Erdoğans Referendum startet für Austro-Türken
Links ein weißes Feld: "Evet". Rechts ein braunes: "Hayir". "Ja" oder "Nein" – ab heute entscheiden 108.561 in Österreich lebende Türken auf ihrem zweifarbigen Stimmzettel, ob Präsident Recep Tayyip Erdoğan seine Macht per Verfassungsänderung ausbauen darf.
Im Vorfeld des Referendums hatten geplante Wahlkampfauftritte türkischer AKP-Politiker für gehörigen Wirbel gesorgt. Deutschland und den Niederlanden warf die Türkei nach politischen Interventionen "Nazi-Methoden" vor – ein bisheriger Höhepunkt des Konflikts.
In Österreich beschloss die Regierung eine Verschärfung des Versammlungsgesetzes, aber die Gemeinden wussten sich schon selbst zu helfen, indem sie etwa Mietverträge für Veranstaltungsräume aufkündigten. Zuletzt wurde deswegen ein Konzert der Ja-Sager im Salzburger Flachgau abgesagt. Ein Fest der Nein-Sager in Innsbruck wurde erst von höchster Stelle (dem Tiroler Landeshauptmann) untersagt, dann aber – neu angemeldet als Versammlung – genehmigt. Das Fest fand am Samstag unter Polizeibeobachtung statt.
Ankara hat am Mittwoch zugesichert, keinen Wahlkampf in Europa zu machen. Beide Lager finden in Österreich aber Schlupflöcher. Die Aktivitäten laufen jetzt unter dem Titel "Informationsveranstaltung". Und davon dürfte es bis zum 9. April – so lange läuft die Wahl für die so genannten "Übersee-Wähler" – noch reichlich geben.
Türken demonstrieren
In Linz wurden vergangene Woche vor dem Moscheeverein ATIB Flyer verteilt, um für Evet, also Ja, Stimmung zu machen. Und in Wien gingen am Samstag rund 300 Kurden und Aleviten für Hayir, Nein, auf die Straße. Organisiert wurde die Kundgebung von der "Hayir-Plattform". Es traten türkischstämmige Politiker aus Österreich auf. "Keiner aus der Türkei", betont Richard Berger, Co-Vorsitzender der Kurdischen Gesellschaft. Dann sei es ja völlig legitim: "Viele Menschen wissen nicht, was es für die Türkei bedeuten würde, wenn das Referendum erfolgreich ist. Wir informieren nur."
Auch die Türkische Kulturgemeinde positioniert sich klar für Hayir, lehnt Wahlpropaganda aber ab. Das sei kein Widerspruch, sagt Präsident Birol Kilic zum KURIER: "Es ist unsere Pflicht als Europäer, Stellung zu beziehen und Nein zu sagen, wenn die Türkei droht, zum Sumpf Europas zu verkommen."
Die Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD) organisiert – wie auch Vereine aus dem gegnerischen Lager – Reisebusse zur Stimmabgabe bei den Generalkonsulaten in Wien, Salzburg und Bregenz. Für die Wahl ist dort täglich von 9 bis 21 Uhr geöffnet.
"Es ist unsere Aufgabe als Demokraten, alles zu tun, um die Wahlbeteiligung anzukurbeln", sagt UETD-Sprecher Ramazan Aktaş. Viele Türken könnten sich die Fahrt nicht leisten, die Busse würden aus Spenden finanziert. Dass bei diesen Fahrten jemand beeinflusst wird, mit Ja zu stimmen, schließt er aus.
Die Türken machen auf ihrem Stimmzettel übrigens kein Kreuz, sie stempeln. "Tercih", so die Aufschrift, bedeutet "Präferenz". Die versiegelten Urnen werden nach Ankara geflogen und am Flughafen bis zur Abstimmung in der Türkei am 16. April gelagert.
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