"Entfremdung von den Grünen": Petrovic mit eigener Liste
Wieso hängt bei einer Pressekonferenz von Madeleine Petrovic ein Plakat der Grünen?
Kurz nach 10 Uhr erfuhren die anwesenden Journalisten, warum: Die Ex-Grünen-Chefin krachte durch das Plakat, das auf einem Holzrahmen aufgespannt war und dann nur noch in Fetzen hing.
Ihr Signal: Petrovic, die von 1994 bis 1996 Grünen-Bundessprecherin und von 2002 bis 2015 Landessprecherin in Niederösterreich war, hat mit ihrer Altpartei abgeschlossen. Und jetzt will sie mit einer eigenen Liste bei der Nationalratswahl antreten.
An ihrer Seite: Nora Summer und Monika Henninger-Erber. Summer ist Stuntfrau und Schauspielerin, Henninger-Erber ist Chemikerin und grüne Gemeinderätin im niederösterreichischen Grafenegg. Sie kommen aus dem Verein "GGI" (zunächst "Grüne gegen Impfpflicht & 2G", heute "Grüner Verein für Grundrechte und Informationsfreiheit").
Austritt "gehört sich so"
Petrovic erklärt die Gründung ihrer eigenen Liste mit ihrer "Entfremdung von den Grünen". Nicht mit allen, wie sie betont, vor allem aber mit dem Parlamentsklub, der die Mitgliedschaft ihrer ehemaligen Parteichefin übrigens vor zwei Jahren ruhend gestellt hat. Kürzlich, also pünktlich zur heutigen Präsentation, sei sie aus der Partei ausgetreten, sagt Petrovic - "das gehört sich so".
"Der Mainstream hat sich für mich immer mehr als problematisch herausgestellt", erklärt Petrovic. Grüne Themen seien ihr aber weiterhin ein "Herzensanliegen" - und diese wolle sie auch mit ihrer eigenen Liste verfolgen. Und zwar: Demokratie, Grund- und Freiheitsrechte, Existenzsicherung, Frieden, Neutralität, Natur-, Umwelt und Tierschutz.
"Politisch und militärisch neutral"
"Neutralität" meint die Liste Petrovic politisch und militärisch. Was sie von der Bundesregierung unterscheidet - diese betont immer wieder, dass man den Angriffskrieg Russlands in der Ukraine verurteilt - und in dieser Hinsicht "politisch nicht neutral" sei. Militärisch aber sehr wohl. Aus Österreich werden keine Waffen in die Ukraine geliefert.
Gerade Waffenlieferungen kritisieren Petrovic und ihre Mitstreiterinnen aber scharf: "Das Töten muss ein Ende haben, auf beiden Seiten", sagen sie - und plädieren für Friedensinitiativen. Es seien schon viele Chancen verpasst worden, legt Petrovic, deren Urgroßvater aus der Ukraine stammt, nach.
Die Liste will sich für eine "lebendige Demokratie" einsetzen. Für Summer, die sich in ihrem beruflichen Leben für "Mut und Selbstwirksamkeit" einsetzt, bedeutet das "mehr PartYzipation" (mit Y wie in "Party").
"Wir wissen nicht alles besser, und wir haben auch nicht die moralische Überheblichkeit, den Menschen zu sagen, was sie zu tun haben", betont sie. Ihr Angebot: "Eine unaufgeregte Sachpolitik, ganz viel Herzblut und Energie und die Einstellung, dass wir Menschen mögen."
"Schreiendes Unrecht"
Viele der derzeitigen Mitglieder seien aus der grünen Basis, erklärt Henninger-Erber, oder aus dem Verein "GGI", der während der Corona-Pandemie gegen die Impfung mobil gemacht hat.
Die Pandemie ist auch so ein Thema, dem sich die Liste Petrovic widmen will. Die "Aufarbeitung" der Regierung sei keine Aufarbeitung gewesen, sagt Petrovic. Es gehöre offen ausgesprochen, "dass hier Menschen wegen ihrer freien Meinung ihren Beruf verloren haben, weil sie in einer Sachfrage eine begründet andere Meinung hatten". Das sei "ein schreiendes Unrecht".
Auf Nachfrage, wie die Liste denn zur FPÖ steht, sagt Summer, dass man prinzipiell mit allen reden werde - auch mit rechten Medien. "Die sollen auch einmal was Gescheites hören." Was eine Zusammenarbeit im Parlament betrifft, sagt Petrovic aber, dass es wohl doch zu viele Unterschiede gebe.
"Nicht mehr mit dem Herzen bei den Grünen"
Als Wahlziel nennt Petrovic vorerst das Erreichen der 2.600 nötigen Unterstützungserklärungen und dann den Einzug in den Nationalrat. Und sie ist sich sicher, dass ihre Kandidatur die Grünen unter Druck bringen werde. "Ich glaube, dass es einen Austausch gibt bei den Wählerinnen und Wählern. Wer sich schon in der Pandemie in innerer Opposition befunden hat, war schon da nicht mehr mit dem Herzen bei den Grünen."
Geplant seien nun Veranstaltungen in den Landes- und Bezirkshauptstädten, und man suche auch Kontakt zu Vereinen.
Wer die Liste unterstützen will, kann dies mit einer reinen Fördermitgliedschaft mit einem Beitrag von monatlich 5 Euro tun, sich aktiv einbringen oder Vollmitglied werden. Wobei man sich bei Vollmitgliedern "sehr genau anschaut, wer zu uns passt".
"Defizite" an der Spitze
Und selbstverständlich war auch die Causa Schilling Thema: Gefragt nach der grünen EU-Spitzenkandidatin, schnauft Petrovic erst einmal. "Schlimm, was da passiert", sagt sie und erklärt, dass es wohl "bei der Auswahl durch die Partei- und Klubspitze Defizite gegeben" habe. Der Kern der Affäre ("Sofern die Vorwürfe stimmen") liege ja im Herbst 2023. "Es wäre gescheit gewesen, damals alles zu klären."
Klar sei für die Ex-Grünen-Chefin: "Was privat ist, muss privat bleiben. Aber überall dort, wo die Rechte Dritter tangiert werden, hört es sich mit der Privatsphäre auf."
"Entfremdung nun vollzogen"
Die Entfremdung von Madeleine Petrovic von den Grünen ist nun vollzogen, sie ist nun abgenabelt. Ich bedaure es sehr, dass meine Vorgängerin diesen Akt nun gemacht hat", reagierte Helga Krismer, Landessprecherin und Klubobfrau der Grünen in Niederösterreich, auf APA-Anfrage.
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