SPÖ-Klausur: Freund und sein Leid

SPÖ-Spitzenkandidat für die EU-Wahl, Eugen Freund
Der inoffizielle EU-Wahlkampfstart war geprägt vom Patzer des roten Spitzenkandidaten.

Wie sollte er ihnen das nur erklären? Wie sollte er, der Spitzenkandidat der SPÖ, den Abgeordneten seiner Arbeiterpartei klarmachen, dass er nicht so genau weiß, wie viel ein Arbeiter verdient?

Als Eugen Freund am Montag bei der Klausur des roten Parlamentsklubs in Frauenkirchen auf der Bühne stand, war ihm die Spannung anzumerken. Die Stimme klang unruhig, ein wenig zittrig sogar – ganz anders jedenfalls, als er noch die ZIB moderierte. Auch griff er öfter nach dem Wasserglas als die Vorredner, und all das lag wohl an dem Interview, das tags zuvor veröffentlicht worden war.

Im profil hatte sich Freund mit Bill Clinton verglichen; er hatte den durchschnittlichen Monatssalär eines Arbeiters fälschlicherweise mit 3000 Euro angesetzt und eingestanden, nicht zu wissen, was genau im Parteiprogramm steht. Ausgerechnet er, der Medienprofi, hatte ein Interview verbockt und sich vor dem inoffiziellen Start in den EU-Wahlkampf eine Blöße gegeben.

Was also tun?

Nachsicht

Freund hat wohl lange nachgedacht und tat am Montag das einzig Richtige: Er bat die Seinen um Nachsicht.

„Noch nie habe ich jeden Einzelnen von euch so bewundert, den Schritt in die Politik getan zu haben“, sagte der Quereinsteiger gleich zu Beginn. Politik sei hart, sehr hart; und manchmal gehe leider etwas schief.

Eugen Freund hat an diesem Vormittag vor allem ein Thema – Eugen Freund – aber das kann man ihm nicht wirklich verübeln. Immerhin wurde in der Partei mehrfach gefragt: Was befähigt einen wie den zur Spitzenkandidatur?

Also erzählte der Sohn eines Landarztes von seiner Kindheit in Kärnten. „Wir haben zu fünft in einem Zimmer mit den Eltern geschlafen“, sagte er. „Tausende Medikamente haben sich im Zimmer gestapelt. Dass ich das überlebt habe, ist für sich schon ein Wunder.“

Er wollte den Roten sagen „Ich bin einer von euch“ – und das klappte auch.

Denn ähnlich wie Bundeskanzler Werner Faymann, der zuvor gegen die Spekulanten und „Scharlatane“ gewettert hatte, die die europäische Idee zerstören, gab Freund den überzeugten Europäer. Ungerechtigkeit und Turbo-Kapitalismus seien zu bekämpfen („Die, die von der Krise profitiert haben, müssen angemessen besteuert werden“).

Der Applaus? Nicht euphorisch, aber immerhin.

Die prominenten Genossen scheinen dem Quereinsteiger vorerst verziehen zu haben. So bat Klubchef Andreas Schieder, Freunds Aussagen nicht zu dramatisieren („Er soll ja nicht Chef der Statistik Austria werden“).

„Abwartende Zurückhaltung“ trifft die Befindlichkeit am ehesten.

Rainer Wimmer, Chef der größten Arbeitergewerkschaft, sagte zu Eugen Freunds Unwissen um die Durchschnittsgage knapp: „Jetzt weiß er es.“

Und Sozialminister Rudolf Hundstorfer erklärte sinngemäß, einmal dürfe man sich beim Arbeitergehalt verschätzen. „Aber wenn das zwei oder drei Mal passiert, dann hat die SPÖ ein Problem.“

Arbeiter: Von 1313 bis 3200 Euro brutto

Jahres-/Monats-Verdienst

Vergleicht man die Bruttojahreseinkommen von ganzjährig Vollzeitbeschäftigten, liegen Arbeiter mit 29.937 Euro weit hinter Angestellten (43.129 Euro) und Beamten (52.668 Euro). Pro Monat (dividiert durch 14) sind das: 2138 Euro bei Arbeitern. Wer nicht ganzjährig vollzeitbeschäftigt ist, bekommt deutlich weniger – im Durchschnitt 1313 Euro brutto im Monat. Wesentlich besser verdient man in der Metallindustrie: Im Durchschnitt über alle Beschäftigungsgruppen 2400 Euro brutto. Ein hoch qualifizierter Facharbeiter kommt nach zwölf Jahren auf rund 3200 brutto.

18 Jahre ist Hannes Swoboda EU-Abgeordneter, 1996, 2004 und 2009 war er SPÖ-Spitzenkandidat, im September hat er Kanzler Werner Faymann mitgeteilt, nicht mehr antreten zu wollen. Er ist nicht enttäuscht, hat aber ein paar Ratschläge an die Partei und den neuen Spitzenkandidaten. Die Wahl Eugen Freunds war mit ihm nicht abgesprochen, sagt er zum KURIER. Ein Treffen mit Freund sei geplant.

„Meine Empfehlung an ihn ist, deutlich zu machen, dass er nicht ein in der Wolle gefärbtes Parteimitglied ist, und dass nicht alles an Parteipolitik schlecht ist.“ Er müsse „einen Mittelweg finden, letztendlich muss ihn die Partei und die Gewerkschaft tragen“. Swoboda glaubt, dass Fehler, die Freund bisher passiert sind, „keine Auswirkungen auf das Wahlverhalten haben werden“. Er rät ihm, „rasch durch Österreich zu reisen und mit Leuten zu reden“.

Der Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten im EU-Parlament wünscht Freund, dass „den Europa-Abgeordneten der SPÖ mehr Wertschätzung vonseiten der Partei entgegengebracht wird. Die Partei muss die Abgeordneten auch stärker in öffentliche Auftritte miteinbeziehen“. Swoboda beklagt, dass „das mittlere Parteimanagement Europa noch nicht wahrgenommen hat. Faymann, Schieder und Klug ist das gelungen.“

Will die SPÖ bei der EU-Wahl siegen, werden „eindeutige Botschaften“ erwartet. „Die SPÖ muss kämpferischer werden und klar sagen, dass sie ein soziales Europa will. Die SPÖ muss ihre Politik auch besser verkaufen“. Themen, wie „eine gerechte Besteuerung, von der Finanztransaktionssteuer bis zur Vermögenssteuer, müssen auf der Agenda bleiben“.

Zur Ruhe wird sich Swoboda nach der EU-Wahl nicht setzen. Er ist Vizepräsident des „Institut für den Frieden“ in Wien und wird im Bereich der EU-Außenpolitik tätig sein.

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