"Durchschummler" unter Firmen kosten Steuerzahler 450 Millionen

"Durchschummler" unter Firmen kosten Steuerzahler 450 Millionen
Teures "Hire-and-Fire" zu Lasten der Allgemeinheit: Am Bau oder im Tourismus wird Zwischenparken von Mitarbeitern beim AMS immer beliebter.

Seit Bundeskanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Heinz-Christian Strache das Wort "Durchschummler" in den Mund genommen haben, läuft die Neuauflage der alten Sozialschmarotzer-Debatte. Inhalt dieses Mal: Die Zukunft des Arbeitslosengeldes und der Notstandshilfe sowie der mögliche Vermögenszugriff bei Langzeitarbeitslosen, die künftig in die Mindestsicherung rutschen.

Aufgrund parteiinternen Widerstands in der FPÖ hat die Regierungsspitze versucht, die Debatte rasch abzudrehen und will erst bis Jahresende ein Konzept vorlegen. Doch SPÖ und Arbeiterkammer machen Kurz und Strache nicht den Gefallen und warten, bis allfällige Verschärfungen für Arbeitnehmer und Arbeitslose verkündet sind.

"Systemausbeuter"

Die Roten verweisen vielmehr auf eine WIFO-Studie aus dem Vorjahr und orten die Durchschummler auch und vor allem auf Arbeitgeberseite. Die Praxis vieler Betriebe – am Bau, im Tourismus, bei Arbeitsvermittlern und im Handel – Mitarbeiter bei schwacher Auftragslage oder in der Zwischensaison freizusetzen, beim AMS zwischen zu parken und sie per Wiedereinstellungszusage nur wenige Tage oder Wochen später erneut aufzunehmen, gehe zu Lasten der Allgemeinheit. Das WIFO hat errechnet, dass durch diese "Hire-and-Fire"-Mentalität jährlich mindestens 450 Millionen Euro in der Arbeitslosenversicherung fehlen. Die "neuen" Jobs per Wiedereinstellungszusage beim alten Arbeitgeber machen schon sieben Prozent aller Arbeitsaufnahmen im Jahr aus.

"Durchschummler" unter Firmen kosten Steuerzahler 450 Millionen

Zuletzt hat SPÖ-Chef Christian Kern auf diese Praxis hingewiesen und die Regierung aufgefordert, sich doch endlich über diese "Einstellungszusagen den Kopf zu zerbrechen". Auch AK-Chef Rudi Kaske setzt nach und spricht von "Systemausbeutern" in etlichen Branchen.

Die rot-schwarze Regierung hatte versucht, mit der "Auflösungsabgabe" gegen zu steuern. 130 Euro für jeden gekündigten Mitarbeiter kostete das. Doch die Abgabe wurde in der letzten Sitzung des Nationalrates vor der Wahl am 15. Oktober mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP und Grünen wieder abgeschafft.

"Die Auflösungsabgabe hat an der Praxis leider nichts geändert. In vielen Fällen wurde die Abgabe noch dazu den Beschäftigten von ihrem Urlaubsgeld-Anspruch abgezogen", sagt AK-Arbeitsmarktexperte Gernot Mitter.

Macht die Regierung ernst mit dem "Arbeitslosengeld neu" dürfte sich der bisherige Trend noch verschärfen. Das Arbeitslosengeld soll ja künftig zu Beginn höher ausfallen, dann aber schrittweise sinken, um einen Anreiz zur raschen Arbeitsaufnahme zu schaffen. Wifo-Chef Christoph Badelt warnt davor: Mehr Geld am Beginn der Arbeitslosigkeit würde es für viele Firmen noch attraktiver machen, ihre kurzfristig nicht benötigten Mitarbeiter beim AMS zu parken.

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