Österreichische Lebensweise braucht 3,5 Planeten

Österreichische Lebensweise braucht 3,5 Planeten
"Earth Overshoot Day": Ab morgen sind die Ressourcen der Erde erschöpft. Wegen der Corona-Pandemie wurde allerdings heuer weniger verbraucht.

Für heute reichen die Ressourcen unseres Planeten noch. Ab morgen, Samstag, geht es an die schwindenden Reserven. Der biologische Fußabdruck der Menschheit hat Berechnungen zufolge die Biokapazität der Erde erschöpft. 

Dieser Tag wird alljährlich als "Earth Overshoot Day" im Kalender markiert, zu Deutsch: Welterschöpfungstag. 

Heuer ist dieser Stichtag erstmals seit 50 Jahren später angesetzt - zuletzt ist das Datum immer weiter nach vorne gerückt. Wegen der Corona-Pandemie wurden weltweit weniger Ressourcen verbraucht. 

Im Vorjahr fand er noch am 29. Juli statt, heuer ist er eben morgen, der 22. August. 

Österreichs Erschöpfungstag heuer früher

Für Umwelt-NGOs ist das dennoch kein Grund zur Freude. "Von einer langfristigen Erholung des Planeten kann keine Rede sein", sagt Michael Schwingshackl von der Plattform Footprint gemeinsam mit den weiteren NGOs. Und er macht auf die Sonderrolle Österreichs aufmerksam: 

"Die Welt verbraucht im Jahr 2020 die Ressourcen von mehr als 1,5 Erden. Nach österreichischer Lebensweise sind es sogar etwa 3,5" - daher fordert man von der Regierung die "längst bekannte Methoden zur Schonung von Ressourcen" umzusetzen.

Österreichs Erschöpfungstag ist nämlich jedes Jahr früher als der weltweite. Die österreichische Lebensweise ist also "verschwenderischer" als jene im weltweiten Schnitt. Österreich ist damit bei weitem nicht alleine: Auch in Deutschland und den USA ist der Stichtag früher. 

Wodurch Österreich heuer hervorsticht: Während sich der weltweite Erschöpfungstag um drei Wochen verzögert hat, ist der österreichische heuer sogar früher eingetreten - nämlich am 8. April. Im Vorjahr war es der 9. April 2019. 

Umweltministerin: "Wir leben, als ob wir drei Planeten hätten"

Für die grüne Umweltministerin Leonore Gewessler, ehemals Chefin von Global 2000, ist das keine Überraschung: "Unser Ressourcenverbrauch in Österreich und auf der ganzen Welt ist viel zu groß. Wir leben als ob wir drei Planeten zur Verfügung hätten - und heizen damit auch die Klimakrise weitere an."

Österreichische Lebensweise braucht 3,5 Planeten

Für Gewessler ist die Klimakrise "die große Herausforderung unserer Zeit". Österreich habe heuer den Kohleausstieg geschafft. Bis 2030 sollen 100 Prozent des Stroms in Österreich aus erneuerbaren Energien produziert werden - so die Zielsetzung der türkis-grünen Regierung. Als weiteres Leuchtturmprojekt nennt sie das 1-2-3-Öffi-Ticket, das 2021 kommen soll. 

Zudem sollen Reparaturen und Mehrwegsysteme gefördert werden - Stichwort Kreislaufwirtschaft. "So schaffen wir die Trendwende. Wenn wir alle gemeinsam an einem Strang ziehen - dann gewinnen wir den Kampf gegen die Klimakrise", so der Appell der Ministerin. 

Rössler: "Zu viel Fläche wird zubetoniert"

Die grüne Umweltsprecherin im Parlament, Astrid Rössler, sieht besonders im Infrastruktur- und Baubereich Handlungsbedarf. „In keinem anderen europäischen Land wird so viel Fläche zubetoniert wie hierzulande. Das verschlingt riesige Mengen an Ressourcen und macht unseren Lebensraum anfälliger für Naturkatastrophen.“

Österreich sei etwa Spitzenreiter bei der Dichte an Supermarktfilialen. Zugleich sterben die Ortskerne aus und der Leerstand bei Geschäftsflächen steigt weiter.

Ressourcenraub im globalen Süden

Von der SPÖ macht Petra Bayr, Bereichssprecherin für globale Entwicklung, auf den "Earth Overshoot Day" aufmerksam: „Der Lebensstil der westlichen Gesellschaften basiert auf der Ausbeutung von Mensch und Umwelt im globalen Süden."

So stammen etwa die Ressourcen für Smartphones, Tablets, Laptops und Co aus der Demokratischen Republik Kongo, aus Chile und Bolivien. "Dort hinterlassen sie häufig ökologische und soziale Katastrophen“, kritisiert Bayr und ruft die Bundesregierung auf, sich für das Einhalten von Umwelt- und Sozialstandards entlang der gesamten Lieferketten einzusetzen.

"Wir brauchen EU-weit einen gesetzlichen Rahmen, der Produkte, die Mensch und Umwelt ausbeuten, nicht auf dem EU-Binnenmarkt zulässt." Erste Schritte hat die EU-Kommission angekündigt.

Auf Kosten der nächsten Generation

Organisationen wie der WWF und Greenpeace fordern von der österreichischen Regierung Tempo bei der geplanten ökosozialen Steuerreform. 

Global 2000 nennt drei Hauptattribute für die Wirtschaft der Zukunft: Nachhaltig, kleinräumig und solidarisch. "Die durch das Corona-Virus schlagartig ausgelöste Krise zeigt die Gefahr des 'Change by Disaster'", sagt Geschäftsführerin Agnes Zauner. 

Man habe aber in vielen Bereichen das Wissen einen derartigen Wandel zu vermeiden und "ein 'Change by Design' jetzt gezielt und auf Basis der langjährigen wissenschaftlichen Erkenntnis einzuleiten - ein Systemwandel weg von einer umweltzerstörerischen, nicht nachhaltigen Ausbeutung der Erde durch unsere imperiale Lebensweise".

"Alles was wir ab dem Welterschöpfungstag verbrauchen, geht auf die Kosten der nächsten Generationen und schädigt die natürlichen Systeme der Erde", warnte Wolfgang Pekny von der Plattform Footprint und Mitinitiator des Lebensmanifests des Club of Rome. Eine Rückkehr nach Covid-19 zur alten Normalität sei jedenfalls keine Option.

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