Die Zukunft des Autos: (K)ein Auslaufmodell
Ob Ölschock, Luxussteuer oder zunehmende Umweltdebatten: Nichts konnte die Österreicher in den vergangenen Jahrzehnten bisher dauerhaft davon abhalten, zuweilen ein kleines Vermögen in ein eigenes Auto zu stecken. Auch der Dieselskandal brachte kein Umdenken. Statt zum Selbstzünder wird nun eben vermehrt zu Benzinern gegriffen. Auch jetzt, in der Diskussion um den Klimawandel, klafft eine Kluft zwischen Wunschvorstellungen seitens Umweltschützern und Politkern auf der einen und den Autokäufern auf der anderen Seite. Die Hoffnung, dass nun – aus Sicht der Naturschützer – endlich ein breites Umdenken stattfindet, erfüllt sich bis dato nicht. Die Zulassungs- und Bestandszahlen steigen weiterhin, ebenso die Zahl der gefahrenen Kilometer. Carsharing und Elektroantrieb bleiben vorläufig Nischen.
Insgesamt wurden im Vorjahr 341.000 Pkw in Österreich neu zugelassen. Das war der dritthöchste jemals erhobene Wert nach 2011 und 2017. Davon wurden nur zwei Prozent (6.757 Stück) rein elektrisch angetrieben. Das Plus von 1.324 Stück entfiel gänzlich auf Unternehmen und juristische Personen. Bei den Privatkäufen gab es hingegen einen Rückgang. In der ersten Jahreshälfte 2019 liegt der Elektroantrieb bei 2,7 Prozent in einem insgesamt um 7,6 Prozent rückläufigen Markt. Grund waren die vielen Vorziehkäufe im Vorjahr.
Rekord-Bestand
In Folge der hohen Neuzulassungen der vergangenen Jahre steigt auch der Bestand weiter an. Hier zu Lande gibt es laut Verkehrsclub Österreich um rund 538.000 Autos mehr als im Jahr 2010, die Einwohnerzahl ist im gleichen Zeitraum um lediglich 485.000 gestiegen. Nur in Wien, Vorarlberg und Tirol ist die Bevölkerungszahl stärker gestiegen. Die Bezirke mit dem niedrigsten Pkw-Motorisierungsgrad liegen fast durchgängig in Wien. Die stärksten Zuwächse gab es seit 2018 in Waidhofen/Thaya, Horn, Güssing, Hartberg und Mistelbach.
„Früher war ein hoher Pkw-Motorisierungsgrad ein Zeichen von Wohlstand, heute ist er in der Regel ein Zeichen von Mangel“ sagt VCÖ-Experte Markus Gansterer. Mangel an öffentlichen Verkehrsmitteln, an Nahversorgung und Arbeitsplätzen in einer Region. Innerhalb der EU weist Österreich die achthöchste Pkw-Dichte je 1.000 Einwohner aus.
SUVs
Die Geister scheiden sich besonders beim Thema SUV. Die einen schätzen die sportlichen Geländewagen als bequem, modern und sicher. Für die anderen sind sie nur Spritfresser, die viel Platz verbrauchen und andere Verkehrsteilnehmer gefährden. Doch die Hersteller bringen immer mehr Modelle und Versionen auf den Markt – der Erfolg gibt ihnen recht.
Aber selbst Ferdinand Dudenhöffer vom deutschen CAR-Institut empfiehlt den Herstellern, ein wenig inne zu halten. Nur zwei Prozent aller SUVs seien Riesen mit mehr als 4,90 Meter Länge und 1,99 Meter Breite. „Aber genau diese Gruppe bringt die SUVs als Monster-Autos eher in Verruf“, so Dudenhöffer. Nach seiner Einschätzung sollten die Hersteller daher die übergroßen SUVs nicht mehr in Europa anbieten. „Das gesellschaftliche Risiko, als Autobauer geächtet zu werden, steht in keinem Verhältnis zu den geringen Anteilen und Gewinnen der übergroßen SUVs.“
Und Fakt sei, dass die heuer in Deutschland neu zugelassenen SUVs im Durchschnitt 6,2 Liter Benzin auf 100 km verbrauchen. Zum Vergleich: Bei Vans wären es um nur 0,2 Liter weniger, bricht Dudenhöffer dann doch eine Lanze für SUVs.
