Lokaler Grenzzaun soll Kontrollen ermöglichen
Jetzt soll auch Österreich einen Grenzzaun bekommen. Aber nur einen kleinen, einige Kilometer langen, links und rechts des Grenzübergangs Spielfeld.
Das kündigte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner am Dienstag an. Der Anlass: Ein Lokalaugenschein an dem von Flüchtlingen belagerten Grenzübergang zu Slowenien.
Ticker-Nachlese: Der KURIER berichtete am Dienstag live
Nachdem Ungarn seine Grenze dichtgemacht hatte, verlagerte sich der Flüchtlingsstrom nach Slowenien. Nachdem aber jetzt Bayern die Übernahme von Flüchtlingen immer öfter verzögert, kommt Österreich unter Druck. Die Innenministerin drückt das recht drastisch aus: "Österreich ist am Limit."
Mikl-Leitner rechnet auch mit einer weiteren Zunahme des Flüchtlingsstromes. Nachdem bisher pro Tag bis zu 4000 Schutzsuchende in Spielfeld vorstellig wurden, müsse man künftig mit bis zu 12.000 rechnen. Bereits am Montag wurden 7000 Personen aus Spielfeld mit Bussen weggebracht.
Kontingentierung
Aufhalten könne man die Menschen nicht, sie wollen unbedingt nach Deutschland. Mikl-Leitner skizzierte zwei mögliche Szenarien: "Wir lassen sie auf den Autobahnen weitermarschieren, oder wir begleiten sie in sicherer Form." Natürlich komme für sie nur die Begleitung infrage.
Dafür müsse man sich aber mit Deutschland auf ein Kontingent einigen, das für beide Seiten bewältigbar sei. Das könnten bis zu 8000 Asylsuchende täglich sein. Diese Kontingentierung erfordere es im Gegenzug, nur so viele Flüchtlinge in Spielfeld ins Land zu lassen, wie Bayern am anderen Ende abnimmt.
Deshalb erteilte Mikl-Leitner dem Generaldirektor für öffentliche Sicherheit, Konrad Kogler, den Auftrag, "bauliche Grenzsicherungsmaßnahmen" für Spielfeld zu entwerfen, die sich natürlich auch auf das Umland erstrecken müssen. Zum geplanten Umfang der Befestigungen wollte sich die Ministerin noch nicht äußern. An einen Grenzzaun wie in Ungarn sei aber nicht gedacht. Dennoch ist Widerstand und Protest gegen Mikls Pläne in der Regierung programmiert.
Was diese Grenzkontrollstelle unter anderem leisten soll, war bei einem KURIER-Lokalaugenschein in Spielfeld zu sehen. Dort wurden beheizte Großraumzelte aufgestellt. In diesen Zelten werden die Menschen registriert, mit Lebensmitteln und medizinisch versorgt, und später mit Bussen abtransportiert.
Diese provisorische Anlage funktioniert und macht einen für die Flüchtlinge halbwegs stressfreien Eindruck. Durch lange Gänge mit Tretgittern werden sie in Gruppen von jeweils 50 Personen zu den Bussen gebracht. Bis zu 3000 Personen können derzeit hier provisorisch untergebracht werden. Bilder, auf denen Menschen im Freien auf dem Boden zwischen den Tretgittern sitzen, vermitteln einen falschen Eindruck. Zu solchen Situationen kommt es nur, wenn kurzfristig keine Busse zur Verfügung stehen. Dann weigern sich die Menschen oft, ins beheizte Zelt zurück zu kehren, weil sie Angst haben, den nächsten Bus zu verpassen.
Die Problemzone befindet sich vor dem Lager auf der Seite des Grenzüberganges. Dort lagern die Flüchtlinge im Freien. Einige haben kleine Zelte aufgestellt, die meisten liegen aber bei niedrigen Temperaturen auf dem nackten Boden. Lagerfeuer verbreiten einen beißenden Gestank.
Elitesoldaten
Dienstagvormittag versuchte sich eine Gruppe von etwa 100 Afghanen über die Steilhänge Richtung Autobahn davonzumachen. Das verhinderten mit Sturmgewehren bewaffnete Elitesoldaten der slowenischen Armee, die den Talkessel abgeriegelt haben.
