Die Nachwehen der Ära Kurz, der Ukraine-Krieg und die Rolle der Medien
Voriges Jahr drehte sich (fast) alles um Sebastian Kurz. Aber auch in der aktuellen Ausgabe des seit 1977 erscheinenden „Österreichischen Jahrbuchs für Politik“ ist er eine der meistgenannten Personen. Die Nachwehen halten an.
Die von der Politischen Akademie der ÖVP herausgebrachte umfangreiche Publikation bringt wie jedes Jahr Beiträge zu den großen Themen und Entwicklungen des vergangenen Jahres.
Einen Schwerpunkt bildet dabei naturgemäß der Ukraine-Krieg. In aller Deutlichkeit halten die Herausgeber (Andreas Khol, Stefan Karner, Wolfgang Sobotka, Bettina Rausch, Günther Ofner) fest: „Setzt sich Russland durch, wird die derzeitige Weltfriedensordnung zur Makulatur, und an ihre Stelle tritt das System der Einflusszonen globaler Mächte, in denen sie weitgehend unbehelligt agieren können.“
Unter den innenpolitischen Beiträgen sticht eine sehr scharfe Abrechnung des ehemaligen Presse- und Wiener Zeitung-Chefredakteurs Andreas Unterberger hervor, der sich mit der Lage der ÖVP nach Kurz befasst. Neben externen Faktoren wie Pandemie, Krieg und Teuerung sieht Unterberger zwei weitere zentrale Gründe für den Absturz der Partei in der Wählergunst: den „Feldzug“ der WKStA gegen Kurz sowie dessen Entscheidung, den Grünen das Justizministerium zu überlassen (wie überhaupt eine Koalition mit den Grünen einzugehen). Fazit des Publizisten: Die ÖVP sei auch „Opfer des Versagens ihrer eigenen Politik – in Sachen Justiz, in Sachen Medien, in Sachen Personal, in Sachen Koalition“.
„Gegenöffentlichkeit“
Apropos Medien: Auch diesen ist ein eigener Schwerpunkt gewidmet. KURIER-Chefredakteurin Martina Salomon geht hart ins Gericht mit einer „Gegenöffentlichkeit“, die sich insbesondere auf Twitter gebildet habe. Dort tummeln sich, so Salomon, Medienleute plus „zahlreiche giftige ‚Trolle‘“: „losgelöst von den realen […] Meinungen der Bevölkerung, abgekoppelt von dem, was die ‚wirklichen‘ Menschen […] fühlen, fürchten, fordern“.
Darüber hinaus spricht Salomon die gewaltigen Disruptionen der Medienbranche an – kurz gefasst: „Alte Geschäftsmodelle funktionieren nicht mehr (so einfach), neue noch nicht (wirklich).“
Entschieden tritt sie einem – durch diverse Chats befeuerten – Narrativ bezüglich „Verhaberung“ zwischen Politik und Medien entgegen: diese sei „früher viel ärger“ gewesen – nur drang es nicht an die Öffentlichkeit, darf man ergänzen.
Den „schmalen Grat aus Nähe und Distanz“ zwischen Politik und Medien thematisiert auch Ernst Sittinger von der Kleinen Zeitung. Zurecht fordert er „Immunschutz“ gegen Begehrlichkeiten seitens der Politik. Aber ebenso falsch wäre es, habituell „Politiker als Deppen hinzustellen“. Wenn Journalisten „immer alles reflexartig herabwürdigen, dann entwerten wir unser Urteil“.
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