Veränderungen
Für den Experten wird es das Auto noch lange geben. „Seit 100 Jahren wird behauptet, es ist ein Auslaufmodell und seit 100 Jahren ist es falsch.“ Die Märkte seien noch lange nicht gesättigt. Märkte wie China, Indien, der Rest Asiens, Osteuropa und Afrika hätten noch Riesenpotenzial. „Ja, in einigen Großstädten wird das Auto weniger wichtig, aber bitte doch nicht auf dem Land. Da kommt doch keiner mit dem Bus aus, der alle zwei Stunden vorbeikommt.“ Busse und Bahnen seien in der Regel schlecht und teure Subventionsgräber. „Wir müssen es nur schaffen, das Auto mit der Umwelt zu befrieden. Und das geht, etwa mit Elektroautos und durch autonomes Fahren.“
Aus Sicht des VCÖ hingegen steht der Verkehrsbereich vor den größten Veränderungen seit Beginn der Massenmotorisierung. Zum einen seien die Klimaziele nur erreichbar, wenn der Anteil von Gehen, Radfahren und öffentlichem Verkehr an der Mobilität zunimmt. In den wachsenden Städten werde es immer wichtiger, dass die Mobilität platzsparender werde. Damit werde die Bedeutung des Autos für die Mobilität sinken. Zudem deute vieles darauf hin, dass in Zukunft Mobilitätsdienstleistungen das private Auto ablösen werden.
Mehr Förderungen
Für Günther Kerle, Sprecher der österreichischen Automobilimporteure, seien Veränderungen im Mobilitätsverhalten insbesondere zwischen den Generationen (weniger Führerscheine bei Jungen) sowie zwischen Stadt und Land festzustellen. Bezüglich Antriebssystem sei noch nicht absehbar, welches sich langfristig durchsetzen werde. Derzeit liege der politische Fokus klar auf E-Mobilität, was die Hersteller zwinge, eine Vielzahl an neuen E-Modellen auf den Markt zu bringen. „Aber das Angebot ist das Eine, die Kundennachfrage jedoch das Andere.“ Verstärkte Förderungen für Private könnten hier helfen.
Für Burghart Ernst, Sprecher der Initiative „Mein Auto“, ist das Auto keinesfalls ein Auslaufmodell. Allein in Österreich besitzt im Schnitt jede zweite Person einen Pkw. „Das Auto ist für viele Familien und Erwerbstätige wichtig, um zur Arbeit zu kommen oder Waren zu transportieren. Der Pkw wird ein wichtiger Bestandteil im Alltag bleiben.“ Darüber hinaus zähle die Kfz-Industrie zu den innovativsten Branchen. Sie könne sich dadurch laufenden Veränderungen anpassen und Impulse setzen.
Visionen
Das Auto ist also umstritten – und zwar gewaltig. Während die einen fordern, sich von der „Droge Auto“ zu lösen, ist der Pkw für andere fixer Teil der Mobilitätszukunft. Auch Experten sind sich uneinig. „Es geht in die Richtung, dass Autos aussterben – vor allem jene mit klassischem Verbrennungsmotor“, sagt etwa Astrid Gühnemann, Leiterin des Instituts für Verkehrswesen an der Wiener Universität für Bodenkultur (Boku).
„Speziell in Österreich mit seinem zersiedelten ländlichen Raum wird das nicht so schnell passieren“, ist dagegen Michael Haberl vom Institut für Straßen- und Verkehrswesen an der Technischen Uni (TU) Graz überzeugt.
Doch was wären überhaupt die Alternativen? Wie könnte klimaschonende Mobilität aussehen? Und wie kann der Umstieg gelingen?
