Asylpakt: Worauf sich die EU einigen wird - und wie es jetzt weitergeht

Es ist ein entscheidender Schritt im beinahe letzten Moment. Die EU-Innenminister haben sich am Donnerstag in Brüssel auch beim letzten umstrittenen Baustein des Asyl- und Migrationspaktes zumindest grundsätzlich geeinigt. Die letzten umstrittenen Details sollen in „einigen Tagen“ folgen. Diplomaten zufolge wehrt sich Italien gegen die Rettungsschiffe, mit denen Menschenrechtsgruppen Flüchtlinge auf See retten und nach Italien bringen.
Diese Fragen aber sollen die Einigung nicht mehr verhindern. Damit ist der Weg für einen formalen Beschluss des EU-Rates und danach für die finalen Verhandlungen mit dem EU-Parlament frei. Der neue Pakt könnte damit zu Beginn des kommenden Jahres stehen, noch bevor die Europawahlen möglicherweise die politischen Machtverhältnisse in der EU neu definieren. Worauf haben sich die Innenminister nun geeinigt und wie sieht der Plan für eine Reform der Asylpolitik aus?
Um welchen Streitpunkt ging es zuletzt?
Bis zuletzt umstritten war die sogenannte „Krisenverordnung“. Dabei geht es um den Umgang mit einer Flüchtlingswelle in einem EU-Staat, wie zuletzt im italienischen Lampedusa. Welche Notfallmaßnahmen kann das betroffene Land einleiten und sind die anderen Staaten verpflichtet, Flüchtlinge von dort zu übernehmen? Ab welchem Zeitpunkt ist eine solche Krise überhaupt gegeben? Hier gibt es zwar eine grundsätzliche Einigung, aber viele offene Details.
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Was sind die Bausteine des neuen Asylpaktes?
Vorgesehen sind zahlreiche Verschärfungen, um die illegale Migration zu begrenzen. Die Kontrolle der EU-Außengrenzen soll massiv verstärkt werden. Menschen aus Ländern, die als relativ sicher gelten und die daher nur geringe Aussichten auf eine Anerkennung ihres Asylantrags haben, sollen künftig nach einem Grenzübertritt gesondert behandelt werden. Sie werden unter haftähnlichen Bedingungen in streng kontrollierte Aufnahmeeinrichtungen kommen. Diese Lager werden direkt an den EU-Außengrenzen eingerichtet. Dort soll dann im Normalfall innerhalb von zwölf Wochen geprüft werden, ob der Antragsteller Chancen auf Asyl hat. Wenn nicht, soll er umgehend zurückgeschickt werden. Dafür ist eine engere Kooperation mit jenen Ländern vorgesehen, aus denen die Menschen stammen und jene, durch die sie durchreisen. Die erste Zusammenarbeit dieser Art hat die EU mit Tunesien begonnen. Mehr als 100 Millionen Euro an EU-Geld sind bereits nach Tunesien geflossen, um dort den Grenzschutz auszubauen und die Arbeit der Sicherheitskräfte mit den Migranten zu unterstützen.
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Wie verhält sich Österreich?
Österreich hat den Pakt bis zuletzt blockiert, vor allem wegen Bedenken, dass man im Falle einer Krise dazu gezwungen wäre, Flüchtlinge zu übernehmen. Nachdem aber Deutschland den Weg zu einer Einigung frei gemacht hat, stand man dem Pakt auch nicht mehr im Weg. Österreich beharrt aber darauf, dass es ohnehin zu jenen EU-Ländern gehört, die prozentuell am meisten Menschen aufgenommen haben – man will sich gegen weitere Übernahmen wehren.
Wie geht es politisch weiter?
Die EU-Innenminister werden den Pakt voraussichtlich Mitte Oktober beschließen. Dafür genügt eine „qualifizierte Mehrheit“, (mindestens 15 der 27 EU-Länder sowie mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung). Auch wenn also Polen und Ungarn bei ihrer Blockade des Paktes bleiben, können sie diesen nicht stoppen Wenn der Beschluss von den Staats - und Regierungschefs abgesegnet worden ist, geht man in die Verhandlungen mit dem EU-Parlament. Mit einer Einigung wird gerechnet. Damit ist die neue EU-Asylpolitik unter Dach und Fach.
Krise: Die italienische Insel Lampedusa war zuletzt Schauplatz einer Flüchtlingswelle. Rund 15.000 Menschen sind binnen weniger Tage dort gestrandet
Tunesien: Rund 90 Prozent der derzeit über das zentrale Mittelmeer kommenden Migranten sind durch Tunesien gereist
30.000 Menschen haben im ersten Halbjahr 2023 in Österreich Asyl beantragt. Das ist ein Rückgang um 50 Prozent im Vergleich zum Zeitraum im Vorjahr. Hauptgrund ist das Ende der visafreien Einreise von indischen und tunesischen Staatsbürgern nach Serbien und von dort in die EU
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