Der umstrittene Dollfuß-Gedenktag
Es ist einer der Amtsräume im Bundeskanzleramt am Ballhausplatz. Meist wird er für Empfänge genutzt, manchmal zieht sich der Kanzler auch für Telefonate dorthin zurück. In einer Ecke davon ist ein kleiner Gedenkstein im Boden verankert. Mit der Inschrift: Bundeskanzler Engelbert Dollfuß, 25. Juli 1934.
Wenn man nicht direkt hingeführt wird, dann kann es leicht passieren, dass man diese kleine Erinnerungstafel übersieht. Dabei ist gerade dieses Eck ein historisch wichtiger Platz. Dort ist der ehemalige Bundeskanzler Engelbert Dollfuß 1934 im Rahmen eines Putschversuches von österreichischen Nationalsozialisten ermordet worden. Eben am 25. Juli.
Heuer jährt sich sein Todestag zum 90. Mal. Im Kanzleramt wird es dazu kein Gedenken geben. Zumindest ist bis jetzt nichts geplant. Zu umstritten ist noch immer die Rolle von Dollfuß. Im bürgerlichen Lager wird er als erstes Opfer des Nationalsozialismus gesehen. Im linken Lager sieht man in ihm jenen Mann, unter dem der Parlamentarismus abgeschafft und ein Weg in die Diktatur und den Austrofaschismus bestritten worden ist.
Wie sehr Historiker noch immer um jedes Wort streiten, wenn es um Dollfuß geht, wurde heuer im Februar deutlich, als es um den 90. Jahrestag der Februarkämpfe unter Dollfuß gegangen war.
Gedenken an Dollfuß
Noch mehr aufgeheizt wurde alles zuletzt durch das Dollfuß-Museum in der kleinen Gemeinde Texingtal im niederösterreichischen Mostviertel. Das war in die Kritik geraten, als Gerhard Karner im Jahr 2021 von Kanzler Karl Nehammer als Innenminister in die Regierung geholt wurde. Von ersten Tag an wurde er wegen des Museums in Texingtal, wo er zuvor ÖVP-Bürgermeister war, kritisiert. Weshalb er eine Gruppe von Wissenschaftern – hauptsächlich Historiker – einsetzte, um das Museum neu ausrichten zu lassen.
Das ging allerdings schief, weil die Gruppe die Ausstellungsstücke entfernen und das Museum schön langsam auflösen wollte. Dem kam die Kulturabteilung des Landes NÖ zuvor, sie ließ alle Stücke in einer Nacht- und Nebelaktion abtransportieren. Derzeit wird mit den Leihgebern verhandelt, was damit passieren bzw. wo sie in Zukunft ausgestellt werden könnten. Eine Möglichkeit wäre das Haus der Geschichte in St. Pölten. Das Museum ist seit diesem Tag geschlossen.
Einer der Initiatoren des Museums, der ehemalige ÖVP-Landtagspräsident Hans Penz, hat jetzt in einem Buch seinem Unmut über all das freien Lauf gelassen. Er zitiert eine Tochter von Dollfuß, die darauf verwiesen hat, dass nach dem Zweiten Weltkrieg die Rolle von Engelbert Dollfuß im Kampf um Österreich verschwiegen worden wäre.
Mit der Ergänzung: „Und nun hat sich auch seine Heimatgemeinde Texing mit dem Beschluss des Gemeindevorstandes, das Museum aufzulösen, klar von ihm distanziert.“ So Penz im Vorwort des neu erschienen Buches von Hannes Kammerstätter mit dem Titel „Der Staat, den schließlich alle wollten“.
Hannes Kammerstätter:
„Der Staat, den schließlich alle wollten“
Erschienen im Verlag www.tragbaresvaterland.at.
480 S., 49 €.
Das Werk war erst vor wenigen Tagen in Wieselburg präsentiert worden. Der Autor will eine neue Perspektive auf Engelbert Dollfuß werfen. Ein besonderes Augenmerk wird dabei auf das Verhältnis des Ständestaates zur jüdischen Bevölkerung gelegt. Wie Dollfuß dabei als ein Kanzler dargestellt wird, der die Transformation Österreichs zur sozialen Partnerschaft wollte, wird unter Historikern sicherlich wieder für heftige Diskussionen sorgen.
Kranzniederlegung am Dollfuß-Grab
Es gibt jedenfalls eine Gruppe Menschen, vorwiegend aus dem Bauernbund, die den 90. Todestag von Engelbert Dollfuß nicht so einfach vorbeigehen lassen wollen. So sind eine Gedenkmesse und eine Kranzniederlegung am Grab von Dollfuß rund um den 25. Juli geplant. Wann genau, will man nicht öffentlich machen, um Gegenproteste zu vermeiden.
Sicherlich nicht eingebunden wird jenes Eck im Kanzleramt, wo die Ermordung stattgefunden hat. Das will man eher im Hintergrund halten. Es gab auch Zeiten, wo dort eine Kerze und ein Bild von Dollfuß zu finden waren. Aber auch genauso Regierungen, die das Eck mit einem großen Blumentopf verdeckt haben.
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