Die Mär vom Lager-Wahlkampf

Die Mär vom Lager-Wahlkampf
Als Feindbilder leisten "Rot-Grün" und "Schwarz-Blau" im jeweils anderen Lager gute Dienste. Am Montag treffen sie im ORF aufeinander.

SPÖ/Grüne: Das Verhältnis zwischen Genossen und Öko-Partei ist belastet

Es war vor knapp einem Jahr, da unternahm der Bundeskanzler eine bemerkenswerte Reise. Werner Faymann fuhr von Wien nach Salzburg, extra für einen Termin – ein Treffen mit Eva Glawischnig. Die Grünen waren auf Sommertour, sie hatten den SPÖ-Chef eingeladen, und der sagte prompt zu. Der rote Kanzler posierte also mit der grünen Oppositionspolitikerin in der hoch romantischen Liechtensteinklamm, viele Kameras waren dabei, und Funktionäre wie Wähler verstanden das Signal: Wir beide sind für Vermögenssteuern – die ÖVP nicht; wir beide stehen für Transparenz – die ÖVP nicht; kurzum: Wir beide wären die besseren Partner in der Bundesregierung – auch wenn sich’s rechnerisch derzeit nicht ausgeht.

Ein Jahr nach dem öffentlichen Tête-à-tête würde Glawischnig mit Faymann keine Klamm durchwandern. Nicht, weil Wahlkampf ist, und vorerst jeder für sich kämpft, nein. Im vergangenen Jahr haben sich Rot und Grün zudem voneinander entfernt. Und „schuld“ daran, so berichten zumindest die Grünen, ist der Kanzler. „Das Verhältnis zur SPÖ hat sich abgekühlt“, sagt ein grüner Stratege.

Aber was genau trübt die Beziehung der Duz-Freunde Faymann/Glawischnig?

„Während es für eine Angela Merkel in Deutschland keine Diskussion war, ob sie in einem U-Ausschuss aussagen wird, hat Faymann den Ausschuss geschwänzt und diesen vorzeitig beendet lassen. Das war für uns mehr als ernüchternd“, sagt ein Berater Glawischnigs.

Nun stimmt es zwar, dass Partei-Allianzen nicht an einem Thema hängen. In diesem Fall aber ist die Sache komplizierter. Zunächst war und ist Korruptionsbekämpfung das Thema der Grünen – hier dürfen und wollen sie nicht nachgeben.

Zum anderen sahen sich jene Funktionäre der Öko-Partei bestätigt, die immer schon skeptisch waren, ob den Genossen zu trauen ist. „Vor allem in Wien sagen viele: ,Geht’s hart auf hart, ist der SPÖ Macht wichtiger als Transparenz‘“, erzählt ein grüner Landesparteichef. „Die sehen sich bestätigt.“

Dem nicht genug, ist die rot-grüne Liaison in Wien gerade jetzt stark belastet: Das grüne Prestige-Projekt Fuzo-Mariahilfer-Straße läuft unrund. Doch anstatt gemeinsam zu kämpfen, werfen sich die Koalitionspartner hinter den Kulissen vor, der jeweils andere agiere plump.

Und so verwundert es nicht, wenn die Grünen im Bund ungewöhnlich scharfe Bedingungen für Gespräche mit der SPÖ formulieren. „Der U-Ausschuss als Minderheitenrecht ist für uns eine Vor-Bedingung, damit es überhaupt zu Koalitionsgesprächen kommen kann“, sagt Bundesgeschäftsführer Stefan Wallner.

Vor-Bedingungen für Gespräche? Damals in der Liechtensteinklamm wäre das noch undenkbar gewesen.

ÖVP/FPÖ: Michael Spindelegger hält wenig von HC Strache

Michael Spindelegger ist mit Heinz-Christian Strache per „Sie“, und das erzählt sehr viel über die Beziehung der beiden Parteichefs.

Der ÖVP-Vizekanzler versucht den Kontakt mit dem FPÖ-Frontmann auf ein Minimum zu reduzieren, die direkten Treffen lassen sich an einer Hand abzählen. Im kleinen Kreis macht der Außenminister erst gar kein Hehl daraus, dass er Strache nicht leiden kann. Dass der Blaue bei außen- und wirtschaftspolitischen Fragen bisweilen Lücken offenbart, dass er christliche Symbole und Begriffe (Stichwort: Nächstenliebe) für parteipolitische Agitationen einsetzt, all das hält Spindelegger für entbehrlich. „Wenn Strache bei Partei-Events mit dem Holzkreuz herumwinkt oder im Wahlkampf versucht, die biblische Nächstenliebe auf Inländer einzuschränken, dann kann der Michl damit nicht nur nichts anfangen. Es ist für ihn einfach unerträglich“, sagt ein Vertrauter.

