Erste Reifeprüfung für Zentralmatura
Direktorin Eva Ponsold ist genauso gespannt wie ihre Schüler, ist doch ausgerechnet die Deutschmatura als Erste dran und sie selbst unterrichtet Deutsch. Seit ein paar Tagen liegen die Prüfungsaufgaben in ihrem Tresor. „Ich hab sie erst heute vor den Schülern geöffnet“, sagt die Leiterin des Wirtschaftskundlichen Gymnasiums in Graz und zeigt die leeren Schachteln her. „Und alles ist komplett easy abgelaufen.“
Um 7.35 Uhr teilte Ponsold die Aufgaben an die achten Klassen aus. Bis alle formalen Fragen geklärt sind, vergehen gute 20 Minuten. „Das ist im Prinzip nicht anders abgelaufen als früher. Es war bei den Schülern nicht mehr Aufregung als sonst.“
Kurz vor zwölf Uhr geben die ersten Maturanten ab und verlassen den eigens dafür gesperrten Trakt. Marie ist unter ihnen. „Mir ist es gut gegangen, die Themen waren verständlich“, schildert die 17-Jährige. Sie sei gut vorbereitet gewesen, von Pannen habe sie nichts bemerkt. „Die zentrale Schularbeit vorher war wichtig, wir haben alle gewusst, worauf wir uns da einlassen. Die Deutschmatura ist mir vorgekommen wie eine normale Schularbeit.“
Freilich, so normal ist der Tag nicht: TV-Teams und Journalisten warten auf die Prüflinge, um sie über ihre Eindrücke auszufragen. Marie findet das in Ordnung. „Der Hype ist verständlich, aber für uns ist das nicht so eine große Sache.“
Währenddessen kommt Christian Besel aus der Klasse und wird von der Direktorin höchstpersönlich ausgefragt. „Wie war’s?“ Christian grinst. „Es war schaffbar.“ Bloß die Zusammenfassung, da sei er über das Ziel hinausgeschossen. „Die 330 Worte waren schon sehr wenig. Ich habe kürzen müssen.“ Die Vorbereitung auf die Matura sei jedenfalls gut gewesen.
Nicht geschummelt
Im BG Zehnergasse Wiener Neustadt (NÖ), hat die 18-jährige Jasmin die Diskussionen um die Zentralmatura mitverfolgt. „In den letzten Tagen hat ständig irgendjemand gemeint, dass er gehört oder gelesen hätte, was kommt. Das war alles Blödsinn.“ Von Schummeleien hat sie nichts mitbekommen: „Aber bei Deutsch spielt das natürlich keine Rolle.“
Ortswechsel. Am Wiener Billrothgymnasium trudeln gegen 13 Uhr die 67 Maturanten in der Aula ein. Sie tratschen, tauschen sich aus und sind sich einig: „Die Themen waren alle sehr schön“, sagen Direktorin Ursula Madl, Lehrer und Schüler.
Maturant Fritz, der über „Armut und soziale Gerechtigkeit“ geschrieben hat, ist erleichtert, „dass keine 08/15-Themen vorgegeben wurden.“ Häufig kämen vom bifie nämlich Vorgaben wie „soziale Medien“ oder Umwelt: „Was sollst du da schreiben, außer dass AKW schlecht sind?“ Der Einser-Schüler ist dann aber doch ins Schwitzen gekommen. „Wir haben ja gewisse Vorgaben, was wir schreiben müssen – z.B. erst einmal ca. 100 Wörter, in dem wir die Argumente des Zeitungsartikels wiedergeben mussten. Da hatte ich für die eigene Meinung nicht mehr so viel Text, wie nötig gewesen wäre. Den zweiten Teil konnte ich aus Zeitmangel nicht mehr in Reinschrift schreiben.“ Nachsatz: „Der Teil ist eben nur schön geschrieben.“
Auch Raphael hätte gerne mehr Zeit gehabt: „Ich habe das etwas anspruchsvollere Literaturthema genommen.“
Im Nachhinein wissen die Maturanten natürlich immer, was sie anders hätten machen sollen. Klara fragt zum Beispiel ihre Deutsch-Lehrerin Elisabeth Höbart: „Hätte ich das in den Konjunktiv setzen müssen?“ Andere sinnieren, ob sie die Zeit besser hätten einteilen sollen. Aufregender wird wohl der Montag: „Kommen Sie wieder, wenn wir Mathematikmatura haben“, sagt Moritz. „Dann sind viele wohl nicht so entspannt.“
Prüfungs-Fahrplan
Matura-Termine Vom 5. bis 13. Mai finden die schriftlichen Prüfungen statt. Heute ist Englisch dran, am kommenden Montag Mathematik. Wer es nicht schafft, kann am 1. und 2. Juni zur Kompensations-prüfung antreten. Nebentermine sind vom 14. bis 22. September bzw. vom 11. bis 19. Jänner 2016. Die mündlichen Prüfungen beginnen zu unterschiedlichen Zeiten. Die Schulen können am 3. Juni beginnen, die meisten starten nach Fronleichnam.
