Warum die grüne Wende in der EU immer mehr Gegenwind bekommt

Bauern demonstrieren vor der EU-Zentrale gegen strengere Umweltschutz-.Auflagen 
Der große Plan zum Kampf gegen Klimawandel und für Naturschutz muss im politischen Hick Hack Federn lassen. Reformpläne stecken fest - wohl endgültig

Die persönliche Erschütterung war Sarah Wiener anzumerken. Über Monate hatte sich die grüne EU-Abgeordnete bemüht, eine Mehrheit für das geplante EU-Gesetz für Pflanzenschutzmittel zusammenzubringen. Vergebens. Zuerst flog im Parlament ein heikler Punkt nach dem anderen aus dem Text raus – und am Ende versenkte eine klare Mehrheit den Entwurf endgültig.

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Federführend beim „Nein“ war die Europäische Volkspartei, zu der auch die ÖVP gehört. Deren Abgeordneter und Landwirtschaftsexperte Alexander Bernhuber freute sich offen über den „Sieg für die Bauern – und für unsere Versorgung mit Lebensmitteln“. Ein von grüner Ideologie getriebener Plan, „der mit der Realität der Menschen nichts zu tun hat“, sei zu Fall gebracht worden.

Prestigeprojekt

Das ist so ziemlich genau der Grundton, mit dem Europas Christdemokraten seit Monaten gegen Teile eines Plans in Stellung gehen, der ursprünglich auch ihr eigenes Prestigeprojekt war. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen, selbst von der EVP, hat den sogenannten „Green Deal“ zum Prestigeprojekt ihrer Amtszeit gemacht.

Warum die grüne Wende in der EU immer mehr Gegenwind bekommt

Doch je näher die in diesen Wochen dem Ende rückt – im kommenden Juni ist EU-Wahl – desto häufiger muss der Green Deal Federn lassen. Und das vor allem bei jenen Plänen, in denen es um Schutz von Natur und Artenvielfalt geht.

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Im Widerstand

Selbst wenn es ein Gesetz gerade noch über die Ziellinie in Brüssel schafft, organisieren die EVP weiteren Widerstand. Jüngster Fall: Das EU-Gesetz zu Wiederherstellung der Natur, das die Mitgliedsländer dazu verpflichtet, Teile ihrer Landschaften wieder in einen gesünderen, manche sogar in den natürlichen Zustand zu versetzen.

Bundesländer sind zuständig

Der EU-Abgeordnete Bernhuber macht jetzt daheim in den Bundesländern Stimmung gegen das Gesetz. Schließlich seien in Österreich die Länder für Naturschutz verantwortlich und die sollten viele der Forderungen einfach nicht umsetzen.

Das Gesetz gehöre von Grund auf überarbeitet: „Es hat doch keinen Sinn, wenn wir uns in Europa immer strengere Regeln geben – und dann schauen wir zu, wie unsere Lebensmittel aus Ländern kommen, wo diese Regeln nicht einmal im Ansatz gelten.“

"Politische Angstmacherei"

Für den grünen EU-Abgeordneten Thomas Waitz, selbst Bauer im Nebenberuf, ist das alles politische Angstmacherei vor einem Wahljahr. Es gebe unter Experten keinen Zweifel daran, dass Europa mehr Schutz der Natur und der Artenvielfalt dringend notwendig habe.

Nachhaltigere Landwirtschaft mit weniger Einsatz von Chemie würde die Versorgung nicht gefährden, sondern im Gegenteil auf Dauer sichern. Die Europäische Union aber habe, was den Naturschutz betrifft, längst den Rückzug angetreten.

Ein geplantes Waldgesetz sei inzwischen zu einem „Wald-Beobachtungsgesetz“ geschrumpft. Ebenso das Gesetz zum Schutz der Böden: „Da ist jetzt auch nur noch geplant, dass wir zuschauen, wie die gesunden Böden weiter verschwinden.“

Genug der Regeln

Bernhuber dagegen sieht den Bedarf für weitere EU-Regeln nicht. Nicht in Österreich, „wo es ohnehin ein erstklassiges Forstgesetz gibt“, aber auch nicht in Ländern wie Rumänien, wo die Urwälder im rasenden Tempo der Holzwirtschaft zum Opfer fallen. Statt weitere Gesetze zu verabschieden, solle sich die EU lieber kontrollieren, dass die bestehenden umgesetzt würden. Selbst in Rumänien hätten diese Kontrollen schon einiges bewirkt: „Es kann nicht sein, dass man Kahlschläge für Holzpellets macht, aber gegen vernünftige Nutzung des Waldes ist nichts einzuwenden.“

"Krachend gescheitert"

Für Waitz ist das vor allem eine Politik, die großen Agrarkonzernen und den Herstellern von Pestiziden dient. Man bürde den Bürgern strengere Regeln auf und lasse der Industrie bei der Umweltverschmutzung weitgehend freie Hand. Die Folge für den Grünen: „Was Naturschutz betrifft, sind wir in der EU krachend gescheitert.“

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