"Die Steuerreform ist notwendig für den Bestand der Regierung"

Im Herbst muss sich Kanzler Werner Faymann der Wiederwahl als SPÖ-Chef stellen.
SPÖ: Wie Gewerkschafter und Pensionisten eine Steuersenkung ertrotzen wollen / Druck auf Faymann: "Liefertermin ist der Parteitag"

In Frankreich kündigt die Regierung eine Steuersenkung an. Den Italienern stellt Regierungschef Matteo Renzi niedrigere Steuern in Aussicht. Deutschland debattiert über die Abschaffung der kalten Progression.

Und Österreich? Hier herrscht wieder einmal Stillstand. Man habe leider, leider kein Geld, sagt der Finanzminister. Er setze sich leider, leider bei der ÖVP nicht durch, sagt der Bundeskanzler.

Diese Ausreden dürften bald nicht mehr ziehen. Die Gewerkschaften bereiten sich auf eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Regierung vor. Innerhalb des ÖGB haben sich die SPÖ-Gewerkschafter mit ihren christdemokratischen Kollegen verständigt. "Wir sind auf einer Linie", heißt es in den Büros von ÖGB-Granden. Einen gemeinsamen Beschluss im ÖGB-Vorstand gibt es noch nicht, er ist für den kommenden Herbst in Vorbereitung. Dieser Vorstandsbeschluss dürfte dann die erste Aktion sein, mit der die Gewerkschafter der Regierung eine Steuersenkung abtrotzen wollen.

Als weitere Aktionen sind geplant:

Breite Informationskampagnen in den Betrieben, bei denen die Gewerkschafter den Arbeitnehmern die Forderungen an die Regierung darlegen.

Eine riesige Betriebsräte-Konferenz, auf der Forderungen und Protest lautstark und öffentlichkeitswirksam artikuliert werden.

Nicht zuletzt ist auch der SPÖ-Parteitag im Herbst ein Druckmittel. Da muss sich Kanzler Werner Faymann der Wiederwahl als SPÖ-Chef stellen. Schon auf dem Parteitag 2012 war Faymann wegen matter Performance von den Genossen mit dem bisher schlechtesten Wahlergebnis eines SPÖ-Chefs (83 %) abgestraft worden.

"Faymanns Liefertermin für die Steuerreform ist der SPÖ-Parteitag", heißt es aus dem SPÖ-Führungskreis. "Der Parteitag ist ein Druckmittel, in der Regierung konkrete Umsetzungspläne für eine Steuersenkung durchzusetzen", geben Gewerkschafter unumwunden zu.

"Die Steuerreform ist notwendig für den Bestand der Regierung"
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"Die Regierung wird noch viel Spaß mit uns haben", hatte der Chef der roten Gewerkschafter,Wolfgang Katzian,kürzlich prophezeit. Jetzt wird klar, was er meinte.

ÖGB-Boss Erich Foglar höchstpersönlich hat im April via KURIER das Thema losgetreten. "Wir haben es so satt. Ich weigere mich, Lohnerhöhungen nur für den Finanzminister zu verhandeln", grollte der ÖGB-Boss. Inzwischen hat der mächtige ÖGB einen Mitglieder-starken Mitstreiter gefunden: den Pensionistenverband. Dessen Präsident Karl Blecha macht im Gespräch mit dem KURIER auf den Ernst der Lage aufmerksam: "Die Steuerreform ist notwendig für den Bestand der Regierung."

Man solle sich nicht täuschen und glauben, der Ruf nach Steuersenkung wäre populistisches Wahlkampf-Getöse. Blecha: "Es ist uns sehr ernst. Die Steuerreform ist überfällig."

"Die Steuerreform ist notwendig für den Bestand der Regierung"
APA12237782-3 - 11042013 - WIEN - ÖSTERREICH: ZU APA-TEXT II - Karl Blecha, Präsident des Pensionistenverbandes Österreich, am Dienstag, 09 April 2013, während des Interviews mit der APA-Austria Presse Agentur in Wien. APA-FOTO: HERBERT PFARRHOFER
Blecha, Foglar und Katzian sind nicht nur Partei-, sondern echte Freunde. Sie diskutieren oft privat und tauschen Erfahrungen aus ihren Organisationen aus.

Sie machen in letzter Zeit ähnlich Erfahrungen: Ihre Mitglieder sind in Aufruhr. In den Unternehmen bekommen die Betriebsräte den Druck der Arbeitnehmer zu spüren, wonach ihnen von Lohnerhöhungen kaum etwas übrig bleibt, weil der Fiskus gnadenlos zuschlägt. Die Gewerkschafter können sich kaum rühren, denn Reallohnerhöhungen über noch höhere Lohnforderungen zu erkämpfen, würde Arbeitsplätze gefährden. Die hohen Steuern ihrerseits stellen mittlerweile eine Gefahr für den Jobmarkt dar, weil sie den Inlandskonsum drücken.

Ganz zu schweigen von der Stimmung. "Die Leute sind ungeheuer unzufrieden und grantig", sagt Blecha. "Das schlägt mir auf meiner Wahlkampftour immer wieder entgegen, und ich bekomme Hunderte Protestbriefe."

Blecha ergeht es wie den Gewerkschaftern: Er verhandelt Pensionserhöhungen, und die frisst der Fiskus auf. Eine Masse von Pensionen liegt knapp unter der Steuerfreigrenze von 1067 €. Blecha: "Wenn ich eine Erhöhung herausschlage, gehen gleich wieder 36,5 Prozent an den Staat." Bei den etwas höheren Pensionen schlägt die kalte Progression zu.

Die Steuerrebellen forcieren einen Plan von Sozialminister Rudolf Hundstorfer: Demnach soll die Steuerreform in Etappen in Kraft treten: Teil 1 soll ein niedrigerer Eingangssteuersatz ab 1. Juli 2015 sein. Und das, so Blecha, müsse möglichst bald fixiert werden.

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