"Der Kirche fehlt die kräftige Stimme“
Als Ende Juli der OGM/APA-Vertrauensindex der Institutionen erschienen ist, stach vor allem eines ins Auge: Beim Saldo von „Habe Vertrauen“ und „Habe kein Vertrauen“ waren so ziemlich alle politischen Gremien im Minus. Von den Landesparlamenten bis zur Bundesregierung, die klar am letzten Platz gelandet war. Während Polizei und Bundesheer mittlerweile die Spitzenplätze eingenommen haben.
Für die Bischofskonferenz dürfte diese aktuelle Umfrage besonders schmerzhaft gewesen sein. Mit einem Saldo von -27 Punkten zählt die katholische Kirche neben der Regierung und den Medien ebenfalls zu den Schlusslichtern. Gegenüber 2021 ist man um 8 Punkte zurückgefallen. Und dieser Abstieg im Vertrauen der Menschen ist ein "stetiger Prozess“, wie OGM-Meinungsforscher Wolfgang Bachmayer sagt.
Legitimitätsproblem
Dass die Kirche mit einem Vertrauensverlust ringt, war im Juli bei der ökumenischen Sommerakademie im Stift Kremsmünster spürbar. Da referierte die Wiener Pastoraltheologin Regina Polak über das Legitimitätsproblem der Kirche. Das beziehe sich nicht nur auf Themen wie Missbrauch, Frauen oder die LGBTQ-Bewegung. Sie verwies auf eine europaweite Wertestudie, die belege, dass der Glaube an Gott, an die Auferstehung oder an Christus ständig abnehme und alle christlichen Kirchen betrifft, auch jene, die in Fragen von Gender, Sexualität und Demokratie liberaler sind.
Diese Entwicklung sei in allen Gesellschaftsschichten bemerkbar, stärker allerdings bei höher Gebildeten, bei Wohlhabenden, bei jüngeren und urbanen Menschen. Ihre Schlussfolgerung: „Um also gesellschaftliches Vertrauen zu gewinnen und erkennbar werden zu lassen, wozu es die Kirche heute unbedingt braucht, bedarf es einer Auseinandersetzung mit den Regeln, Werten und Normen der Gesellschaft. Pauschale Ablehnung verbietet sich dabei ebenso wie pauschale Zustimmung.“
Der Theologe und ehemalige Universitätsprofessor Paul Zulehner kann auf Anhieb Gründe aufzählen, warum das Vertrauen in die katholische Kirche schwindet. Ein Punkt ist für ihn auch, dass „religiöse Wissen immer mehr verdunstet“. Er sieht dennoch eine Chance, diese Entwicklung umzukehren.
„Ich glaube, dass die Religionen miteinander zu den schwindenden Hoffnungsressourcen der Menschen gehören. Die Welt braucht sie mehr denn je“, sagt Zulehner zum Kurier. Die Kunst thematisiere gezielt das Metaphysische, das sei bei Reden in Salzburg oder Bayreuth deutlich geworden. Zulehner: „Die Künstler sind meist die Vorhut einer Entwicklung.“ Und: „Wir brauchen einen Vertrauensvorschuss für die Religionen. Nicht wegen der Religionen, sondern wegen der Menschheit, die derzeit in einer taumelnden Welt lebt.“
Wer ist die Stimme?
Paul Zulehner ist überzeugt davon, dass sich „Papst Franziskus die Füße dafür ausreißt“, dass die Kirche zu den „Hoffnungsressourcen“ der Menschen zählt. Doch wo ist in Österreichs Kirche die starke Stimme, die in so einer Zeit ein Anker sein kann?
Angesichts zwei Jahren Pandemie und den aktuellen Krisen wie dem Ukraine-Krieg und der Teuerungswelle gebe es genug Platz, um als Kirche markant Stellung zu beziehen. Von den Bischöfen ist in dieser Zeit öffentlich aber relativ wenig gekommen. Oder es wurde nicht gehört. Nimmt die medialen Auftritte als Richtwert, dann bleibt in der breiten Wahrnehmung eigentlich nur Caritasdirektor Michael Landau übrig, der in Zeiten von Krisen als ständiger Gesprächspartner fungiert.
„In der Kirchenleitung fehlt uns die kräftige Stimme“, sagt Paul Zulehner. Und tatsächlich scheint es da ein Vakuum zu geben. Der Salzburger Erzbischof Franz Lackner hat zwar den Vorsitz der Bischofskonferenz übernommen, drängt aber nicht in die Öffentlichkeit. Der Wiener Kardinal Christoph Schönborn hat dem Papst bereits 2019 seinen Amtsverzicht angeboten, Papst Franziskus hat das jedoch noch nicht angenommen. Die Unsicherheit rund um die Nachfolge ist vielleicht auch ein Grund für die Zurückhaltung so manches Kirchenoberhaupts.
Eine mögliche Vorgabe für den künftigen Kardinal wurde bei besagter Sommerakademie zitiert. Der Linzer Generalvikar Severin Lederhilger verwies auf den ehemaligen Grazer Bischof Egon Kapellari, der einst betont hatte, dass man sich aus dem „Zwielicht“ eines bequemen „Jein“ herausbewegen müsse.
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