Ins österreichische Lager können aber von der slowenischen Seite nur so viele Menschen gelassen werden, wie von der österreichischen Seite mit Bussen wegfahren. Das österreichische Lager ist durch einen Bauzaun und durch Soldaten gesichert. Dienstag drückten etwa 1000 Flüchtlinge gegen die Absperrungen. Die Stimmung wurde durch eine Gruppe jüngerer Flüchtlinge angeheizt, die mit lautstarken Parolen und drohenden Gesten die anderen motivieren wollten, den Bauzaun zu stürmen.
Das Bundesheer hatte speziell ausgebildete Soldaten mit Lautsprechern in Stellung gebracht, die auf die Menge einzuwirken versuchten. Tatsächlich schaffte es ein Soldat mit Migrationshintergrund, die Gruppe der Aufrührer schließlich zu besänftigen. Auch derartige Vorfälle sollen durch die baulichen Sicherungsmaßnahmen künftig leichter beherrschbar sein.
Auf einmal war bei uns der Teufel los", erzählt Josef Lamperstorfer, CSU-Bürgermeister von Wegscheid in Bayern, direkt an der Grenze zum oberösterreichischen Mühlviertel. "Die Österreicher haben die Flüchtlinge mit Bussen direkt zum Grenzübergang gebracht. Wir waren darauf nicht vorbereitet."
Weil der Rückstau zu groß wurde, durchbrachen erst in der Nacht zum Dienstag 1500 Flüchtlinge die Grenzabsperrungen bei Hanging an der Böhmerwaldstraße, marschierten auf eigene Faust durchs bayerische Wegscheid. "Sie waren nicht mehr aufzuhalten, dabei haben wir nicht einmal Schlafplätze hier. Wir mussten improvisieren, dass bei der Kälte keine Kinder im Freien bleiben. Es ist ein Unding, was hier passiert."
Schuld am Ausnahmezustand, der wegen der dauernden Straßensperren mittlerweile auch der Wirtschaft schade, gibt der CSU-Mann den Politikern in Linz und Wien. "Österreich nimmt einfach keine Rücksicht."
Tatsächlich hat das Innenministerium seit Samstag Tausende Flüchtlinge von Spielfeld in der Südsteiermark nach Oberösterreich bringen lassen – direkt an die bayerische Grenze im Innviertel bei Braunau/Simbach, Achleiten/Passau und ins Obere Mühlviertel bei Kollerschlag/Wegscheid. Allein in der Nacht zum Dienstag kamen 129 Busse an, etwa 6500 Flüchtlinge mussten versorgt werden. Wie berichtet, kann nicht mehr allen ein Dach über dem Kopf geboten werden. Hunderte mussten bei Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt im Freien ausharren, weil sich an der Grenze erneut ein Rückstau bildete – etwa auf der Innbrücke in Braunau.
In den Inn gesprungen
Von der zeitweise gesperrten Brücke sind am Dienstag zwei ungeduldige Männer in den Inn gesprungen, um nach Deutschland zu schwimmen. Sie wurden mit einem Boot geborgen und ins Spital gebracht.
Nur 50 Flüchtlinge werden derzeit pro Stunde und Grenzübergang von der deutschen Polizei durchgelassen, kontrolliert und anschließend mit Bussen auf das gesamte Bundesgebiet verteilt. "Wir brauchen eine Verdoppelung. Sonst werden wir Dinge erleben, die wir nicht erleben möchten", warnt Oberösterreichs Landespolizeidirektor Andreas Pilsl. Er trifft sich heute, Mittwoch, zu einer Lagebesprechung mit deutschen Kollegen in Passau. Bei dem Termin soll auch geklärt werden, wo die heimische Polizei ein Zelt für 1000 Personen aufstellt. Eigentlich hätte die beheizbare Notunterkunft schon am Dienstag bei Schärding errichtet werden sollen. Nun aber will man bei der Standortwahl Rücksicht auf die deutschen Kollegen nehmen.
Trotz Kritik aus der bayerischen Politik funktioniert die Kommunikation auf Beamtenebene offenbar gut. "Wir arbeiten seit Wochen grenzüberschreitend Hand in Hand", betont Polizeisprecher David Furtner. Und: "Die Flüchtlinge wollen nach Deutschland. Dieses Bedürfnis können wir nicht ignorieren."
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