EU-Gipfel: Große Solidarität mit der Ukraine – aber kleine Schatten

EU-Gipfel: Große Solidarität mit der Ukraine – aber kleine Schatten
Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) vertrat Österreich bei der zweiten EU-Geberkonferenz für die Ukraine in Warschau.

Das Nationalstadion ist die größte Anlaufstelle für ukrainische Flüchtlinge in Polens Hauptstadt Warschau. Bei einem Besuch von Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP), die Kanzler Karl Nehammer im Rahmen der zweiten EU-Geberkonferenz vertrat, zeigte sich erneut: Die erste Fluchtwelle ebbt ab. Spärlich besetzt waren die vielen Registrierungsstellen – hauptsächlich mit Frauen und Kindern.

Dort eine Familie aus der umkämpften Stadt Melitopol in der Südukraine. Da wiederum Frauen aus Kiew, die im nun für die Unicef vorübergehend ankommende Kinder betreuen. Ihre Männer kämpfen in der Heimat. "Derzeit sind sie in Sicherheit", heißt es. Aber die Situation sei eben volatil. Was alle eint, ist der Wunsch, eines Tages zurückzukehren. Der russische Angriffskrieg begann vor sechs Wochen, eine friedliche Lösung ist nicht in Sicht.

EU-Gipfel: Große Solidarität mit der Ukraine – aber kleine Schatten

Raab im Gespräch mit ukrainischen Vertriebenen

Weitere Hilfsgelder beschlossen

Für den Krieg, den Wiederaufbau und die Grundversorgung benötigt die Ukraine zusätzliche Hilfsgelder. Weitere 42 Millionen Euro hat die österreichische Regierung im Rahmen der Konferenz zugesagt, davon sind 15 Millionen für Frauen und Kinder vorgesehen. Österreichs Regierung hat der Ukraine damit seit Kriegsbeginn rund 60 Millionen zur Verfügung gestellt.

"Österreich steht hinter die Ukraine. Wir werden weiterhin jene unterstützen, die vor dem Krieg in der Ukraine fliehen – bisher sind mehr als 67.000 Ukrainerinnen und Ukraine in Österreich registriert worden", sagte Raab auf der Konferenz.

Bei der ersten Geberkonferenz in Warschau, am 9. April, sammelten die EU-Staaten in Summe 9,1 Milliarden Euro für die Ukraine. Am Donnerstag kamen weitere 6,5 Milliarden Dollar, also umgerechnet 6,2 Milliarden Euro hinzu, was eine Gesamtsumme von 15,3 Milliarden ergibt.

1,5 Millionen in Polen

Polen hat bisher 3,14 Millionen Vertriebene aus der Ukraine registriert. Etwa die Hälfte, also rund 1,5 Millionen, sind laut Schätzungen vorerst hiergeblieben, der Rest weitergezogen oder heimgekehrt.

Umgerechnet 65 Euro stellt Polen jedem ukrainischen Vertriebenen als Sockelbetrag zur Verfügung, es folgen weitere 10 Euro Verpflegungsgeld pro Tag. Polens Solidarität mit der Ukraine wird international ausdrücklich gelobt, doch es gibt auch Schattenseiten.

Debatte um rigides Abtreibungsgesetz

Laut der polnischen Tageszeitung Gazeta Wyborcza lehnten 120 Frauen aus der Kleinstadt Butscha, wo Russland wohl Kriegsverbrechen an der Zivilbevölkerung verübte, Anfang April einen Transport nach Polen ab. Grund: Polens verschärfte Abtreibungsgesetze.

Die Frauen gaben an, von russischen Soldaten vergewaltigt worden zu sein und befürchteten, schwanger zu werden. Die rigiden Regeln zu Schwangerschaftsabbrüchen in Polen erlauben zwar Abtreibungen bei sexualisierter Gewalt, dafür ist aber eine Bescheinigung der Staatsanwaltschaft nötig. Die Frauen zogen es vor, in ein Land zu reisen, wo sie nicht beweisen müssen, vergewaltigt worden zu sein, um eine ungewollte Schwangerschaft zu beenden.

Polen plant nach jetzigem Stand keine Gesetzesänderung. "Was diese Debatte betrifft, muss ich einfach sagen, dass ich froh bin, dass wir in Österreich eine gute Regelung haben", sagte Raab gegenüber dem KURIER.

Reges Interesse hätten polnische Vertreter in den Gesprächen an den Sprachkursen in Österreich gezeigt, die nach der Flüchtlingskrise 2015 aufgesetzt wurden, so Raab. Auch gemeinsame Anstrengungen im Kampf gegen Menschenhandel standen im Vordergrund.

Selenskij-Rede

Zu Beginn der Geberkonferenz wurde eine Videobotschaft des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij eingespielt. Zu Österreichs Nationalrat durfte Selenskij ob des Widerstands der FPÖ und einer indifferenten Haltung der SPÖ bekanntlich noch nicht sprechen.

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