Der Spalt-Pilz zwischen den Fronten

Lange kann Peter Pilz (64) beim innerparteilichen Gemetzel nicht mehr tatenlos zuschauen
Die Liste Pilz entwickelt sich zur Lachnummer, Peter Pilz wird zum verbalen „Schwammerl“. Nächste Woche will er eingreifen.

Noch schweigt er, obwohl ihn der Boulevard wegen seiner Parteichef-Gage von 8800 Euro durch den Kakao zieht. Noch radelt er lieber in Kärnten, statt den Streit in Wien zu kalmieren. Noch hat er launige Kommentare zum Tohuwabohu  auf Lager. „Unsere  Gründungsturbulenzen sind hinreißend“, skizziert Peter Pilz den innerparteilichen Hurrikan. Und beteuert, dass das Chaos das  „Niveau der Grünen  beim Parlamentseinzug vor  32 Jahre  noch nicht erreicht hat“.

Tatsache ist aber auch: Lange wird es sich der Aufdecker nicht mehr leisten können, in der Beobachterrolle zu verharren. Schon jetzt wird die Liste Pilz gerne in einem Atemzug mit dem Team Stronach verglichen.

Immerhin war es Pilz höchstpersönlich, der jeden der acht Mandatare  für sein Team nominierte. „Ich habe ihn gewarnt, genau hinzuschauen, für wen er sich entscheidet“, sagt Peter Kolba, der am Freitag auf sein Mandat verzichtete, weil er mit dem „Intrigantenstadl nichts mehr zu tun haben wollte“.

Konfrontationen ging der Aufdecker nie aus dem Weg. Aber warum  wird der sonst so wortgewaltige Pilz zum verbalen Schwammerl, wenn es darum geht, seine Namensliste nicht zur Lachnummer werden zu lassen? „Ich verstehe das auch nicht, dass er in diesen Tagen nicht in Wien ist. Denn die  Verantwortung liegt bei  Pilz“, sagt eine Mandatarin, die anonym bleiben will.

Vordergründig geht es darum, einen oder eine Abgeordnete zu finden, die für das parlamentarische Urgestein den Weg ins Hohe Haus frei macht. Doch steckt mehr dahinter? 

Sieben von acht Mandataren könnten für den 64-Jährigen Platz machen. „Mitte Jänner gab es eine Sitzung. Schon damals war klar, dass keiner gehen will. Immerhin meldeten sich  vier Mandatare, die nachdenken wollten. Drei Männer und ich“, sagt Martha Bißmann.

„Pezis“ beste Freunde

Drei Monate später blieb nur mehr eine übrig: Die Grazerin Bißmann. Sie war es, die für Pilz, als er kurz vor der Angelobung sein Mandat  zurücklegte, ins Parlament nachrückte. Rund 6000 Vorzugsstimmen erhielt Pilz. Deswegen, so die Meinung der älteren männlichen Liste Pilz-Mandatare und  vieler Pilz-Wähler  – „gehört“ das Mandat  dem Listengründer. Seit sie sich  weigert zu weichen, erlebt sie einen Shitstorm. Von „hinterfotzig“, „Schande der Politik“  bis „karrieregeil“ wird Bißmann bezeichnet.

 

Der Spalt-Pilz zwischen den Fronten

Womit wir bei der eigentlichen Frontlinie wären. Da die engagierten jungen Mandatarinnen (zwischen 29 und 37), dort  „Prinz Pezi und seine beste Freundesrunde“,  von denen viele im  Pensionsalter sind, aber nicht verzichten wollen. Schon gar nicht für jüngere Frauen. Erstaunlicherweise  aber auch nicht für  ihren Freund. Dazu zählen die neuen Klubchefs Wolfgang Zinggl (63) und Bruno Rossmann (66). Oder der langjährige Wegbegleiter von Pilz aus seiner grünen Vergangenheit  Alfred Noll (58), der Pilz  als Anwalt vertreten hat. Er spendete 100.000 Euro für den Wahlkampf. Noll sagt über sich selbst: „Ich brauche kein Geld mehr.“ Er lebt jetzt seine neue Leidenschaft mit provokant-kritischen Reden gegen Kickl & Co. aus. Die Sturheit der Männerseilschaft provoziert die Frauen im Klub.

Pilz in  der Doppelmühle

Auch sie riskierten viel: Zwei gaben schon im Wahlkampf ihren Job für die Sache auf. Die eine war Bißmann, die andere war Alma Zadic, die  auf eine Karriere als Top-Anwältin verzichtete. Durch diese Pattstellung befindet sich Pilz in einer Doppelmühle. Wem soll er den Rücken stärken? Den engagierten Frauen, die die  Zukunft der Partei sind? Oder seinen Spezies aus alten Tagen? Deswegen lautete seine Hoffnung, dass die Partei selbst eine Lösung findet.

Die  Zuversicht von Pilz scheiterte in der Vorwoche spätnachts um 1.30 Uhr. Bißmann hatte „hart verhandelt. Das war ihr gutes Recht“, so ein Insider. Das Ergebnis war eine Punktation. Als „unverschämt“, soll Noll die Forderungen bezeichnet haben. Sollte Bißmann Parteichefin werden, drohte er sogar mit dem „Ausstieg“, so der Insider weiter. Einige Tage später wurde die Punktation an die Medien gespielt.

„Ich war schockiert, denn ich hatte die Punktation nur an die Abgeordneten und Peter Pilz geschickt. Das war der Wendepunkt bei mir. Bis dahin hatte ich gegen mein Bauchgefühl das große Ganze im Visier. Aber dieser Leak war ein Vertrauensbruch, der mir schaden sollte, damit mich die Öffentlichkeit fertig macht“, sagt Bißmann. Noch ist sie entschlossen, dem Druck zu widerstehen. „Ich will aber, dass Pilz zurückkommen kann.“

Die Grazerin reklamiert auch einige Erfolge für sich. Die existieren zwar nur in ihrer Eigenwahrnehmung, denn der Öffentlichkeit war Bißmann bis zum Mandatsstreit kein Begriff. „Ich bin die einzige Mandatarin, die von der Regierung eine ambitionierte Klimastrategie fordert“, so die 37-Jährige.

Neues Ungemach

Mitten in diesem nervenaufreibenden Gefecht stand der Interims-Klubchef Kolba. Seit 2012 leidet er an einer Schmerzerkrankung, muss täglich mehrere Tabletten nehmen. „Je nach seinem  Status quo ist er mal mehr, mal weniger belastbar und reagiert aus der Sicht eines gesunden Menschen oft über“, sagt ein Insider. So erklärt man sich auch seinen plötzlichen Mandatsverzicht.  

Angesichts dieses Kuddelmuddels  stellt sich die Frage: Wann übernimmt Pilz wieder die Regie? Schließlich droht das nächste Ungemach in Form einer Anzeige wegen versuchten Mandatskaufs. Pilz meint: „Nächste Woche melde ich mich mit einem Vorschlag zurück.“

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