Dschihadisten: Polizei für besseren Zugriff auf Daten

Dschihadisten: Polizei für besseren Zugriff auf Daten
Mikl unterstützt Forderung. Daten müssen derzeit nach neun Monaten gelöscht werden.

Im Grazer Landesgericht wurde am Montag über acht der 14 am vergangenen Freitag festgenommenen, mutmaßlichen Dschihadisten die U-Haft verhängt – darunter ist Mirsad O. alias Ebu Tejma, der Hauptverdächtige.

Laut Staatsanwaltschaft besteht bei den festgehaltenen Personen Flucht-, Verdunkelungs- und Tatbegehungsgefahr, deshalb ist die U-Haft nötig; sechs Verhaftete wurden freigelassen.

"Dieser Schlag gegen den Terrorismus zeigt, dass unsere Null-Toleranz-Politik greift", sagte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner bei der Präsentation einer neuen Beratungsstelle (siehe unten). Die ÖVP-Politikerin will zeigen, dass mit aller Härte gegen radikale Islamisten vorgegangen werde.

"Nicht zielführend"

Um mutmaßliche Terroristen und deren Sympathisanten effizienter verfolgen zu können, wünscht sich die Polizei mehr Befugnisse. Konrad Kogler, Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, bemängelte Sonntagabend in der ORF-Sendung Im Zentrum, dass Ermittlungsdaten bereits nach neun Monaten gelöscht werden müssten: "Das ist nicht zielführend."

Gerät etwa eine Person in Verdacht, in den Dschihad ziehen zu wollen, und die Polizei erfährt davon, wird sie das dokumentieren. Verstößt der Verdächtige aber neun Monate lang nicht gegen das Strafrecht, müssen die Ermittlungserkenntnisse vernichtet werden. Bewegt sich der Verdächtige nach einem Jahr neuerlich in radikalen Kreisen, kann die Polizei nicht mehr auf die damals erhobenen Daten (z. B. mit wem hatte er Kontakt) zurückgreifen.

Mikl-Leitner unterstützt Koglers Forderung nach einer Ausweitung der Speicherungsmöglichkeiten. Die Ressortchefin befindet auch, dass es "hilfreich" wäre, wenn es eine Nachfolgeregelung für die vom Höchstgericht zu Fall gebrachte Vorratsdaten-Speicherung geben würde.

Bis zum Sommer sind die Provider ja verpflichtet gewesen, die Verbindungsdaten aller Bürger sechs Monate lang zu speichern. Es wurde z. B. flächendeckend festgehalten, wer mit wem wann und wie lange telefoniert hat; oder wer wem wann eMails geschickt hat. Bei Delikten, die mit mehr als einem Jahr Haft bedroht sind, konnte die Polizei derlei Informationen anfordern.

Der EuGH kippte die EU-Richtlinie, in Österreich hob der Verfassungsgerichtshof das Gesetz auf. Kritiker bemängelten stets, dass die Daten nicht der Terrorabwehr dienten. Tatsächlich ging es meist um Drogendelikte, Diebstähle und Raub.

Justizminister Wolfgang Brandstetter möchte – wie Mikl-Leitner – dennoch, dass die Polizei in Fällen von "schwerster Kriminalität" wieder an Vorratsdaten kommt. Da es auch auf EU-Ebene einen Verstoß zur Reparatur der EU-Richtlinie gibt, will der Minister vorerst aber "die europäische Entwicklung abwarten", hieß es am Montag in seinem Büro.

Wohin soll man sich wenden, wenn man befürchtet, dass ein Jugendlicher im persönlichen Umfeld Kontakt zu radikal-islamischen Kreisen pflegt – oder gar erwägt, nach Syrien zu reisen, um an der Seite der IS-Terroristen zu kämpfen?

Da die Polizei sicher nicht die erste Anlaufstelle für Angehörige mit derlei Sorgen ist, hat die Regierung im Familienministerium eine "Beratungsstelle Extremismus" eingerichtet.

Anrufer können dort telefonisch (0800/202044, montags bis freitags von 10 bis 15 Uhr) oder per eMail (office@beratungsstelleextremismus.at) anonym ihre Ängste oder Beobachtungen zur Sprache bringen und sich von den bei der Hotline tätigen Experten Rat holen. "Das soziale Umfeld der Betroffenen bemerkt in aller Regel am schnellsten, wenn plötzlich jemand seine religiöse Haltung oder seine gesamte Weltanschauung ändert, sich zunehmend von seinem bisherigen Umfeld ab- und einem radikalem Spektrum zuwendet", erklärte Familienministerin Sophie Karmasin.

Hilfe in fünf Sprachen

Die Beratung (in fünf Sprachen: Deutsch, Türkisch, Englisch, Arabisch und Persisch) ist kostenlos. Bei Bedarf werden mobile Teams eingesetzt, die in Sachen Krisenintervention spezialisiert sind. Auch mit den Familienberatungsstellen in ganz Österreich wird kooperiert. Wenn Gefahr im Verzug ist, können die Behörden eingeschaltet, also die Daten von Betroffenen weitergegeben werden – allerdings nur auf Wunsch bzw. mit Zustimmung des Ratsuchenden, versicherte Karmasin.

Internet durchforsten

Innenministerin Johanna Mikl-Leitner sagte, "Prävention" spiele im Kampf gegen Extremismus eine "zentrale Rolle". In der Polizei seien daher zum Beispiel 46 Kontaktbeamte geschult worden, an die sich die Mitarbeiter der Beratungsstellen bei Bedarf wenden könnten.

Zudem werde ab Dezember im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung ein "Single Point of Contact" eingerichtet, "um radikale Inhalte" im Internet "zu identifizieren".

Online-Propaganda des IS, die entdeckt wird, werde Google oder YouTube gemeldet, "damit die Inhalte gelöscht werden können", erläuterte die Innenministerin.

Im Unterrichtsressort wurde ein Info-Folder zum Thema "Jugendliche und Extremismus" entwickelt – und an alle Schulen verschickt. Für Lehrer wurde eine eigene Hotline eingerichtet, schilderte Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek.

Vorverurteilungen

Das Außenamt hat in Kooperation mit der Islamischen Glaubensgemeinschaft einen Info-Folder für Muslime herausgebracht, schilderte Außen- und Integrationsminister Sebastian Kurz. Er gab aber auch zu bedenken: "In Österreich leben 600.000 Muslime. Die Masse hat mit dem IS-Terror nichts am Hut." Es dürfe nicht vorverurteilt werden.

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