Der Bundesheer-Offizier und die Volksschüler
Später wird er den Kindern von Haflingern und Hundewelpen erzählen; und von Hubschraubern, die mit mannshohen Kanistern Waldbrände löschen.
Doch bevor Horst Dauerböck, Oberst des Generalstabs und Informationsoffizier, zum lockeren Teil, also zu den Tieren und den Flugmaschinen kommt, stellt ein Schüler die Frage, die immer kommt.
Dauerböck macht solche Vorträge seit mehr als 20 Jahren, er wartet fast darauf.
Diesmal ist es der Knirps vorne rechts in Reihe zwei: „Wie fühlt es sich an, eine Waffe zu halten?“
Schusswaffen, Krieg, Leid: Plötzlich sind sie da, die ganz, ganz großen Fragen in dieser kleinen, liebevoll mit Planeten-Zeichnungen geschmückten Linzer Volksschulklasse.
Wie ist das jetzt also mit der Waffe? „Die nehmen wir nur mit, wenn’s gefährlich ist. Wenn wir uns schützen müssen“, antwortet Dauerböck. „Aber bei euch hier und heute ist es nicht gefährlich. Deshalb haben wir sie nicht dabei.“
Der Offizier lächelt, der Schüler schmunzelt retour. Jetzt hat er sie, der „Horst“, wie ihn die Schüler der 4B heute nennen dürfen. Und in der folgenden Stunde erzählt der Soldat den Kindern alles, was sie wissen wollen: Was die „Torpedo-Jets“ können – so nennt eine Schülerin die Eurofighter. Er zeigt Videos von der Tragtierstaffel mit den Haflinger-Pferden und von der Ausbildung im Militärhundezentrum. Er macht Bewegungs- und Fangübungen. Und zwei Sanitäter, die ihn begleiten, zeigen den Kindern, wie man Verbände anlegt, erkunden mit ihnen gemeinsam das Sanitätsfahrzeug im Schulhof.
Mehr als 650 Informationsoffiziere sind derzeit in Schulen unterwegs, um Vorträge zu halten. Zahl und Nachfrage steigen stark.
Im benachbarten Deutschland läuft gerade eine Debatte, ob nicht jede Schule von „Jugendoffizieren“ besucht werden muss. Weil die Bundeswehr Soldaten braucht; und weil sich die Frage der wehrhaften Demokratie spätestens seit Russlands Angriff auf die Ukraine völlig neu stellt.
Informieren, nicht rekrutieren
Auch in der österreichischen Regierung ist man überzeugt, dass sich die Demokratie neu und wehrhaft aufstellen muss. „Umfassende Landesverteidigung geht uns alle an. Gerade in unsicher werdenden Zeiten ist es umso wichtiger, dass wir als Gesellschaft widerstandsfähiger werden“, sagt Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP). Landesverteidigung höre nicht am Kasernenzaun auf. „Und sie fängt bei den Jüngsten an.“
Dabei ist Offizieren wie Horst Dauerböck eine Botschaft wichtig: „Wir rekrutieren nicht, wir informieren.“
Was er damit meint, zeigt sich bei einem Vortrag in einem Linzer Gymnasium: Auch hier hält der Offizier keinen Frontalvortrag, sondern beantwortet vor allem Fragen. Und auch hier ist er nicht allein: Ein Mitarbeiter des Roten Kreuzes erzählt vom Zivildienst. Die beiden buhlen nicht um die Gunst der Jungen, sie behandeln einander mit Respekt.
Die Fragen, die die Oberstufenschüler dem Offizier dabei stellen, sind oft praktischer Natur: Welche Führerscheine kann man beim Bundesheer machen? Wie viel Geld bekommt jemand, der als Soldat Medizin studiert?
Fragen über den Sinn des Krieges, über das Kämpfen oder zivile Opfer bleiben dem Familienvater heute erspart. Überhaupt sind Anfeindungen eher die Ausnahme.
In einer Vortragspause erzählt Dauerböck von den Veränderungen, die er an Mitmenschen wahrnimmt.
Menschen bedanken sich
Der Oberösterreicher pendelt fast täglich von Linz nach Wien. Er verbringt viel Zeit im Zug, in der Straßen- oder U-Bahn. „Ich fahr’ ausnahmslos in Uniform. Früher haben dich Mitfahrende mitunter abschätzig gemustert.“ Und jetzt? „Jetzt bleiben wildfremde Menschen vor mir stehen und sagen ,Danke, dass Sie das machen!‘“ Man kennt die Szenen aus Hollywood-Filmen. Wenn Zivilisten Kriegsveteranen ein „Thanks for your service!“ zurufen. Aber in Österreich?
Eine Soldatin, die Dauerböck bei einem Vortrag begleitet, erzählt von Kunden, die sich in der Schlange an der Supermarkt-Kassa bei ihr bedanken. Dauerböck erklärt sich Anekdoten wie diese so: „Von der Flüchtlingskrise 2015, über die Pandemie bis hin zum Krieg in der Ukraine und in Israel haben alle aktuellen Krisen direkt oder indirekt gezeigt, dass das Bundesheer schützt, hilft und unverzichtbar ist. Das macht etwas mit den Menschen.“
Auch in der Volksschule, die er an diesem Vormittag besucht, bestätigt sich der Eindruck irgendwie. Die Direktorin wollte die Eltern nicht zwangsbeglücken. Also hat sie bei allen schriftlich nachgefragt, ob das Kind am Vortrag des Offiziers teilnehmen soll. Es gab keine einzige Absage.
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