Im Finanzministerium und im Bundeskriminalamt gab es am Mittwochvormittag Hausdurchsuchungen – formal „Nachschau“ im Rahmen von Amtshilfe genannt.
Es geht um die „Agentur für europäische Integration und wirtschaftliche Entwicklung“ (kurz: AEI), eine GmbH mit gleichnamigem Verein. Eine Abteilungsleiterin im Finanzressort ist dort Geschäftsführerin bzw. Generalsekretärin. Ihr und einem Chefinspektor aus dem Bundeskriminalamt wird Untreue vorgeworfen. Beschuldigt sind noch eine dritte Person und die GmbH an sich.
Die AEI wurde 2003 gegründet und führt mit EU-Fördergeldern sogenannte Twinning-Projekte durch. Ab 2017, in der türkis-blauen Ära, florierte das Geschäft erst so richtig: Die Bilanzsumme stieg zwischen 2017 und 2019 von 580.000 auf 15,5 Millionen Euro an. Vier Ministerien – damals FPÖ-geführt – waren Mitglied im Verein, mehrere Beamte lukrieren dort bis heute einen Nebenverdienst als Experten.
Nach dem Ende von Türkis-Blau, als die vier Ministerien in ÖVP-Hand übergingen, regte sich Misstrauen: Der Bund bekam auch nach mehrmaliger Nachfrage keinen Einblick in die Finanzgebarung, heißt es. 2021 stiegen alle vier Ministerien aus (der KURIER berichtete, siehe unten).
Treuhand
Das Innenministerium ließ bereits 2019 die Interne Revision gemeinsame Projekte mit der AEI überprüfen und erstattete Strafanzeige – das Verfahren wurde aber eingestellt. 2021 gab es neue Hinweise: Laut Unterlagen, die dem KURIER vorliegen, informierte die Finanzbehörde von Malta die österreichischen Kollegen über Treuhandgesellschaften zugunsten der Familie der AEI-Chefin. Unter anderem sei die AEI-Chefin selbst als Treuhänderin eingetragen. Nach weiteren Analysen der „Kontoverdichtungen“ der AEI besteht offenbar der Verdacht, dass EU-Geld nach Malta transferiert wurde.
Die Staatsanwaltschaft Wien ermittelt jetzt wegen Untreue. Anlass für die Hausdurchsuchungen am Mittwoch waren Hinweise, dass die AEI-Chefin dem Chefinspektor zwischen 2014 und 2021 mehrere Hunderttausend Euro überwiesen haben soll – ohne ersichtlichen Grund oder Leistung. Der Chefinspektor war Bindeglied zwischen AEI und Innenministerium, er war für die Abrechnungen der gemeinsamen Projekte zuständig. Seit ihm im Herbst 2021 die Aufgaben entzogen wurden, ist er im Krankenstand.
Das Finanzministerium distanziert sich vom Verein: Man sei bereits 2018 ausgestiegen, weil eine Mitgliedschaft keinen Sinn ergeben habe.
In beiden Ressorts werden auch dienstrechtliche Konsequenzen geprüft.
EU-Kommission
Die Causa wurde Anfang Juli durch eine parlamentarische Anfrageserie des grünen Abgeordneten David Stögmüller (der KURIER berichtete) publik. Der steile Anstieg der Aktiva, die FPÖ-Leute und Burschenschafter im Aufsichtsrat und angeblich horrende Honorare erscheinen ihm „höchst dubios“. Stögmüller fordert „volle Aufklärung“ und will die Causa auch im U-Ausschuss beleuchten.
Aktuell laufen bei der EU-Kommission noch sieben Projekte mit der AEI, in Summe sind diese mit 10,6 Millionen Euro dotiert. Im Außenministerium läuft gerade ein Verfahren zur Twinning-Mandatierung der AEI, das Ende Juli abgeschlossen sein soll. Die EU-Kommission werde anschließend informiert.
Die AEI weist über ihren Anwalt die im KURIER-Artikel erwähnte FPÖ-Nähe, horrende Stundenhonorare und die Geheimnistuerei um die Finanzen übrigens als „unrichtig“ zurück.
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