"Den Klimawandel gibt es eigentlich gar nicht", "die Sonne und die Überbevölkerung sind schuld"? Was ist dran an den am häufigsten vorgebrachten Argumenten?
Noch bis zum 12. Dezember suchen Vertreter von über 190 Staaten bei der 28. Klimakonferenz in Dubai Lösungen für die Klimakrise. Dass es den menschengemachten Klimawandel gibt, ist für den überwiegenden Teil der Klimaforscher eine traurige Gewissheit und bewiesen. Doch in der öffentlichen Diskussion ist das Thema kein glasklares Faktum. Die Freiheitliche Partei etwa negiert zwar nicht mehr, dass es einen Klimawandel gibt, sehr wohl aber, dass der Mensch dafür verantwortlich ist.
Dazu nahm kürzlich erst Bundespräsident Alexander van der Bellenim KURIER Stellung: "Ich verstehe schon, dass es für viele kurzfristig bequemer scheint, zu sagen: ‚Jaja, das Klima hat sich schon immer gewandelt, das ist völlig normal. Der Neusiedler See hat einmal mehr, einmal weniger Wasser. Die Skipisten sind einmal weißer, einmal matschiger. Das ist alles kein Grund, unser gewohntes Verhalten zu überdenken", so der Bundespräsident. "Die Klimaerhitzung ist eine wissenschaftlich belegte Tatsache. Das sind Fakten, die zu ignorieren für die nachfolgenden Generationen lebensgefährlich wäre."
18.000 Menschen in Österreich wurden zwischen März und Mai 2023 vom Umweltbundesamt im Auftrag des Klima- und Energiefonds dazu befragt. Ergebnis: Für eine überwältigende Mehrheit der Befragten ist der Klimawandel eine erwiesene Tatsache (93,6% der Befragten) mit überwiegend negativen Folgen für Mensch und Natur (72,5%).
Doch einige Gerüchte und Einwände hört und liest man immer wieder, wenn es um die Klimakrise geht. Der KURIER hat oft gehörte Argumente und Aussagen ergründet.
1. "Der Klimawandel hat nur mit der Sonnenaktivität zu tun"
Ja, die Sonne ist ein Klimafaktor. Aber der Einfluss ihrer natürlichen Intensitätsschwankungen auf das Klima ist schon seit Jahrzehnten viel kleiner als der Einfluss des Menschen. Während der letzten Jahrzehnte, in denen die globale Temperatur angestiegen ist, hat die Sonnenaktivität einen leicht abkühlenden Trend gezeigt – Sonnenaktivität und globale Mitteltemperatur haben sich also in den letzten Jahrzehnten in entgegengesetzte Richtungen entwickelt.
2. "Das eigentliche Problem ist die Überbevölkerung"
Weil sowohl die Weltbevölkerung wächst, als auch die Klimaprobleme zunehmen, gehen viele Menschen von einem vermeintlichen Zusammenhang zwischen Bevölkerungswachstum und Klimawandel aus. Tatsächlich wächst die Bevölkerung aber vor allem dort, wo die Menschen pro Kopf besonders wenig klimaschädliches CO2 ausstoßen. Einen viel größeren Einfluss auf das Klima haben die Menschen in Ländern, in denen sehr viel konsumiert wird. Dort ist das Bevölkerungswachstum aber sehr gering.
3. "Wir atmen ja alle das Treibhausgas CO2 aus"
Je nach körperlicher Belastung atmet jeder Mensch jährlich zwischen 170 und 2.000 Kilogramm aus. Entscheidend ist jedoch nicht die Menge, sondern die Herkunft. Das vom Menschen ausgeatmete CO2 stammt aus dem eigenen Stoffwechsel, war also bereits im biologischen Kreislauf vorhanden. Menschen und Tiere nehmen den in der Nahrung chemisch gebundenen Kohlenstoff auf und atmen ihn als Kohlendioxid wieder aus. Pflanzen bilden daraus wieder Nahrung.
4. "Auf den Polen wächst die Eisschicht, sie wird größer, nicht kleiner"
Es ist richtig, dass sich das Meereis der Antarktis deutlich ausgedehnt hat. Der Grund dürfte sein, dass dem Veränderungen bei Windmustern und Ozeanströmungen zugrundeliegen. Ganz anders verhält es sich mit dem antarktischen Landeis. Hier ist klar, dass die Masse seit Jahren zurückgeht. Dieser Schwund hat sich in den vergangenen Jahren sogar beschleunigt und und wird sich im gesamten 21. Jahrhundert fortsetzen, selbst wenn die Menschheit den Treibhausgasausstoß drastisch senkt.
