Gewessler: "Klimawende wird man spüren und sehen"

Gewessler: "Klimawende wird man spüren und sehen"
Klimaministerin Leonore Gewessler verspricht im KURIER-Interview gute Luft, eine veränderte Landschaft und 100.000 neue Jobs.

Nach monatelangen Verhandlungen hat Klimaministerin Leonore Gewessler (Grüne) am Mittwoch das Erneuerbaren Ausbau-Gesetz (EAG) präsentiert.

KURIER: Warum soll Ihr Ökostrom-Gesetz ein „Meilenstein“ sein, wie Sie sagten?

Leonore Gewessler: Das EAG ist das größte Energiegesetzespaket seit Jahrzehnten, und es zeichnet den Weg für die nächste Dekade – mit 100 Prozent erneuerbarem Strom als Ziel. Das erfordert einen Umbau unseres Energiesystems.

Was wird sich für die Bürger mit dem EAG ändern? Die Ökostrom-Abgabe wird ja nicht erhöht?

Ein Herzstück dieses Gesetzes ist, dass die Menschen an der Energiewende aktiv teilnehmen können. Mit den Energiegemeinschaften soll jeder, der möchte, mit anderen Strom produzieren und nutzen können. Und die Bürger können sich sicher sein, wenn sie 2030 ihr E-Auto laden oder Licht oder den Backofen anstellen, dass wir so viele erneuerbare Energien geschaffen haben, dass einhundert Prozent Ökostrom aus der Steckdose kommt. Das ist für eine Gesellschaft doch ein schönes Ziel.

Dafür wird sich das Landschaftsbild verändern: mit viel mehr Windkraftwerken und Fotovoltaik-Modulen …

Ja, die Klimawende wird man spüren mit sauberer Luft, weil es weniger Emissionen geben wird, und man wird sie sehen. Beginnend bei den Fotovoltaikmodulen auf den Dächern, da ist das Ziel, eine Million Dächer auszustatten. Wir werden in gut gedämmten Häusern erneuerbar heizen oder kühlen. Es wird ein Mehr an Lebensqualität sein, auch weil wir krisenfester werden, weil wir der Klimakrise etwas entgegensetzen. Und weil wir lokale Jobs und lokale Wertschöpfung schaffen.

Wir werden aber nicht nur Dachflächen brauchen …

Unser Fokus ist zuerst einmal jedes Haus, das Pfarrhaus, der Musikverein und die Industriegebäude für PV-Module, weil da haben wir schon versiegelte Fläche. Darüber hinaus haben wir unzählige Parkplatzflächen, Deponien, Lärmschutzwände an Autobahnen oder Bahntrassen. Diese Flächen wollen wir bevorzugt auch zur Energiewende nutzen.

Und wie viele neue Windkraftwerke müssen für das Ausbauziel gebaut werden?

Die Frage ist nicht so einfach zu beantworten. Klar ist, dass Windenergie ein Rückgrat der Energiewende sein wird. Da geht es um den Umbau in effizientere Anlagen und neue Standorte, die wir gemeinsam mit den Bundesländern erarbeiten müssen.

Derzeit gibt es in Kärnten zwei, in Salzburg, Tirol, Vorarlberg gar kein Windkraftwerk. Wird sich das ändern?

Ja. In vielen Bundesländern ist das Thema, wie sie ihre Windenergie- und Solarenergiepläne überarbeiten und sich Potenziale ansehen.

Die Wirtschaft rechnet mit Gesamtkosten von 25 bis 30 Milliarden Euro, 9 Milliarden werden die Stromkunden zahlen. Schafft das auch Arbeitsplätze?

Ja klar, in allen Erneuerbaren Energien quer über alle Bereiche. Wenn es darum geht, die Fotovoltaik aufs Dach zu montieren, da wird die Elektrikerin oder der Elektriker aus dem Ort gebraucht – wenn das Heizungssystem getauscht wird, macht das der Installateur vor Ort.

Die Stromwende ist ja derzeit nicht das einzige große Projekt, es gibt noch die Sanierungsoffensive, die Wärmeoffensive, was ist denn da insgesamt an Arbeitsplätzen zu erwarten?

Es gibt verschiedene Studien, etwa von der Uni Linz, die hochgerechnet hat, dass 100.000 Arbeitsplätze geschaffen werden können, wenn wir auf Erneuerbare Energien umstellen, vom Strom über Dämmung und Wärme.

Wenn alle Gebäude saniert werden und Öko-Heizungen bekommen sollen, wären das 70.000 Heizungssysteme, die jedes Jahr getauscht werden müssen?

Die Dimension stimmt in etwa. Ja, das ist ein Großprojekt. Weil Klimaneutralität bedeutet, dass wir 2040 kein Öl, Erdgas oder Kohle mehr verbrauchen dürfen, weil wir überall auf Erneuerbare Energien umsteigen.

Haben wir überhaupt die Facharbeiter, die das machen sollen?

Wir schauen uns im Klimaministerium gerade mit allen Branchenvertretern an, was wir perspektivisch brauchen, welche zusätzlichen Qualifizierungen und Ausbildungen wir benötigen. Da bin ich im guten Austausch mit der Wirtschaftsministerin und dem Arbeitsminister.

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