Wie ist das zu erklären? Noch dazu, wo ein Gutteil der Österreicher nicht nur drei Impfungen, sondern auch eine Infektion hinter sich hat?
Die Gründe für die vergleichsweise pessimistischen Annahmen sind folgende: Die Immunität hält nach einer Omikron-Infektion nicht besonders lange an, Experten gehen zum Teil von nur drei bis sechs Monaten aus.
Soll heißen: Wer sich im Jänner infiziert hat, ist im folgenden November nicht notwendigerweise vor einer Ansteckung gefeit.
Hinzu kommt: Es ist durchaus möglich, dass im Herbst neue Virusvarianten auftreten, die die Immunabwehr noch besser umgehen können, und gegen die die vorhandenen Impfungen weniger wirken.
Derzeit kursiert in Österreich unter anderem die Omikron-Untervariante BA.5. Sie verdoppelt sich binnen einer Woche. Kommende Woche wird sie Prognosen zufolge bereits dominant sein, in einem Monat wird es voraussichtlich fast nur noch BA.5-Fälle geben, sagt Komplexitätsforscher Peter Klimek vom Complexity Science Hub. Er geht davon aus, dass die nächste Welle bereits im Sommer aufschlagen wird und man dann „die Infektionen in den 10.000ern messen wird müssen“.
Was bedeuten diese Prognosen für die nächsten Monate bis zum Winter für die Spitäler und die Bevölkerung?
Die gute Nachricht zuerst: Dass bei der nächsten Welle wieder vermehrt Menschen schwer an Covid erkranken oder gar daran sterben, halten Experten für unwahrscheinlich. „Die Wahrscheinlichkeit, dass wir eine Welle bekommen, die zu einer Überlastung der Intensivstationen führt, ist sehr gering. Dazu wäre das Auftreten einer schweren Variante nötig“, sagt Virologin Dorothee von Laer. „Bisher sind die Hospitalisierungs- und Mortalitätsraten von Welle zu Welle geringer geworden, auch weil die Grundimmunität der Bevölkerung wegen der Impfung und den Infektionen zugenommen hat.“
Die schlechte Nachricht: Anders als bei der ersten Omikron-Welle liegt nun bei einem Großteil der Bevölkerung die letzte Impfung schon länger zurück, der Immunschutz ist also nicht mehr besonders stark.
„Bei der ersten Omikron-Welle haben wir das Glück gehabt, dass es direkt davor die Booster-Kampagne gegeben hat, deshalb ist die Welle gedämpft in den Spitälern aufgeschlagen“, sagt Klimek.
Heißt das, dass nun wieder mehr Menschen ins Krankenhaus, wenn auch nicht auf die Intensivstationen, müssen?
Nicht unbedingt, meint von Laer: „Mit drei Impfungen und einer durchgemachten Infektion sollte ein aufrechter Immunschutz gegeben sein.“ BA.5 sei zwar etwas ansteckender als andere Omikron-Varianten und könne die Immunantwort wieder etwas leichter umgehen, aber nicht so leicht wie Omikron nach einer Delta-Infektion. „Jene, die mit BA.2 infiziert waren, besonders nach drei Impfungen, sollten gut durch den Herbst kommen“, sagt von Laer. Dass das Virus so mutiert, dass der Impfstoff gar nicht mehr wirkt, sei unwahrscheinlich – aber nicht ausgeschlossen.
Eine vierte Impfung sei derzeit für vulnerable Personen empfehlenswert. Alle anderen sollten sich vor dem Winter impfen lassen, sobald ein angepasster Impfstoff verfügbar ist.
In diesem Bereich hat die Forschung Fortschritte gemacht. Der Impfstoffhersteller Moderna hat gerade Zahlen vorgelegt, wonach sein neues Präparat wirksamer ist als das alte. Das Präparat wurde bereits bei der europäischen Arzneimittelbehörde zur Zulassung eingereicht, damit gerechnet wird ab September. Es gibt also nicht nur schlechte Nachrichten.
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