Geld. Wir haben nur Spenden von Privatpersonen und damit höchstens eine fünfstellige Zahl zur Verfügung. Und diese wird nicht mit einer 7, 8 oder 9 beginnen.
Wie geht es weiter, wenn Sie den Einzug in den Nationalrat nicht schaffen?
Einerseits glaube ich, dass wir es schaffen. Andererseits werden wir auf jeden Fall weitermachen, weil wir uns jetzt gefunden haben. Das ist ein ganz neues Team von Leuten, das mit an die Frühzeit der grünen Bewegung erinnert.
Anm.: Am Samstag erscheint das Interview mit Beate Meinl-Reisinger, der Spitzenkandidatin der Neos.
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