FPÖ-Sieg bei EU-Wahl: Migration wird das zentrale Wahlkampf-Thema
Die Umfrage-Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache. Auf die Frage "Worüber haben Sie im Wahlkampf sehr häufig diskutiert?", antworteten 71 Prozent der FPÖ-Wähler bei dieser EU-Wahl mit dem Thema Zuwanderung. Damit rangiert es laut der ORF/Foresight-Umfrage klar auf Platz eins. Ebenso - wenn auch mit etwas weniger deutlichem Vorsprung - bei der gesamten Wählerschaft (44 Prozent, siehe Grafik).
Die FPÖ war mit Forderungen wie eine Null-Asylquote in diesen Wahlkampf gezogen. Für Politik-Berater Thomas Hofer ist sicher, dass Migration auch das zentrale Thema beim kommenden Nationalratswahlkampf sein wird.
Mit der Konsequenz, dass alle anderen Parteien ihre Position auf diesem Gebiet nachschärfen werden müssen, um der FPÖ in ihrer Kern-Domäne Paroli bieten zu können. Wobei die Parteien hier vor unterschiedlich großen Herausforderungen stünden.
Am leichtesten würde sich laut Hofer noch die ÖVP tun, die jetzt schon auf einen relativ restriktiven Migrationskurs setzen würde. „Sie wird sich durch das Wahlergebnis bestätigt fühlen, dass sie dabei richtig liegt. Denn der Abstand zur FPÖ ist deutlich geringer als befürchtet“, sagt der Experte. Noch am Wahlabend hatte Kanzler Karl Nehammer angekündigt, dass man entschlossen gegen illegale Migration vorgehen werde.
Kanzlerduell: Nehammer besser als Kickl?
Wobei es laut Hofer nicht für Platz eins reichen werde, wenn die ÖVP versucht, die FPÖ bei diesem Thema rechts zu überholen. Zugleich müsse man einen Persönlichkeitswahlkampf inszenieren – mit der Botschaft, dass Amtsinhaber Nehammer bei aller inhaltlichen Nähe als Kanzler deutlich besser geeignet sei als der radikal auftretende FPÖ-Chef Herbert Kickl.
Dennoch sieht Hofer die FPÖ noch als Favoriten auf Platz eins im Herbst, wenn auch das weniger schlimm als befürchtet ausgefallene Wahlergebnis motivierend auf die ÖVP-Funktionäre wirken könnte.
Dass auch der SPÖ bewusst ist, dass sie einen schärferen Kurs bei der Migration einschlagen muss, hat sich schon kurz vor der Wahl gezeigt. Klubchef Philipp Kucher hat sich der Forderung des deutschen SPÖ-Kanzlers Olaf Scholz nach Abschiebung krimineller Syrer und Afghanen angeschlossen.
SPÖ bei Migration tief gespalten
Wobei ein Kurswechsel bei diesem Thema für die Roten ungleich schwerer ist. Zu weit liegen hier der rechte Flügel, repräsentiert durch Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil, und der Parteilinken rund um Parteichef Andreas Babler auseinander. Selbst die mächtige Wiener Landesorganisation ist tief gespalten: Zwischen den Vertretern der Innenstadt-Bezirke und jenen in den großen Bezirken am Stadtrand, die hier eher hinter Doskozil stehen.
„Babler wird versuchen, diese offenen Flanken zuzumachen“, ist Hofer überzeugt. Wobei es fraglich sei, dass er als Person einen solchen Kurswechsel glaubwürdig verkörpern könne. „Am besten wäre es für die SPÖ, wenn im Wahlkampf möglichst wenig über Migration geredet wird – was aber nicht passieren wird.“
Dem widerspricht man bei der SPÖ: Bei der Nationalratswahl würden stärker Themen im Vordergrund stehen, die der SPÖ entgegenkommen – also Teuerung, Gesundheit und Soziales, ist eine Sprecherin überzeugt. Außerdem gehe es um die Entscheidung zwischen einer blau-schwarzen Regierung und einer mit Andreas Babler. Drittens will man potenzielle Wähler der Bierpartei und der KPÖ anlocken – mit dem Argument, ein Erfolg dieser Parteien würde nur Kickl stärken.
SPÖ kündigt klare Maßnahmen an
Dennoch will man sich auch beim Thema Migration neu aufstellen. Eine eigene Arbeitsgruppe, beraten von externen Experten soll eine Präzisierung des Kaiser-Doskozil-Papiers vornehmen. Dieses besteht de facto nur aus Überschriften, daraus sollen nun konkrete Maßnahmen werden.
Einen Kurswechsel hinter sich gebracht haben hingegen schon die Neos. Begonnen mit einer Grundsatzrede des Wiener Vizebürgermeisters Christoph Wiederkehr im Vorjahr, in der er Regeln für das Zusammenleben, verbunden mit strengeren Sanktionen, einmahnte.
Von den Grünen werde laut Hofer dies nicht zu erwarten sein. Sie seien vielmehr eine Single-Issue-Partei. „Ihre Lebensversicherung ist das Thema Klimaschutz.“
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