Ernährungsexperte: "Das ist ein Krieg, den sich die Welt nicht leisten kann"
Was heißt es für Österreichs Lebensmittelversorgung, wenn der Krieg in der Ukraine noch Wochen oder Monate andauert? Kommt es, im schlimmsten aller Fälle, dazu, dass die Regale in Supermärkten leer bleiben?
Es sind elementare Fragen, über die sich heute, Dienstag, die Bundesregierung mit Vertreter des Lebensmittelhandels, der Sozialpartner sowie der Wissenschaft im Zuge eines Gipfels zur „Versorgungssicherheit“ berät.
Der Zufall will es, dass derzeit auch Martin Frick in Wien ist. Frick ist seit kurzem Direktor des Global Office Berlin des UN-Welternährungsprogrammes. Und im KURIER-Gespräch umreißt er die politischen Herausforderungen, denen sich Europa angesichts der Ukraine-Krise stellen muss.
Eine beruhigende Botschaft vorweg: „Es gibt keine Ernährungskrise, denn es gibt genug Lebensmittel. Niemand muss in Europa Angst vor einer Unterversorgung haben“, sagt Frick.
Was es allerdings sehr wohl gäbe sei eine „Preis- und Verteilungskrise“. Und die lasse sich unter anderem damit erklären, dass die Preise für Lebensmittel seit der Covid-Pandemie sukzessive gestiegen sind.
Unter Druck
„Knapp gesagt ist die Ukraine ein Krieg, den sich die Welt nicht leisten kann“, sagt Frick. „Die ärmsten Länder kommen immer weiter unter Druck, und da die Ukraine einer der fünf größten Weizenexporteure der Welt ist, rutschen viele vom ,Ich kann mir das gerade noch leisten’ ins ,Das kann ich mir nicht mehr leisten’.“
Der Experte bringt den Libanon als Beispiel: „Weil der Libanon vergleichsweise nahe ist, war ukrainischer Weizen auf dem Schiff rund zehn Tage unterwegs.“ Müsse man nun Weizen aus Australien oder Kanada importieren, vervielfache das die Kosten. „Vor zwei Jahren haben wir als World Food Programm für einen Container 1.000 Dollar bezahlt. Heute kostet der selbe Container 4.000 Dollar – weil die Energiepreise hoch sind und weil auch politische Instabilitäten die Kosten treibt.“
Während eine österreichische Familie zwölf Prozent ihres Monatseinkommens für Lebensmittel ausgibt, sind es in Ländern der Dritten Welt schon 70 bis 80 Prozent. „Und hier geht es nicht um hochwertige Lebensmittel wie Milch, Fleisch und Eier, sondern nur um Brot.“
In europäischen Regierungen wird vor allem diese Entwicklung mit Sorge beobachtet. Denn wenn selbst elementarste Nahrungsmittel nicht mehr zur Verfügung stehen, sehen sich Menschen gezwungen, anderswo ihr Glück zu versuchen – und flüchten.
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