Jedenfalls nicht ohne eine gewisse Portion Zwang, sagt TU-Wissenschaftler Haberl. Derzeit setze die Politik vor allem auf sogenannte Pull-Maßnahmen. Das sind Alternativen, die Menschen anziehen – zum Beispiel attraktive Öffis oder Radwege. Wesentlich effektiver wären jedoch Push-Maßnahmen – also Vorkehrungen, die Menschen quasi aus den Autos „herausdrücken“. Ein autofreier Tag und eine Citymaut in der Stadt etwa. Oder eine kilometerabhängige Abgabe auf dem Land – wobei diese schwierig umzusetzen ist. Haberl: „Das führt schneller zum Umdenken.“
Mobilität statt Autos kaufenFür die Fortbewegung der Zukunft sieht Boku-Expertin Gühnemann zwei Szenarien: ein positives und ein negatives.
Mobilitätspakete
Zuerst zur optimistischen Vision: „Der Traum ist, dass wir uns künftig kein Auto, sondern Mobilität kaufen“, sagt Gühnemann. Soll heißen: Wir bezahlen für bestimmte Mobilitätspakete – ähnlich wie beim Handy preislich gestaffelt. Mit dem günstigsten können etwa der Bus, das örtliche Fahrrad-Leihsystem und der Elektro-Kleinwagen vom Carsharing-Anbieter (der Autos per Handy-App verleiht) genutzt werden. Im teuersten wäre auch das komfortable fahrerlose E-Auto inkludiert.
Eigene Autos spielen in diesem Szenario zwar eine Rolle, aber nur eine kleine: „Wenn überhaupt – besitzen wir E-Autos.“ Funktionieren könne dieses Modell am ehesten in der Stadt. Aber auch auf dem Land werde Mobilität ohne Auto durch solche Angebote zunehmen. Allerdings sind die Voraussetzungen dort andere.
Letzte Meile
„Der ländliche Raum wird immer zersiedelt bleiben“, sagt Haberl. Mit Folgen für den Verkehr: „Für jeden Landbewohner wirtschaftlich Öffis zu betreiben, ist schwierig.“ Daraus ergibt sich das Problem der „letzten Meile“: Busse fahren zwar größere Orte an, ins entlegene Dorf fehlt aber der Anschluss. Mögliche Lösungen: Elektroautos, Mikro-Öffis (wie Anruf-Sammeltaxis) oder selbstständig fahrende Shuttlebusse. Letztere sind in dem Salzburger Dorf Koppel bereits im Testbetrieb: Der Digi-Bus bringt die Bewohner zur Station des Busses in die Landeshauptstadt.
Doch autonome Fahrzeuge sind nicht nur Heilsbringer. „Das kann auch nach hinten losgehen und zu zusätzlichem Verkehr führen“, sagt Haberl. Nämlich dann, wenn sich Private solche Vehikel zulegen – und das ist das weniger rosige Szenario.
Wer nicht selbst lenken muss, kann die Zeit anders nutzen. Staus sind dann weniger ein Problem. Die Platzproblematik in den engen Städten und das Klima verbessern sich dadurch nicht. „Die Städte werden autonomes Fahren stark regulieren müssen“, sagt Gühnemann.
Platzfresser
Bewegt sich die Mobilität tatsächlich vom Auto weg, wirkt sich das auf den öffentlichen Raum aus: Sind weniger Pkw unterwegs, wird auf den Straßen Platz frei. Denn der Großteil der Straßen ist Fahrbahn – die vorwiegend Autos nutzen. Hinzu kommen die Parkplätze. Gühnemann: „Das Auto ist ein Platzfresser.“
Ein Teil des Raums wird den alternativen Verkehrsmitteln zufallen, sagen die Experten. Die Fußgängerboulevards, Busspuren oder Radhighways werden mehr.
Sichere Radwege
Und es wird sie auch brauchen: Ohne entsprechendes Angebot wird der Umstieg nämlich schwierig. „Wenn es sichere Radwege gibt, fahren die Leute auch. Da sind wir wieder bei den Pull-Faktoren“, sagt Haberl.
Und was passiert mit dem restlichen Platz? „Dort können wir Aufenthaltsqualität schaffen“, sagt Gühnemann. Mehr Bäume, Bänke, Spielplätze. Kurzum: „Lebensraum.“stefanie rachbauer
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