Beim Ministerrat am Dienstag Vormittag nahm Bundeskanzler Werner Faymann seine Bildungsministerin Gabrielle Heinisch-Hosek beiseite: Ob bisher alles gut gelaufen sei und ob noch Schwierigkeiten zu erwarten waren, wollte der Regierungschef wissen.
Bisher war das Projekt Zentralmatura in der Öffentlichkeit eher ein Synonym für Pleiten, Pech und Pannen. Heinisch hatte zwar immer dementiert, dass sie zurücktreten würde, sollte der Ablauf der Zentralmatura nicht reibungslos sein. Und doch war klar: Geht das Projekt schief, ist ihre Polit-Karriere vorbei.
Als sie vom Bundeskanzler zum bisherigen Ablauf befragt wurde, war die Ministerin schon etwas entspannter. Seit 7.30 Uhr morgens lief die Deutsch-Matura in einigen Schulen, seit neun Uhr in allen AHS in Österreich. Die Rückmeldungen waren überall positiv, grünes Licht aus allen Klassenzimmern. Und so konnte Heinisch dem Kanzler berichten: Keine ungeplanten Vorkommnisse, alles wie geplant. Heinisch ließ sich im Laufe des Tages immer wieder über den Stand der Dinge berichten. Probleme? Keine.
Das Aufgabenheft mit den Texten gibt es hier zum Download.
Allerdings hatte Heinisch-Hosek in den Wochen und Monaten vor der Zentralmatura alle Hände voll zu tun, damit dieser Dienstag kein Desaster wird: Erst im Februar hatte die Ministerin einen externen Projektmanager bestellt, der die Agenden sowohl aus dem Ministerium als auch des Bildungsinstituts Bifie, das für den Ablauf der Zentralmatura verantwortlich ist, bündeln und koordinieren sollte.
Schwachstellen
Die Schwachstellen, die bei den vielen Vor-Tests offenkundig wurden, sollten durch das neue Management eliminiert werden: Sind die Aufgaben einer Zentralmatura würdig? Sind ausreichend Prüfungsangaben da? Und kann verhindert werden, dass die Prüfungsaufgaben vorab veröffentlicht werden? Noch in der Vorwoche haben Mitarbeiter des Bifie ihre Vertrauenspersonen an allen AHS angerufen, um die letzten Fragen zu klären.
Sektkorken knallten an diesem Dienstag dennoch nicht im Bildungsministerium. Die Ministerin musste am Nachmittag im Bildungsausschuss des Parlaments Auskunft geben. Und schließlich war es auch nur der erste Tag der ersten schriftlichen Zentralmatura in Österreich.
Im Prüfungsstress sind diese Woche nicht nur Maturanten, sondern auch Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek. Nach der holprigen Generalprobe im Vorjahr startet die Zentralmatura für alle AHS. Heute steht Deutsch auf dem Prüfungsplan, am Mittwoch folgt Englisch und kommenden Montag Mathematik. So läuft die "standardisierte kompetenzorientierte Reifeprüfung an AHS" ab.
Wer darf zur Matura antreten?
Jeder AHS-Schüler, der die 8. Klasse in allen Fächern positiv abgeschlossen hat, darf zur Prüfung. "Nicht genügend" mit einer Jahresprüfung bei der Matura ausbessern – das geht nicht mehr. Jetzt können Kandidaten vor der Matura eine Wiederholungsprüfung ablegen. Zugelassen ist auch, wer seine vorwissenschaftliche Arbeit (VWA) nicht abgegeben oder bestanden hat. Denn die VWA ist neben der schriftlichen und der mündlichen Prüfung eine von drei Säulen der Zentralmatura. Die drei Blöcke können auf Termine im Sommer, Herbst oder Frühjahr 2016 aufgeteilt werden.
Wie kommen die Aufgaben an die Schule?
Ab 20. April wurden die gedruckten Maturaaufgaben mit der Post versendet. Diese liegen mittlerweile in den Safes der Schulen. Um Pannen wie im Vorjahr zu vermeiden, erhalten alle Schulleiter am Prüfungstag um 6.30 Uhr einen Code per SMS, mit dem sie die Fragen aus dem Internet laden und bei Bedarf ausdrucken können.
