Die Außensicht auf die Alpenrepublik - Fünf Korrespondenten über Österreich

Die Außensicht auf die Alpenrepublik - Fünf Korrespondenten über Österreich
Wie wird Österreichs Corona-Politik im internationalen Vergleich gesehen, was bleibt von der Ära Kurz und was blieb 2021 insbesondere in Erinnerung.

 "Sie fragen sich sicher, was jetzt schon wieder passiert ist", sagt Bundespräsident Alexander Van der Bellen am 8. Oktober 2021. Einen Tag später tritt Sebastian Kurz als Bundeskanzler zurück, am 2. Dezember zieht er sich komplett aus der Politik zurück. Wie Kurz das Land geprägt hat, welches Licht die Chat-Protokolle, der U-Ausschuss und das Pandemie-Management auf Österreich geworfen haben?

Die Außensicht auf die Alpenrepublik - Fünf Korrespondenten über Österreich

Oliver Das Gupta, Susanne Glass, Ivo Mijnssen, Benedikt Sauer, Christoph Schiltz. Fotorechte: Privat (3),ARD/TLV Alex Goldgraber, Christoph Ruckstuhl / NZZ

Der KURIER hat nachgefragt bei Oliver Das Gupta (Der Spiegel), der ehemaligen langjährigen Wien-Korrespondentin Susanne Glass (ARD), Ivo Mijnssen von der Neuen Zürcher Zeitung, bei Benedikt Sauer (RAI Südtirol) und Christoph Schiltz (Welt und Welt am Sonntag).

Die Außensicht auf die Alpenrepublik - Fünf Korrespondenten über Österreich

Oliver Das Gupta: Die Politik in Österreich hat seit Beginn der Pandemie viel geboten: von sinnvollen Maßnahmen über demonstrative Sorglosigkeit bis hin zu grotesken Positionierungen. Dass Sebastian Kurz im Sommer eine „coole Zeit“ versprach, obwohl die Impfquote mau war und Forscher vor einer weiteren Welle warnten, wirkte im Ausland reichlich skurril. Das änderte sich, als das Kurz’sche Diktum von der „gemeisterten“ Pandemie gekippt wurde und die Entscheidung für die Impfpflicht fiel: Das war ein wichtiges Signal für andere europäische Nachbarn, auch für die Deutschen. Wenn sich Berlin in dieser Frage für eine Impfpflicht entscheiden sollte, dann wohl auch deshalb, weil Wien als ein Vorbild dient. 

Susanne Glass: Natürlich kann man (vor allem im Nachhinein), Vieles was die Regierung Kurz in Sachen Pandemie-Management unternommen hat, als falsch erkennen. Dazu gehören Ischgl und die Diskussion um den Impfstoff. Mal sollte Sputnik angeschafft werden, dann wieder war von einer gemeinsamen Produktion mit Israel die Rede. Zudem hat Kurz die Pandemie für Geimpfte voreilig für beendet erklärt. Aber im internationalen Vergleich würde ich Österreich nicht als „Lachnummer“ bezeichnen. Trial und Error, Chaos und Widersprüchlichkeiten haben wir doch überall gesehen. Auch in Israel, das sich gerne einer Vorreiter-Rolle rühmt.  Jetzt halte ich es für mutig und als Ultimo Ratio für richtig, dass Österreich als erstes Land Europas eine Impfpflicht angekündigt hat.

Ivo Mijnssen: Weder noch. Wenn die Pandemie eines gezeigt hat, ist es ihre Unberechenbarkeit. Das Hauptproblem des österreichischen Corona-Managements unter Kurz war, dass er stets glaubte, mit knackigen Aussagen operieren zu müssen: Österreich sollte das konsequenteste Land sein, dann das liberalste. Realpolitisch liefen die widersprüchlichen Ansagen meist auf ein Hindurchwursteln heraus – wie in den meisten anderen europäischen Ländern auch. Ein wirklich grosser Fehler war das Festhalten am Versprechen, dass die Pandemie für Geimpfte vorbei sei. Sie brockte Österreich den Lockdown im November ein. Absurderweise hat das Land nun einen leichten Vorteil bei der Omikron-Welle – ein weiterer Widerspruch dieser Pandemie.

Benedikt Sauer: Österreich hat die erste Welle im internationalen Vergleich durchaus beachtlich gemeistert, auch dank des Gesundheitsministers Anschober. Die dann offenkundigen Spannungen zwischen Kanzleramt und Gesundheitsminister waren hinderlich und das ab Sommer 2022 vor allem von Ex-Kanzler Kurz zu verantwortende Krisenmanagement katastrophal: Die ÖVP-Plakatoffensive „Pandemie gemeistert“ war angesichts der wissenschaftlichen Warnungen eine leider folgenreiche propagandistische Aktion. Das hat wohl mit zur niedrigen Impfquote beigetragen. Die rechte politische Instrumentalisierung von Impfskepsis bis -verweigerung bleibt eine Herausforderung. Die sozialen Abfederungen sind im internationalen Vergleich überdurchschnittlich, wenn auch für manche Bereiche unbefriedigend.

Christoph Schiltz: Das Corona-Management ist ein Ausprobieren und Herantasten – und zwar für alle Akteure. Da ruckelt es schon mal und die Medien sollten dafür auch ein gewisses Verständnis aufbringen. Ich glaube, Österreich hat es im europäischen Vergleich – trotz einiger Fehler – ziemlich gut gemacht. Besser jedenfalls als Deutschland, auch wenn kurzzeitig die Inzidenzraten in Österreich deutlich höher waren. Die Einführung der 3 G-Regel war richtig und wurde von Deutschland viel zu spät kopiert. Als erstes EU-Land führt Österreich auch eine Impfpflicht ein, einschließlich Bußgeldkatalog. Das ist enorm mutig und dürfte demnächst auch von Deutschland kopiert werden.

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