Die Hangers: Wenn Vater und Tochter vortrefflich über Politik streiten
Es war ein bewegtes Jahr für Andreas und Sabine Hanger. Wie die Tochter mit der streitbaren Rolle ihres Vaters klarkommt, und warum er mit ihrer Meinung erst umzugehen lernen musste.
Es ist Freitag, kurz nach 8 Uhr, die Hangers sitzen am Frühstückstisch. Es ist nicht ihr Frühstückstisch daheim in Ybbsitz, sondern ein Tisch in einem Wiener Café. Und es sind auch nicht alle Hangers anwesend, sondern nur die zwei, die man kennt:
Andreas Hanger, 53, bekannt für seine – sagen wir – eigenwillige Fraktionsführerschaft im Ibiza-U-Ausschuss und Sabine Hanger, 26, bis vor ein paar Monaten Vorsitzende der ÖH, jetzt Generalsekretärin der Jungen Volkspartei. Er isst Ham and Eggs, sie eine Schüssel Joghurt mit Früchten.
Die Hangers. Vor einem Jahr war er ein einfacher ÖVP-Abgeordneter aus dem hinteren Ybbstal, sie die Vorsitzende der Aktionsgemeinschaft, der ÖVP-nahen Studierendenorganisation, während eine linke Koalition in der ÖH das Sagen hatte.
Doch dann wurde alles anders. Erst übernahm die Tochter mehr zufällig als geplanterweise den ÖH-Vorsitz und ging als Spitzenkandidatin in den Hochschul-Wahlkampf. Dann löste der Vater Wolfgang Gerstl als türkisen Fraktionsführer im Ibiza-U-Ausschuss ab. Dort rückte er wie ein Bulldozer zur Verteidigung seines Parteichefs Sebastian Kurz aus, ätzte gegen die Justiz und schoss sich durchaus rabiat auf die politischen Mitbewerber ein.
Konfliktreiche Phasen
„Erst seit dieser Zeit werde ich öfter auf meinen Vater angesprochen“, sagt Sabine Hanger. Und sie findet das nicht nur angenehm. Nicht, weil ihr Performance oder Image ihres Vaters unangenehm wären. Nein, das sei nur eine Rolle gewesen, die in der Situation notwendig und angemessen gewesen sei, sagt sie. Aber sie möchte politisch ihr eigenes Ding machen, ein eigenständiges Profil haben. Denn sie habe nun einmal auch eine eigene Meinung, sagt sie.
Dass diese oft weit von seiner Meinung abweicht, damit musste ihr Vater erst umzugehen lernen. Es habe „durchaus konfliktreiche Phasen“ mit seiner Tochter gegeben. In vielen Fragen habe er einen ganz anderen Zugang. Beim Thema „Ehe für alle“ etwa, da sei Sabine viel liberaler.
„Es hat durchaus konfliktreiche Phasen gegeben. In vielen Fragen haben wir ganz andere Zugänge“
von Andreas Hanger
Und dann sind da Dinge, in denen Vater und Tochter einander auffällig ähneln. Es sind noch keine fünf Minuten des Frühstücksgesprächs vergangen, da haben die beiden schon jeweils zweimal das Wort „Leistung“ gesagt.
Dabei seien sie gänzlich anders politisch sozialisiert worden, sagen sie. Hanger senior engagierte sich schon zu seiner Zeit im Internat in Salzburg, Sabine Hanger will erst an der Uni politisiert worden sein. Aber daran, wie sehr beide den Leistungsgedanken betonen, merkt man: Die Hangers sind eine durch und durch türkise Familie. Sie leben nicht nur von, sondern auch für die ÖVP.
Ähnliche Charaktere
Dass sie trotz ähnlicher Grundwerte vortrefflich streiten könnten, liegt laut Sabine Hanger auch daran, dass sie und ihr Vater einen ähnlichen Charakter haben. „Wenn zwei ähnliche Charaktere mit unterschiedlichen Meinungen aufeinandertreffen, dann wird oft besonders heftig diskutiert“, sagt sie.
„Ich wurde auf der Uni politisiert. Aus der Familie habe ich Werte wie Nächstenliebe und Leistung mitbekommen“
von Sabine Hanger
Diese Diagnose, man sei sich so ähnlich, kommt einigermaßen überraschend. Sabine Hanger übernahm in einer zerstrittenen ÖH den Vorsitz, musste vermitteln und sich in Diplomatie üben. Das ist nicht unbedingt der Stil, mit dem ihr Vater im vergangenen Jahr Schlagzeilen gemacht hat.
Im Gegenteil. Fritz Jergitsch von der Satireplattform Die Tagespresse ging sogar so weit, Hanger wegen unlauteren Wettbewerbs zu klagen. In seinen Augen ist der ÖVP-Mann nämlich kein Politiker, sondern Kabarettist. „Die Kunstfigur eines Igels auf Steroiden ist zu perfekt gespielt, zu konstruiert“, sagt Jergitsch.
Am Frühstückstisch lachen die Hangers darüber. Zumindest der Vater will aber anmerken, dass er nicht wisse, ob man mit solcherlei Scherzen die Gerichte befassen müsse.
Sachlichkeit, weniger Aggression
Dann winkt er ab. Er komme aus der Kommunalpolitik und wisse ebenso gut wie seine Tochter, wie wichtig es sei, konsensual zusammenzuarbeiten. Und dann passiert etwas wirklich Überraschendes. Der Mann, der als türkiser Krawallmacher bekannt geworden ist, ruft zu mehr Sachlichkeit und weniger Aggression in der Politik auf. Dann würden sich auch mehr junge Menschen wieder dafür begeistern, glaubt er.
Sabine Hanger nickt. Sie muss jetzt ins Büro. Nach ihrem gescheiterten Versuch, wieder ÖH-Vorsitzende zu werden, sei sie vorerst ganz zufrieden mit einem Platz in der zweiten Reihe.
Und ihr Vater, was hat er eigentlich nach dem U-Ausschuss vor? „Mich interessieren wirtschafts- und medienpolitische Fragen“, sagt er. Auch er hat es eilig. Er muss zur letzten U-Ausschuss-Sitzung. Noch einmal seine Rolle spielen.
Sabine Hanger
ist 26 Jahre alt, studiert Jus in Wien und arbeitet als Generalsekretärin der JVP. Bis August war sie Obfrau der Aktionsgemeinschaft, für die sie bei der ÖH-Wahl 2021 als Spitzenkandidatin ins Rennen ging, aber nur auf dem dritten Platz landete. Bis zur Wahl war sie Vorsitzende der Bundes-ÖH.
Andreas Hanger
ist seit 2013 Abgeordneter zum Nationalrat, außerdem seit 2010 Geschäftsführer der Norwin Handels GmbH. Für Amüsement sorgte, als er Dossiers über die politischen Gegner anfertigen ließ und diese unabsichtlich an sie schickte.
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