"Nazi-Methoden": Erdogan greift Merkel persönlich an

Der türkische Präsident gießt im Konflikt mit der deutschen Regierung erneut Öl ins Feuer. Wegen einer Kurden-Demonstration in Berlin wurde zudem der deutsche Botschafter einbestellt.

[Update - 19:27 Uhr: Reaktion von Martin Schulz]

Im Konflikt mit Deutschland hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan der deutschen Kanzlerin persönlich "Nazi-Methoden" vorgeworfen. In einer vom Fernsehen übertragenen Rede sagte Erdogan am Sonntag an Merkel gerichtet: "Du benutzt gerade Nazi-Methoden".

"Gegen wen?", fragte Erdogan. "Gegen meine türkischen Brüder in Deutschland und die Minister", die in Deutschland für die Einführung des Präsidialsystems in der Türkei werben wollten. Nach der Absage von Wahlkampfauftritten türkischer Minister hatte Erdogan Anfang des Monats bereits deutschen Behörden "Nazi-Methoden" vorgeworfen und damit Empörung in Berlin ausgelöst.

Merkel sagte am 9. März bei ihrer Regierungserklärung im Deutschen Bundestag: "Diese Vergleiche der Bundesrepublik Deutschland mit dem Nationalsozialismus müssen aufhören." Sie nannte die auch vom türkischen Außenminister Mevlüt Cavusoglu aufgegriffenen Vergleiche "traurig und deprimierend" und "so deplatziert, dass man es nicht ernsthaft kommentieren kann". Der deutsche Bundestagspräsident Norbert Lammert sagte damals, wer Deutschland öffentlich verdächtige, Nazi-Methoden anzuwenden, "disqualifiziert sich selbst".

Erdogan legte wenige Tage später nach und warf Merkel - wie zuvor den deutschen Behörden - die "Unterstützung von Terroristen" vor. Merkels Sprecher Steffen Seibert nannte die Vorwürfe damals "erkennbar abwegig". "Die deutsche Kanzlerin Merkel hat nicht die Absicht, sich am Wettlauf der Provokationen zu beteiligen".

Schulz: Erdogans Angriff "eine Frechheit"

Der neu gewählte SPD-Parteichef und Kanzlerkandidat der deutschen Sozialdemokraten, Martin Schulz, hat die Angriffe Erdogans auf Merkel (CDU) eine Unverfrorenheit genannt. "Dass das Staatsoberhaupt eines befreundeten Landes die Regierungschefin dieses Landes in dieser Form beleidigt, ist eine Frechheit", sagte Schulz am Sonntag.

Man müsse Erdogan "irgendwann auch mal sagen", dass ein Staatsoberhaupt eines NATO-Mitgliedslandes und eines Kandidatenlandes zur EU "nicht alle Gepflogenheiten der internationalen Diplomatie mit Füßen treten" dürfe. "Das tut er aber", sagte Schulz am Abend im Sender ARD. "Das ist eines Staatsoberhaupts nicht würdig." Die Türkei sei auf dem Weg zu einem autoritären Staat.

Erdogan: Journalist Yücel ist Terror-Agent

Das deutsch-türkische Verhältnis ist derzeit unter anderem wegen der Absage von Wahlkampfauftritten türkischer Politiker sowie wegen der Inhaftierung des deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel in der Türkei schwer belastet.

Auch der Welt-Journalist Yücel wurde ams Sonntag Ziel von Erdogans Angriffen. Yücel sei ein Terror-Helfer und werde vor Gericht gestellt. "Gott sei Dank ist er festgenommen worden", sagte Erdogan. Die unabhängige türkische Justiz werde den Fall beurteilen.

Yücel hat die deutsche und türkische Staatsangehörigkeit. Die deutsche Regierung fordert die Freilassung Yücels und dass das deutsche Konsulat Yücel zunächst im Gefängnis betreuen darf. Sie verweist darauf, dass der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim dies Merkel bereits Anfang März zugesagt habe.

Der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel hatte sich im Spiegel besorgt über die Unabhängigkeit der Justiz in der Türkei gezeigt. "Wenn die Türkei wirklich ein Rechtsstaat ist, wie Herr Erdogan behauptet, dann frage ich mich, wie er schon vor Beginn eines Gerichtsverfahrens wissen kann und sagen darf, dass ... Deniz Yücel ein Terrorist und Spion sei."

Türkei bestellte deutschen Botschafter ein

Die türkische Regierung attackierte Deutschland zudem, weil der Chef des Bundesnachrichtendiensts (BND), Bruno Kahl, der Türkei widersprochen und in Abrede gestellt hatte, dass die Gülen-Bewegung den Putschversuch 2016 in der Türkei angezettelt habe.

Erbost zeigte man sich in Ankara auch wegen einer kurdischen Demonstration am Wochenende in Frankfurt am Main. Die türkische Regierung hat sogar den deutschen Botschafter einbestellt. Ein Sprecher von Präsident Recep Tayyip Erdogan sprach am Sonntag von einem "Skandal", weil viele Demonstranten verbotene Kennzeichen der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) mit sich geführt hatten.

"Gestern hat Deutschland seinen Namen unter einen weiteren Skandal gesetzt", so der Sprecher. Der deutsche Botschafter sei am Samstag einbestellt worden, die Vorfälle seien "auf das Schärfste verurteilt" worden, fügte Präsidentensprecher Ibrahim Kalin im Sender CNN-Türk hinzu. Das kurdische Neujahrsfest Newroz sei als "Vorwand" für die kurdische Demonstration genutzt worden. Die türkische Regierung hatte bereits zuvor scharf gegen die Demonstration protestiert.

Etwa 30.000 Menschen hatten am Samstag in Frankfurt am Main friedlich für "Demokratie in der Türkei" und "Freiheit für Kurdistan" demonstriert. Die Teilnehmer riefen auch zu einem "Nein" bei dem anstehenden Referendum über die Einführung eines Präsidialsystems in der Türkei auf.

Öcalan-Bilder

Laut Polizei waren zahlreiche Fahnen und Plakate mit Abbildungen verbotener Symbole sowie Bilder des Chefs der ebenfalls verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), Abdullah Öcalan, zu sehen. Die Polizei verzichtete aber nach eigenen Angaben auf Beschlagnahmungen, um einen friedlichen Verlauf der Veranstaltung zu gewährleisten. In einem solchen Fall gelte die Regel "Gefahrenabwehr vor Strafverfolgung". Die Fälle sollen aber strafrechtlich verfolgt werden.

Der Umgang Deutschlands mit der PKK ist Teil des seit Monaten bestehenden Konflikts zwischen Deutschland und Ankara. Erdogan hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zuletzt in einem Interview "Unterstützung von Terroristen" vorgeworfen. Die deutsche Regierung wies diese Vorwürfe als "abwegig" zurück.

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