Wahlmotive: EU-Wahl wird zur Denkzettel-Wahl für ehemalige Großparteien

EU-WAHL: DISKUSSION DER SPITZENKANDIDATEN UND DER SPITZENKANDIDATIN
FPÖ mobilisiert Nicht-Wählerlager, SPÖ und ÖVP erreichen Stammwähler, Neos können europäisches Profil ausspielen - Causa Schilling bringt "Jetzt erst recht"-Effekt und schadet Grünen gleichzeitig.

Noch ehe die ersten Wahlsprengel, Städte und Bundesländer ausgezählt sind, sind die Motive klar, warum wer welche Partei gewählt hat oder aber gar nicht zur Wahl gegangen ist.

Die Wahltagsbefragung von ATV/PULS 24/Hajek (Onlinebefragung/1.200 Befragte/Schwankungsbreite +/- 2,8 %) zeigt: Die EU-Wahl sei eine "Denkzettelwahl", resümiert Peter Hajek

"Wahltag ist Zahltag." Und so bringt dieser Wahl-Sonntag den Freiheitlichen und den Neos Zugewinne, den dereinst großen Parteien SPÖ und ÖVP Verluste. Den Grünen schadet die Berichterstattung rund um ihre Spitzenkandidatin Lena Schilling und sorgt doch zeitgleich für einen "Solidarisierungseffekt", wie Hajek sagt.

Die FPÖ kann, wie die Grafik zeigt, vor allem mit dem Asyl-Thema (29 Prozent) bei der Wählerschaft punkten. 18 Prozent sehen ihre Interessen vertreten. 14 Prozent geben an, die FPÖ sei das geringste Übel.  Ihr Spitzenkandidat Harald Vilimsky, der bereits bei der Wahl 2019 an erster Stelle stand, war für 36 Prozent wahlentscheidend. "Harald Vilimsky hatte wie seine Mitbewerber keine tragende Rolle bei den Wahlmotiven. Wie die ersten Wählerströme auf Basis der Wahltagsbefragung zeigen, konnte die FPÖ viele Wähler aus dem Nichtwählerlager und aus der türkisen ÖVP mobilisieren", so Hajek.

Die ÖVP - bei der Wahl 2019 stimmenstärkste Partei - hat ihr Ergebnis Stammwählern zu verdanken (21 Prozent) und dem Umstand, dass sie als "geringstes Übel" erscheint (19 Prozent) sowie die Werte vertritt, die die eigenen sind (18 Prozent).  "Die Wahlmotive sind klassisch Stammwähler-geprägt", fasst Hajek zusammen. Reinhold Lopatka war für 32 Prozent bei der Wahlentscheidung wichtig. 

Die SPÖ hat mit ihrem Spitzenkandidaten Andreas Schieder die "Pflicht erfüllt", so Hajek. "Die Stammwähler wurden mit dem Evergreen 'soziale Gerechtigkeit' und Vertrauen nach Hause gespielt. Hätte es die Causa Schilling nicht gegeben, wäre die benötigten Wählerzuflüssen von den Grünen ausgeblieben." Schieder ist für 32 Prozent ein Wahlmotiv gewesen. 

Apropos Schilling: Das Wahlmotiv, den Grünen seine Stimme zu geben, ist evident: Klimaschutz (50 Prozent). Dass mit Lena Schilling eine junge Frau als Spitzenkandidatin ins Rennen ging, das war für 9 Prozent ausschlaggebend. "Die Causa Schilling hat geschadet, aber es gab auch Solidarisierungseffekte, wie sich anhand des Motivs 'junge Frau an der Spitze, frische Ideen' zeigt." Einzig nach der Wichtigkeit der Spitzenkandidatin gefragt erreicht Schilling hier im Vergleich zu allen anderen Spitzenkandidaten mit 22 Prozent den geringsten Wert. 

Neos-Spitzenkandidat Helmut Brandstätter war für 25 Prozent entscheidend bei der Stimmabgabe. Was die Motive betrifft, so sind unter den Top 3 Werten Interessen (27 Prozent), die Vereinigten Staaten von Europa (22 Prozent) und "das geringste Übel" (19 Prozent). 

"Die große Desillusionierung" - so fasst Hajek die Motive der Nicht-Wähler und deren Motive zusammen. 

Nach der Wahl ist vor der Wahl - und danach gefragt, ob man bei der kommenden Nationalratswahl im Herbst derselben Partei die Stimme geben wird wie bei der EU-Wahl, sagen 69 Prozent der FPÖ-Wähler sicher. Bei den ÖVP-Wählern sind sich 52 Prozent sicher, bei der SPÖ 51. Anders die Lage bei den Grünen und Neos.

"Die Europaparlamentswahlen verheißen nichts Gutes für den Herbst für die meisten Parteien: Während 7 von 10 blauen Wählern die FPÖ auch im Herbst wählen wollen, sind das bei SPÖ und ÖVP nur jeder Zweite, bei den Grünen 4 von 10 und bei NEOS gar nur jeder Vierte."

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