KURIER:Gerhard Zeiler hat in einem KURIER-Interview gesagt, er würde nicht mehr SPÖ wählen, wenn Sie Parteichef werden. Wie reagieren Sie auf so eine Aussage?
Hans Peter Doskozil: Er hat auch gesagt, er würde aus der SPÖ austreten, wenn ich Parteivorsitzender werde. Ich kenne Gerhard Zeiler nicht persönlich. Wir haben 147.000 Mitglieder, er ist eines davon. Und es muss jeder für sich entscheiden, wie er damit umgeht. Wir haben politische Inhalte auf den Tisch gelegt und einiges davon im Burgenland schon umgesetzt. Das Ziel dieser ausgeprägten Sozialpolitik – um auf seine Person zu replizieren – sind nicht diejenigen, die sich einen privaten Arzt, die sich die Pflege privat leisten können und die gar nicht wissen, was ein Mindestlohn ist. Bei uns geht es nicht darum, für Leute in der Finanzklasse von Gerhard Zeiler Politik zu machen, sondern für ihre Putzfrauen. Diese Empathie muss man aufbringen, aber davon ist er, so glaube ich, schon weit weg.
Ziel der Mitgliederbefragung ist, dass die SPÖ nach dem Sonderparteitag am 3. Juni wieder geeint ist. Momentan sieht es eher danach, dass sie dann in mehrere Lager gespalten sein wird. Sehen Sie das nicht auch so?
Die Geeintheit der Partei muss Ziel sein. Es war immer mein Credo, zu sagen, dass es das Ziel sein muss, die Sozialdemokratie wieder zur Nummer eins zu machen. Deswegen unterziehe ich mich ja dem Prozedere der Mitgliederbefragung. Die SPÖ muss wieder Kanzlerpartei werden und so stark sein, dass Mehrheiten jenseits der ÖVP oder der FPÖ möglich sein können. Dafür muss einmal entschieden werden, wer für diese Partei in den Wahlkampf ziehen wird. Nur den Spitzenkandidaten zu definieren, wird zu wenig sein. Es muss auch der Bogen über die Meinungsvielfalt in der Partei gespannt werden. Dazu braucht es einhergehend aber die entsprechenden Themen.
Video: Das ausführliche Interview mit Hans Peter Doskozil
Aber schon lange ist in der Partei nicht mehr so heftig diskutiert worden, wo die Partei steht. Links, rechts, in der Mitte oder ganz links?
Diese Diskussion wird schon auch von außen in die SPÖ hineingetragen, weil es charmant klingt, das alles sehr einfach zu definieren. Allerdings mit der Politik, die wir gemacht haben, wird es schon diffiziler. So machen wir auf der einen Seite in Asyl- und Migrationsfragen – aus meiner Sicht – keine rechte Politik, sondern eine auf Basis der Vernunft, der geltenden Rechte und Gesetze. Auf der anderen Seite ist es eine Politik mit Hausverstand für jene Bereiche, wo der Staat tätig sein soll. In Sozialfragen, in Pflege- und Gesundheitsfragen, in der Frage, was 40 Stunden Arbeit in der Woche wert sind, soll es einen größeren Abstand zwischen der Mindestsicherung und dem Mindesteinkommen geben. Die Antworten liegen ja auf dem Tisch, das haben wir gezeigt. Jetzt gilt es, das noch zu vertiefen.
Warum soll der Staat da stärker einsteigen?
Es kann nicht sein, dass etwa im Gesundheits- und Pflegebereich private Unternehmen Gewinne machen. Es geht darum, sich bestmöglich für die Betroffenen einzusetzen und nicht darum, den privaten Markt noch zu befeuern.
Bei all diesen Themen: Sie haben keine Scheu, sich mit starken Gegnern anzulegen. Sie haben im Gesundheitsbereich die Ärztekammer frontal attackiert, Sie haben auch in der Gewerkschaft wegen des Mindestlohns Ihre Gegner. Brauchen Sie nicht jetzt bei der Mitgliederbefragung genau diese Gewerkschaft?