5. "Kosmische Strahlung erwärmt die Erde"
Grundsätzlich und unabhängig von fehlenden Belegen ist festzuhalten, dass die kosmische Strahlung in den vergangenen 50 Jahren keine signifikante Veränderung gezeigt hat – und somit schwerlich den Temperaturanstieg in den letzten Jahrzehnten erklären kann. Ein Zusammenhang zwischen kosmischer Strahlung und Wolkenbildung (und damit dem Klima) konnte experimentell nicht bestätigt werden; beobachtet wurden lediglich Korrelationen in bestimmten Regionen und für eher kurze Zeiträume. Hingegen gibt es zahlreiche Messungen und Hinweise darauf, dass der Einfluss – falls er existiert – höchstens minimal ist. Er sei "zu schwach, um einen signifikanten Einfluss auf Wolken und Klima zu haben", hieß es vor ein paar Jahren zusammenfassend in einer Übersicht des Forschungsstandes.
6. "Im Mittelalter war es viel wärmer als heute"
Es stimmt, dass während der sogenannten Mittelalterlichen Warmzeit (ungefähr 900 bis 1400 n. Chr.) in manchen Regionen der Erde ungewöhnlich hohe Temperaturen beobachtet wurden, diese lagen vor allem auf der Nordhalbkugel. Doch in vielen anderen Erdgegenden und auch insgesamt war die Welt damals kühler als heute. Es gibt keine Belege für eine weltweite "Mittelalterliche Warmzeit" – ebenso wenig übrigens wie für eine weltweite "Kleine Eiszeit", die nach manchen Behauptungen danach stattgefunden haben soll.
7. "Die Vorteile der Erderwärmung überwiegen die Nachteile"
Es gibt Vorteile – etwa im Norden weniger Heiztage oder teilweise mehr pflanzliches Wachstum oder bessere Ernten durch höheren CO2-Gehalt in der Atmosphäre. Jedoch weisen deutlich mehr wissenschaftliche Studien darauf hin, dass die Erderwärmung vielfältige negative Auswirkungen auf Landwirtschaft, Ökonomie, Gesundheit und Umwelt haben wird. Diese überwiegen in der Gesamtschau etwaige positive Seiten des Klimawandels bei Weitem.
8. "Wie wollen Klimaforscher das Wetter in 50 Jahren voraussagen, wenn sie es nicht einmal für vier Wochen können?"
Wetter und Klima sind sehr verschiedene Dinge: Wetter bezeichnet den Zustand der Atmosphäre und kurzfristige Veränderungen darin. Klima hingegen ist der langfristige Durchschnitt des Wetters (üblicherweise über mindestens 30 Jahre gemittelt). Klimamodelle haben also gar nicht den Anspruch, das Wetter taggenau vorherzusagen – sondern ihr Ziel ist, das mittlere Klima und die Statistik des Wetters zu prognostizieren.
Die Klimaforschung schaut also auf langfristige Änderungen, das Wettergeschehen wird über größere Zeiträume hinweg gemittelt. So wird das chaotische Element unserer Atmosphäre reduziert – deshalb können computerbasierte Klimamodelle die künftige Entwicklung des Erdklimas inzwischen ziemlich verlässlich vorhersagen.
9. "Der Mensch ist nur für 3 Prozent des CO2-Ausstoßes verantwortlich, der Rest ist natürlich"
Die 97 Prozent CO2-Emissionen, für die angeblich die Natur zuständig ist, gehören zu einem geschlossenen Kreislauf: Menschen, Tiere und Pflanzen atmen Milliarden von Tonnen CO2 aus. Allerdings stehen auf der anderen Seite Pflanzen, die das CO2 durch die Photosynthese wieder in Blätter und Holz umwandeln. Der biologische Kohlenstoffkreislauf ist geschlossen.
"Die CO2-Konzentration in der Atmosphäre war jahrtausendelang praktisch konstant und steigt erst an, seit wir dem System riesige Mengen an zusätzlichem Kohlenstoff aus fossilen Lagerstätten zuführen", erklärt Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung im Focus.
Diese vom Menschen verursachten Emissionen machen zwar tatsächlich etwa die oben genannten drei Prozent aus – dabei handelt es sich aber um Milliarden Tonnen Kohlendioxid, die dem eigentlich stabilen Kohlenstoffkreislauf netto hinzugefügt werden.
10. "Die Mitglieder des Weltklimarat IPCC sind hauptsächlich bezahlte Lobbyisten, das IPCC eine politische Organisation"
Die Berichte des Weltklimarates IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) werden ausschließlich von Wissenschaftern ausgearbeitet. Zwar kam der Anstoß zur Gründung des Weltklimarates von politischer Seite, und es gibt auch immer wieder Versuche einzelner Länder, die Zusammenfassungen der Berichte für die Politik zu beeinflussen. Allerdings hatte dies bisher kaum relevanten Einfluss auf die Endergebnisse – und zielte meist nicht darauf, wissenschaftliche Erkenntnisse zum Klimawandel zuzuspitzen, sondern sie im Gegenteil abzuschwächen.
Kommentare