Nun stimmt es zwar, dass persönliche Sympathien in der Politik nur dann eine Rolle spielen, wenn es darum geht, ob man einem Koalitionspartner grundsätzlich vertrauen kann – man muss ja nicht ständig miteinander essen gehen.

Erschwerend bei der schwarz-blauen Beziehung kam in den vergangenen Jahren allerdings hinzu, dass Strache das Dritte Lager umgekrempelt hat, und aus Sicht der Schwarzen bei einem zentralen Thema schwächelt. „Unter Jörg Haider spielten in der FPÖ Industrielle wie ein Thomas Prinzhorn oder Unternehmer wie ein Helmut Haigermoser noch eine Rolle. Bei Strache gibt’s das nicht, da ist weit und keine Wirtschaftskompetenz zu sehen – nur rechtsrechte Burschenschafter“, sagt ein ÖVP-Parlamentarier.

Ob der Klub und die Landesparteien am Ende nicht doch auf Koalitionsgespräche mit der FPÖ bzw.mit Stronach und Strache drängen, das kann heute niemand sagen. Fest steht für Partei-Kenner aber eines: „Dass Spindelegger selbst mit Strache koaliert, ist etwa so wahrscheinlich, wie dass er ihm im Wahlkampf das Duwort anbietet.“

Die kommenden Wahlkampftermine im TV

Die Fernseh-Konfrontationen mit den Spitzenkandidaten im ORF und auf Puls 4 haben bisher einige Überraschungen zutage gebracht. Am stärksten hat die Erwartungen der Zuseher – unabhängig von ihren eigenen politischen Präferenzen – Eva Glawischnig übertroffen. Mit 29 Prozent hat die Grünen-Chefin in der für den KURIER durchgeführten OGM-Umfrage die meisten „positiv überrascht“. Auf Platz 2 landete der Vorsitzende der SPÖ, Werner Faymann, gefolgt von ÖVP-Obmann Michael Spindelegger. An vierter Stelle liegt BZÖ-Frontmann Josef Bucher, danach kommt FPÖ-Parteichef Heinz-Christian Strache. Das Schlusslicht bildet Frank Stronach (siehe Grafik), der Milliardär überraschte trotz skurriler Auftritte die wenigsten Zuseher positiv.

Grün-oranger Paarlauf

Die Mär vom Lager-Wahlkampf
Spannend ist für OGM-Chef Wolfgang Bachmayer die Frage, welche Kandidatin oder welcher Kandidat über das eigeneWählerpotenzial hinaus Zustimmung erhielt. Wieder sind es Eva Glawischnig und Josef Bucher, die hervorstehen. Ob dieses Phänomen den beiden Kandidaten am 29. September auch zusätzliche Wählerstimmen bringt, kann Meinungsforscher Bachmayer nicht mit Sicherheit sagen, er zweifelt eher.

Faymann, Spindelegger und Strache versammeln ihre Stammklientel hinter sich. Wenig Zustimmung anderer Wählergruppen gibt es auch für Frank Stronach.

Analysiert man die Zustimmung zu den Spitzenkandidaten nach dem Alter, fällt auf, dass die Generation 50 plus zu 51 Prozent hinter dem Bundeskanzler steht, die unter 30-Jährigen nur zu elf Prozent. „Für Faymann sind die Älteren eine Bank“, resümiert OGM-Chef Wolfgang Bachmayer.

Glawischnig hingegen ist für 39 Prozent der Jungen anderer Wählergruppen attraktiv. Überraschend ist auch der Wert für Vizekanzler Spindelegger: 26 Prozent in der Altersgruppe bis 30 Jahr sehen ihn positiv. „Spindelegger liegt gut bei den Jungen“, analysiert der Meinungsforscher. Der Freiheitliche Strache kommt bei den Jungen auf 21 Prozent, Bucher auf 17 Prozent. Frank Stronach finden nur ein Prozent außerhalb seiner Partei anziehend. „Stronach hat bisher eine schwache Performance gezeigt“, resümiert Meinungsforscher Bachmayer.

Frauen desinteressiert

Die Mär vom Lager-Wahlkampf
Mit 44 Prozent hat fast jeder zweite der Befragten zumindest eines der TV-Duelle gesehen, 56 Prozent noch keine. Vergleicht man nach Geschlecht, liegen Männer (57 Prozent) weit vor den weiblichen Zusehern. Nur 32 Prozent der Frauen haben sich bisher zumindest eine Debatte angesehen.

Gemessen nach Alter überwiegt die 50-plus-Generation. 52 Prozent dieser Altersgruppe verfolgten bereist einen oder mehrere Politiker-Auftritte. Bei den unter 50-Jährigen sind es 41 Prozent. Bei den jüngeren Wähler , denen unter 30 Jahre, verfolgte mit 31 Prozent bisher nur jeder Dritte eine der TV-Konfrontationen.

Kommentare