Lasst die Wähler zuschauen!

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Die Präsidentin des Rechnungshofs hat recht: U-Ausschüsse sollten im Internet und im Fernsehen übertragen werden.
Christian Böhmer

Christian Böhmer

Haben Sie ein wenig den Überblick verloren, was bis jetzt im Untersuchungsausschuss zur Ibiza-Affäre genau herausgefunden worden ist?

Wissen Sie, warum Sektionschef Christian Pilnacek am Mittwoch nun aussagen muss? Oder finden Sie ihn einfach nur langweilig (den Ausschuss natürlich, nicht den Sektionschef)?

Falls dem so sein sollte, kommt an dieser Stelle eine beruhigende Nachricht: Sie sind nicht allein.

Gemäß einer rezenten OGM-Umfrage für den KURIER verfolgen 48 Prozent der Österreicher den U-Ausschuss „eher nicht“ bis „überhaupt nicht“. Man könnte auch sagen: Er ist ihnen herzlich wurscht.

Möglicherweise auch aus diesem Grund hat die Präsidentin des Rechnungshofes nun einen Vorschlag wiederholt, den bis auf die ÖVP alle Parlamentsparteien dem Grunde nach unterstützen, nämlich: Wie Plenardebatten sollen auch Sitzungen der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse im Fernsehen und/oder im Internet übertragen werden.

Bisher sieht Paragraf 17 der Verfahrensordnung vor, dass Bild- und Tonaufnahmen ausschließlich fürs Protokoll erlaubt sind. Angesichts der realen Verhältnisse mutet das, um es höflich auszudrücken, eher seltsam an.

Denn selbstverständlich darf man aus dem Ausschuss heraus „tickern“, also in Echtzeit alles Gesagte mitschreiben und im Detail live im Internet veröffentlichen.

Wenn also die Persönlichkeitsrechte der Auskunftspersonen durchs Tickern nicht nachhaltig beschnitten werden, gibt es kaum belastbare Argumente dafür, TV-Übertragungen weiter zu verbieten.

Was würde denn passieren, würde man die Sitzungen live senden?

Würden sich Vorsitz und Fraktionsführer weiterhin in endlosen Geschäftsordnungsdebatten gegenseitig aufreiben?

Würden Minister 86-mal beteuern, dass sie ein schwaches Gedächtnis haben und ihren Job ohne Laptop erledigen?

Würden Abgeordnete einfach vor sich hinschimpfen und sagen, dass ihnen einzelne Ausschuss-Teilnehmer oder eigentlich eh alle „am Oasch“ gehen?

Und vor allem: Würden Staatsanwälte und Polizisten coram publico zeigen, dass sie in einem der politisch wichtigsten Ermittlungsfälle der jüngeren Zeitgeschichte fast genüsslich gegeneinander ermitteln?

Vielleicht würde all das nicht mehr passieren, es wäre ja ziemlich unangenehm und peinlich.

Falls aber doch, könnten sich die Wähler ein authentisches Bild von den Protagonisten der Ibiza-Affäre machen. Und es bestünde zumindest die Hoffnung, dass von den 48 Prozent, denen der Ausschuss derzeit wurscht ist, zumindest einige Wenige realisieren, dass es weder fad noch egal ist, was sich in derlei Ausschüssen abspielt.

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