Der Justiz ist das Ibiza-Video zu heiß – es ging retour an die Polizei
Interner Schriftverkehr zeigt Nervosität. Nur strafrechtlich Relevantes darf in den Akt – U-Ausschuss dürfte also mit Forderung nach Rohmaterial abblitzen.
Eine Anekdote zum Ibiza-Video, die dem KURIER zugetragen wurde, spricht Bände. Und sie geht so:
Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), die rund um mutmaßlichen Postenschacher und Bestechlichkeit ermittelt, wollte das Ibiza-Video gar nicht haben – nur eine schriftliche Auswertung.
Daraufhin erteilte ihre Fachaufsicht, die Oberstaatsanwaltschaft, eine Weisung: Die WKStA musste das komplette Video plus 400-seitigem Bericht der Sonderkommission (SOKO Tape) daraufhin annehmen. Das versiegelte Kuvert, das ein Beamter am 8. Juni persönlich zustellte, wurde behandelt wie ein rohes Ei. Der zuständige Oberstaatsanwalt der WKStA wollte es erst gar nicht öffnen. Es folgte ein Schriftverkehr, der dem KURIER vorliegt.
In einem Ermittlungsersuchen an die SOKO fordert er eine „umgehende ergänzende Berichterstattung“ darüber, was sich im Kuvert befindet – anstatt selbst nachzuschauen.
Genau das rät ihm SOKO-Leiter Andreas Holzer dann auch. Holzer schreibt am selben Tag, dem 9. Juni, dass diese Frage „durch Öffnung und Besichtigung des Inhalts des Verschlusskuverts relativ rasch beantwortet werden kann“. Mehr hat er nicht gebraucht.
Im nächsten Schreiben wendet sich die WKStA-Chefin Ilse Vrabl-Sanda persönlich an Holzers Vorgesetzten, den Direktor des Bundeskriminalamts Franz Lang. Sie schickt ihm Holzers Schreiben – zur „Prüfung und weiteren Veranlassung im Rahmen der Dienstaufsicht“.
Holzer habe der Anordnung der WKStA „nicht entsprochen“, schreibt Vrabl-Sanda, und dabei „eine unangebrachte und als impertinent zu beurteilende Ausdrucksweise“ gewählt. Dieses Verhalten möge im Sinne der Kooperation im Verfahren „umgehend abgestellt werden“. Der Schriftverkehr zieht sich über eine ganze Arbeitswoche.
Pikante Details geheim
Was da nach Beamtensatire à la „MA 2412“ klingt, hat einen ernsten Hintergrund: Das Ibiza-Video ist der Justiz schlicht zu heiß. Sie will offenbar nicht das Risiko eingehen, dass etwas davon in falsche Hände gerät.
Alles, was im Ermittlungsakt ist, könnte im Rahmen der Akteneinsicht durch Anwälte, aber auch durch Mitarbeiter der Behörden nach außen dringen. Sprich: in den Medien landen.
FPÖ-Politiker Heinz-Christian Strache und sein Vertrauter Johann Gudenus haben ja in jener Nacht auf Ibiza 2017 mit der vermeintlichen Oligarchin nicht nur über fragwürdige Investitionen in Österreich gesprochen, sondern auch schmutzige Gerüchte über andere Politiker verbreitet – Strache hat sich dafür schon öffentlich entschuldigt. Aus Gründen der Privatsphäre haben auch jene Journalisten, die das Ibiza-Video im Mai 2019 veröffentlicht haben, diese Passagen ausgelassen.
Nur einzelne Clips
In den Akt darf jetzt nur, was für das Strafverfahren relevant ist. Das ist die sachliche Begründung dafür, dass die Staatsanwaltschaft Wien und offenbar auch die WKStA das Rohmaterial wieder an die SOKO zurückgeschickt haben, wie der KURIER erfuhr.
Die beiden Behörden haben den Bericht und das Video analysiert und jene Stellen markiert, die für sie relevant sind. Diese Stellen müssen die SOKO-Beamten nun herausschneiden und in einen neuen Bericht packen. Das wären dann einzelne Clips aus dem Video sowie Textpassagen aus der Transkription. Klingt mühsam, ist aber die sicherste Variante. Das ganze Video kommt definitiv nicht in den Akt, bestätigt das Justizministerium.
Für die Mandatare im U-Ausschuss bedeutet das, dass ihre vehemente Forderung, das gesamte Rohmaterial zu sehen zu bekommen, ins Leere geht. Welche Teile davon ans Parlament geliefert werden dürfen, entscheidet die Oberstaatsanwaltschaft, sobald die SOKO den neuen Bericht abliefert.
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