Christian Deutsch wird neuer Bundesgeschäftsführer der SPÖ
Am Tag nach der Wahl, die der SPÖ das historisch schlechteste Ergebnis bescherte, bricht das große Wehklagen aus, aber auch die Absetzbewegung von der Wiener Zentrale und Parteichefin Pamela Rendi-Wagner. Am Montag tagen die höchsten SPÖ-Gremien, um über Konsequenzen aus der schweren Wahlniederlage zu beraten.
Die erste Konsequenz: Der schwer unter Druck geratene SPÖ-Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda zieht sich zurück. Er gilt als der engste Vertraute von Rendi-Wagner, ihr Mann war früher Kabinettschef von Drozda in dessen Zeit als Kanzleramts- und Kulturminister. "Ein Wahlergebnis wie gestern muss Konsequenzen haben." Er wolle mit diesem Schritt einen Reformprozess in Gang setzen. Sein Nationalratsmandat werde er aber selbstverständlich annehmen.
Für ihn übernimmt Wahlkampfmanager Christian Deutsch, wie dem KURIER aus Parteikreisen bestätigt wurde.
Deutsch war unter anderem bis 2014 Landesparteisekretär in Wien. Der 57-Jährige hat die SPÖ-Kampagne für die Nationalratswahl seit Juni 2019 geleitet Der 37-jährige Steirer ist Gewerkschafter und Regionalvorsitzender der SPÖ Liezen. Bis Ende 2016 war er Bundesratspräsident. Außerdem war er in der vergangenen Legislaturperiode als Sprecher für Gleichbehandlung, Diversität und LGBTIQ im Nationalrat tätig.
Rendi-Wagner dankte Drozda: "Ich bin froh und dankbar, dass er mir als Freund und Kollege sowie dem SPÖ-Parlamentsklub als Nationalratsabgeordneter mit seiner Erfahrung und Expertise erhalten bleibt."
Drozda geht als SPÖ-Bundesgeschäftsführer
Doskozil: "Man kann nicht zur Tagesordnung übergehen"
Einer der mächtigsten roten Landeshauptmänner Hans Peter Doskozil meldet sich nun auf heute.at zu Wort: "Das ist bundesweit das mit Abstand schlechteste Ergebnis der SPÖ. Man kann nun unter keinen Umständen einfach zur Tagesordnung übergehen." Außerdem warnt Burgenlands Landeshauptmann davor, dass die SPÖ nun in eine Koalition mit der ÖVP gehen sollen. "Das ist kein Regierungsauftrag." Stattdessen muss der Fokus auf die Erneuerung der SPÖ gerichtet werden. An der heutigen Präsidiumssitzung wird Doskozil aus gesundheitlichen Gründen nicht teilnehmen.
In der Steiermark wird schon am 24. November gewählt. ÖVP vor FPÖ und SPÖ, heißt das desaströse Ergebnis für SPÖ-Landesparteichef Michael Schickhofer, der fast sechs Punkte auf 19,3 Prozent verlor. Am Montag ließ er überraschend verlautbaren, dass er bis auf weiteres seine Bundesfunktionen zurück legt.
Schickhofer per Aussendung: "Jetzt geht‘s um die Zukunft der Steiermark, jetzt geht‘s um die Zukunft in unserem Land. Jetzt geht es um das Morgen und das Übermorgen der Steiermark. Daher nehme ich bis auf weiteres die bundespolitischen Funktionen in der SPÖ nicht wahr. Wir werden unseren Kurs für die Steiermark konsequent und eigenständig umsetzen.“
Außerdem: "Die steirische SPÖ und ich persönlich stehen für einen zukunftsorientierten, eigenständigen und unabhängigen Kurs innerhalb der Sozialdemokratie."
Auch Niederösterreich und Tirol auf Distanz
Schon am Sonntag kam Kritik von SPÖ-Landeschef Franz Schnabl an der Parteispitze rund um Rendi-Wagner. Noch am Wahlabend war Niederösterreichs SPÖ-Chef Franz Schnabl der erste hohe Funktionär, der auch Spitzenkandidatin Pamela Rendi-Wagner in die Pflicht nahm. Schnabl in einer Aussendung wörtlich: „In der SPÖ ist aber die Nähe zu den Wählerinnen und Wählern verloren gegangen. Viele Menschen – auch aus der SPÖ – können mit der Spitzenkandidatin nichts anfangen, sie ist ihnen zu wenig angreifbar.“
Am Montag relativierte er: „Pamela Rendi-Wagner stelle ich als Bundesparteivorsitzende ausdrücklich nicht in Frage.“ Dass sie im Wahlkampf nicht „angreifbar“ gewesen sei, dafür sieht er die Schuld bei ihrem Umfeld, das sie falsch verkauft habe.
Die Kritik aus NÖ bezieht sich auch auf die Themen. „Wir dürfen nicht weiter nach links gehen, wir müssen die linke Mitte sein.“ Themen wie die Erbschaftssteuer „haben die Menschen verschreckt“.
Aber auch der Tiroler SPÖ-Chef Georg Dornauer ist schwerst enttäuscht, liegt doch auch in seinem Bundesland (wie in der Steiermark und in Vorarlberg) die FPÖ vor der SPÖ.
Dornauer forderte eine "Kurskorrektur". Offenbar habe die SPÖ im Wahlkampf nicht überzeugen können, daher müsse die Partei "ohne Scheuklappen und Tabus" das Ergebnis besprechen.
"In der SPÖ muss sich was ändern", sagte Dornauer. Auch junge Wähler zu gewinnen und der FPÖ "nach dieser skandalträchtigen Zeit" Wähler abzuwerben sei nicht gelungen.
Alle aktuellen Entwicklungen und Reaktionen auf den Wahltag lesen Sie hier:
"Man glaubt uns nicht mehr, was wir sagen"
Drozdas Vorgänger, der steirische SPÖ-Funktionär und frühere Bundesgeschäftsführer Max Lercher, äußerte sich Montagmittag ausnehmend offen.
Nach dem "katastrophalen Ergebnis" sei es nun Zeit Klartext zu reden.
Es sei offensichtlich, "dass wir ein massives Glaubwürdigkeitsproblem haben". Lercher: "Man glaubt uns nicht mehr, was wir sagen."
Eine der ersten Konsequenzen sei daher: "Echte Mitbestimmung" der Parteimitglieder.
Reagieren müsse die SPÖ zudem auf die Tatsache, dass man außerhalb der großen Städte kaum noch gewählt werde. Man müsse, so Lercher, für die Arbeiterinnen und Arbeiter ein Angebot liefern - "oder unsere stolze Partei versinkt in Bedeutungslosigkeit".
Für Lercher ist es jetzt nicht Zeit für "die zehnte Personaldiskussion". Gleichzeitig müssten die "inhaltlichen Differenzen" aber einmal offen und ehrlich ausdiskutiert und ein gemeinsamer Weg gefunden werden. "Die SPÖ braucht eine massive Veränderung." Lercher wünscht sich ein "zweites Hainfeld" (Einigungsparteitag der SPÖ in den 1880ern, Anm.) und damit eine Neugründung der Partei. Entweder gehe die Sozialdemokratie "endlich mit der Zeit, oder wir alle gehen in sehr kurzer Zeit".
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