Wenn man gewisse Themen verfolgt, wenn auch die Bevölkerung dahinter steht, muss man einerseits die Kräfte bündeln, anderseits kann es nicht sein, dass man sich verbiegt, um gewisse Ziele zu erreichen. Dieses Verbiegen in alle Richtungen wird es bei mir nicht geben. Es wird aber ein Zugehen geben, um Dinge gemeinsam umzusetzen, ohne vom Ziel des Mindestlohns abzurücken. Wir werden mit der Gewerkschaft diskutieren, wie wir das gemeinsam schaffen.
Sie starten jetzt eine Freundschaftstour durch Österreich, um den SPÖ-Mitgliedern ihre Vorstellungen zu vermitteln. Sind da auch in der Bundeshauptstadt Wien Termine geplant?
Ich habe schon Termine in Wien gehabt und werde auch noch weitere haben. Mit ist es wichtig, diese Interaktion mit den Mitgliedern zu haben, um auch Feedback oder Kritik zu bekommen.
Man hat aber den Eindruck, dass die Wiener SPÖ jene Organisation ist, die Sie unbedingt verhindern will.
Die Mitglieder sind die Partei. Sie gehört nicht einigen wenigen Funktionären. Deswegen zu Ihrer Frage: Das würde ich nicht so beurteilen.
Allerdings am Wochenende der Medienbeauftragte der Stadt Wien einen Tweet abgesetzt, dass die SPÖ eine urbane Partei ist und das auch bleiben wird.
Ich möchte da nicht Öl ins Feuer gießen. Aber in dem Moment, wo es für ihn wichtig war, hat er gern auch im ländlichen Bereich gearbeitet. Da war ihm die SPÖ auch dort gut genug.
Es bleibt Ihr Ziel, nach der nächsten Nationalratswahl eine Mehrheit abseits von ÖVP und FPÖ zustande zu bringen?
In den vergangenen Jahrzehnten ist es der ÖVP immer wieder gelungen, gleichgültig ob als Kanzlerpartei oder Juniorpartner, die dominante Rolle in einer Koalitionsregierung zu spielen. Vor allem unter Sebastian Kurz hat sie dann einen Koalitionspartner nach dem anderen verbraucht. Um Themen neu denken zu können, braucht es eine neue Konstellation. Dieser neue Weg tut sich mit Neos und Grünen auf. Aber nur dann, wenn die Sozialdemokratie wieder stark genug ist.
Da muss sie aber schon sehr stark werden, damit so eine Ampelkoalition rechnerisch möglich ist.
Da muss sie klar über 30 Prozent kommen. Aber dieses Potenzial ist vorhanden.
Die Frage, die da sofort gestellt wird: Wie hält es Hans Peter Doskozil mit der FPÖ?
Ich werde nie die Situation im SPÖ-Präsidium vergessen, als Sebastian Kurz zurückgetreten ist und alle im Präsidium davon geschwärmt haben, eine Vierer-Koalition inklusive der FPÖ einzugehen. Zu einem Zeitpunkt, als die Corona-Politik von Herbert Kickl bereits auf dem Tisch gelegen ist. Ich war damals der Einzige, der dagegen gewesen ist. Befürworter von damals sind plötzlich die vehementen Gegner einer Koalition mit der FPÖ.
Aber würde Sie jetzt mit der FPÖ koalieren?
Nein. Ich sehe derzeit nicht die Möglichkeit, mit der Bundes-FPÖ in eine Koalition zu treten.
Wird die Mitgliederbefragung ein neues Instrument für die SPÖ?
Man muss sich für die Zukunft überlegen, wie man die Mitglieder noch mehr einbindet. Es macht Sinn, dass die Mitglieder in Zukunft nicht nur über den Parteivorsitzenden, sondern beispielsweise auch über einen Koalitionsvertrag abstimmen. So grundsätzliche Entscheidungen sollte man mit seinen Mitgliedern entscheiden.
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