Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass Finanzminister Gernot Blümel in derselben Sitzung mit einer Ministeranklage rechnen muss. Doch eine solche Anklage ist nicht nur ein aufwändiges und daher eher seltenes Unterfangen (erst Zuweisung, dann Abstimmung im Ausschuss, Entscheidung durch den VfGH), sondern zudem so lange aussichtslos, so lange sich keine Mehrheit dafür findet – was ohne die Stimmen der Grünen der Fall ist.
Also zurück zum Kanzler und den gegen Sebastian Kurz erhobenen Vorwürfen.
Wie schon am Wochenende wird wohl auch in der Sondersitzung vor allem die Frage debattiert, wann sein Rücktritt geboten ist.
Während die Oppositionsparteien die rote Linie dann überschritten sehen, wenn ein Regierungschef vor den Strafrichter muss – also angeklagt wird – sieht die ÖVP die Angelegenheit ein wenig anders.
Im Wesentlichen verfolgen die Türkisen zwei Argumentations- bzw. Verteidigungsstrategien: Die eine besteht darin, die Ermittlungen der Justiz als politisches Manöver der Opposition darzustellen. „Ich habe manchmal den Eindruck: Weil man ihn(Kurz, Anm.) und uns bei Wahlen nicht besiegen kann, versucht man es halt vor Gericht“, sagte Tourismusministerin Elisabeth Köstinger stellvertretend für Partei und Kanzler in der Presse.
Die zweite Linie der ÖVP besteht darin, die gegen den Regierungschef vorgebrachten Vorhalte juristisch zu zerpflücken. Kurz hat mehrfach wiederholt, dass er es sich „beim besten Willen“ nicht vorstellen könne, wirklich verurteilt zu werden – ihm fehle jeder Vorsatz.
Um diese Aussage zu stützen, hat die ÖVP zusätzlich eine „strafrechtswissenschaftliche Stellungnahme“ beim Salzburger Strafrechtsprofessort Hubert Hinterhofer eingeholt. Das Dokument gilt zwar nicht als ausführliches Rechtsgutachten. Der Schluss, den Hinterhofer zieht, ist aber eindeutig: Demnach seien die Ausführungen der WKStA „insgesamt zu spekulativ und unterstellend“, um daraus einen Tatverdacht abzuleiten.
Und es seien „starke Zweifel angebracht“, dass der Kanzler vorsätzlich im Ausschuss falsch ausgesagt hat – immerhin sei es ihm wie allen anderen Beteiligten von vornherein klar gewesen, dass das „unweigerlich“ zu einer Strafanzeige führt.
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