Das gab es noch nie: Die Nationalratswahl der Rekorde
"Noch nie“ – mit diesen einleitenden Worten beginnt und endet der Wahlsonntag, denn:
- Noch nie wurden mehr Wahlkarten (1,43 Millionen) ausgestellt als für diese Nationalratswahl.
- Noch nie in der Geschichte der Zweiten Republik hat die Freiheitliche Partei hinter sich mehr Stimmen vereint als bei dieser Wahl: 28,8 % stimmten für die FPÖ und verschaffen ihr damit erstmals den ersten Platz bei bundesweiten Wahlen. Zur Erinnerung: Auf den Tag genau vor fünf Jahren hatte die FPÖ mit dem damaligen Parteichef Norbert Hofer 16,2 % der Wählerschaft erreicht.
- Noch nie in ihrer Parteigeschichte musste die ÖVP größere Verluste hinnehmen als an diesem Wahltag – zweistellige nämlich, nach dem historischen Wahlerfolg unter der Obmannschaft von Sebastian Kurz (2019: 37,5 %) stimmten für die von Regierungschef Karl Nehammer geführte Volkspartei diesmal 26,3 % der mehr als 6,4 Millionen wahlberechtigten Österreicherinnen und Österreicher.
- Zudem: Noch nie schnitt die Sozialdemokratische Partei – seit über einem Jahr unter dem Vorsitz von Andreas Babler – schlechter ab. Bei Redaktionsschluss liegt das Votum der SPÖ mit 21,10 % weit unter den Erwartungen und dem Ergebnis aus 2019, als Pamela Rendi-Wagner noch der SPÖ vorstand.
- Und: Noch nie wollte niemand der im Parlament vertretenen Parteien mit dem nunmehrigen Wahlsieger – FPÖ-Chef Herbert Kickl – bereits vor dem Wahlausgang dezidiert keine Koalition eingehen.
Möglich wäre eine stabile Zweier-Koalition allerdings partout zwischen jenen zwei Parteien, die selbiges seit Monaten kategorisch ausschließen: FPÖ und ÖVP kämen gemeinsam auf 108 Mandate – 92 sind notwendig.
Zwei Zweier-Koalitionen
Hauchdünn oder „arschknapp“, wie Bundespräsident Alexander Van der Bellen es einst formulierte, könnten auch die nunmehr zweit- und drittstärksten politischen Kräfte im Land miteinander regieren.
Die ehemalige "Große Koalition" aus ÖVP und SPÖ käme derzeit auf 93 Mandate. Eine im Vorfeld oftmals ventilierte Ampel-Koalition – eine Regierungsbildung aus ÖVP, SPÖ und Neos oder Grünen – wäre daher rein rechnerisch nicht von Nöten, ist aber notwendig, wenn sie stabil sein soll. Gegeben hat es eine Ampel in Österreich noch nie.
Die Neos können sich über den minimalen Zuwachs von 1,1 % wohl nicht freuen, erhoffte sich doch die einzige Spitzenkandidatin der Parlamentsparteien – Beate Meinl-Reisinger – am Ende des Wahlkampfs ein zweistelliges Ergebnis und eine reale Chance, um mitzuregieren. Letzteres haben die Grünen gerade hinter sich.
Die Regierungspartei muss wie die Volkspartei veritable Verluste hinnehmen. Der kleinere Koalitionspartner büßt nach fünf Jahren Regierungsarbeit 5,6 % der Stimmen ein und liegt nunmehr mit 8,3 % hinter den Neos.
Keine der Kleinen
Möglich machen die zuvor genannten Zweier-Koalitionen die Misserfolge der Kleinparteien, denn: Weder die bundesweit angetretene Bierpartei mit Dominik Wlazny (2 %) an der Spitze, noch Ex-Grünen-Chefin Madeleine Petrovic mit der nach ihr benannten Liste (0,6 %) oder die KPÖ mit Tobias Schweiger (2,4 %) an der Spitze sowie Der Wandel mit Fayad Mulla (0,6 %) schafften die notwendige Vier-Prozent-Hürde für den Einzug in den Nationalrat, der sich am 24. Oktober konstituieren wird.
Der Nicht-Einzug der oben genannten Parteien macht weniger Mandate notwendig, um eine regierungsfähige Koalition zu bilden. Mit der Regierungsbildung beauftragt werden die Parteien bekanntlich vom Staatsoberhaupt Alexander Van der Bellen. Ehe es so weit ist, tagen allerdings bereits heute schon die Gremien.
Den Anfang macht – zumindest offiziell – die SPÖ. Sie befindet sich in einer Art Schockstarre. SPÖ-Chef Andreas Babler steht nach dem gestrigen Votum noch mehr in der Kritik als je zuvor. Doch auch sein parteiinterner Widersacher – Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil – hat in seinem Bundesland verloren.
Der Verlierer des Wahlabends – Bundeskanzler Karl Nehammer – ist trotz des verlorenen ersten Platzes die Nummer Eins in seiner Partei. Und der Wahlsieger – FPÖ-Chef Herbert Kickl – will „die Hand ausstrecken“ wie er am Sonntag sagt. Doch noch will diese niemand annehmen.
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