Zu welcher Uhrzeit beginnen die Prüfungen?
Das kann jede Schule selbst festlegen. Denn organisatorisch ist ein einheitlicher Beginn kaum möglich, da die öffentlichen Verkehrsmittel häufig den Terminplan vorgeben. Zudem braucht die Schule einen Spielraum. Sollte es zu einem Stau, einer Panne bei der U-Bahn oder anderen Zwischenfällen kommen, kann der Direktor reagieren.
In welchen Fächern treten alle Maturanten an?
Alle treten in Deutsch, Mathematik und einer lebenden Fremdsprache zur schriftlichen Prüfung an. Wählen Maturanten ein viertes Fach, müssen sie nur zwei anstatt drei mündlicher Prüfungen ablegen.
Welche Hilfsmittel sind erlaubt?
Es dürfen jene Hilfsmitteln benutzt werden, die zuvor in der Schule erlaubt waren: In Mathematik sind das Taschenrechner oder Laptop, in Deutsch ist es das Wörterbuch in Papier- oder elektronischer Form. Die Autokorrektur muss ausgeschaltet sein. Das ist schwierig zu kontrollieren und führt zur nächsten Frage:
Wie soll das Schummeln verhindert werden?
Direktoren haben dafür zu sorgen, dass die Schüler keine "unerlaubten Hilfsmittel" verwenden. In der Praxis sind das heute kaum noch Schummelzettel, sondern elektronische Helfer wie Smartphone, iPod oder USB-Stick. Sie müssen deshalb vor dem Test abgegeben werden. Wer Geräte behält und beim Mogeln erwischt wird, der wird in diesem Fach nicht benotet und darf erst im Herbst zur Prüfung antreten.Wer schummelt und erwischt wird, ist jedenfalls schlechter dran als der, der einen Fleck auf eine Klausur hat.
Wie wird benotet? Wann weiß der Maturant, ob er die Prüfungen bestanden hat?
Für alle Fächer gibt es ein Bewertungsschema, an das sich die Korrektoren zu halten haben. Welche Noten in einem Fach der Schüler hat, wird bei der Beurteilungskommission festgelegt, die z. B. in Wien am 21. Mai tagt. Sollte ein Schüler in einem Fach durchfallen, so muss das "Nicht genügend" im Sinne der Leistungsbeurteilungsverordnung (LBVO) begründet werden. Wer einen "Fleck" bekommt, hat bis 27. Mai Zeit, sich zu entscheiden, ob er eine Kompensationsprüfung macht. Damit erreicht er bestenfalls einen Dreier im Maturazeugnis. Er kann im Herbst zur 1. Wiederholung antreten und wahrt so die Chance auf einen Einser.
Wie läuft die mündliche Matura ab?
Die meisten Schulen werden erst nach Fronleichnam, am 8. Juni, mit der "Mündlichen" beginnen – auch wenn der erstmögliche Termin der 3. Juni ist. Für jedes Fach gibt es einen Pool von 12 bis 24 Aufgaben mit je 2 Fragestellungen – abhängig von der Wochenstundenzahl des Prüfungsfachs. Daraus werden zwei Aufgabenbereiche gezogen, einen davon sucht sich der Schüler aus. Der Lehrer teilt aus diesem Bereich eine Aufgabe zu, die den Schülern zuvor nicht bekannt sein darf. Über das Ergebnis der mündlichen Prüfung entscheiden Direktor und Klassenvorstand mit je einer Stimme sowie Prüfer und fachkundlicher Beisitzer, die gemeinsam eine Stimme haben.
Wie kann man gegen einen Fünfer berufen?
Erst wenn alle drei Teile – VWA, mündliche und schriftliche Prüfung – absolviert wurden, kann ein Widerspruch eingelegt werden: in erster Instanz beim zuständigen Landesschulrat, in zweiter beim Bundesverwaltungsgericht.
Was passiert, wenn ein Schüler verhindert ist?
Ist ein Maturant krank, so kann er zu den Ersatzterminen im Herbst (ab 17. September) oder Winter (ab 11. Jänner 2016) antreten. Sollte ein Schüler noch während des Haupttermins gesund werden, ist ein Einstieg in die laufenden Prüfungen jederzeit möglich. Kein Grund, die Nerven wegzuwerfen.
Zeitpläne für den Haupttermin und die beiden Nebentermine im Schuljahr 2014/2015 siehe hier.
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