Grünes Prestigeprojekt: Klimaticket ohne 1-2-3
„Für die Benutzung aller öffentlichen Verkehrsmittel soll es ein ‚Österreich-Ticket‘ um 1.490 Euro jährlich für Erwachsene und Familien, um 1.190 für Pensionisten und um 990 Euro für Jugendliche geben.“ So stand es vor genau 13 Jahren und einer Woche im frisch präsentierten Wahlprogramm der Volkspartei unter Parteichef Wilhelm Molterer.
Ein großes Echo hatte diese Forderung eher nicht ausgelöst. Molterer verlor die Wahl gegen SPÖ-Kandidaten Werner Faymann – und die Politik das Interesse an dem bundesweiten Öffi-Ticket. Auch wenn das Thema bei Koalitionsverhandlungen immer eines blieb, richtig ernst wollten es dann erst die Grünen bei den Koalitionsverhandlungen im Winter 2019 nehmen.
Grünen-Chef Werner Kogler und seine damals neue Vize Leonore Gewessler hatten das Projekt auch gleich zu ihrem Herzens- und Prestigeprojekt erkoren und im Koalitionspakt mit der ÖVP verankert. Die Idee eines bundesweiten Öffi-Jahrestickets läuft bei den Grünen, anders als noch 2008, nicht als Projekt gegen die Teuerungen, sondern als Klimaschutzprojekt. Gewessler steht nämlich vor einem Riesenproblem: Die Verkehrsemissionen, die seit Jahrzehnten immer nur steigen, müssen dramatisch schnell sinken. Das Klimaticket verstand die ehemalige Global-2000-Aktivistin als sinnvolle Maßnahme, die Bürger zum Aussteigen aus dem Verbrenner-Pkw und zum Einsteigen in Bim, Bahn und Bus zu bewegen.
Gewessler sagte immer wieder, dass sie von Bürgern auf kein anderes Projekt so oft angesprochen werde, wie auf das Klimaticket, was wohl schon dem eingängigen Namen geschuldet war: Das „1-2-3-Klimaticket“ hatte das Ziel, ein Jahresticket für einen Euro pro Tag für ein Bundesland (um 365 Euro), um zwei Euro für zwei Bundesländer (730 €) und um drei Euro für alle neun Bundesländer (1.095 €) anzubieten.
1-2-3 derzeit ohne 2
Heute ist klar, dass die Grünen und „Mobilitätsministerin“ Gewessler das Versprechen jedenfalls nicht vollumfänglich einlösen werden. Nur das Dreier-Ticket scheint um 1.095 Euro fix (sofern bis Ende des Jahres tatsächlich noch Wien, Niederösterreich und das Burgenland mitmachen). Allerdings heißt es künftig nur noch „Klimaticket“, das 1-2-3 scheint aus gutem Grund fallengelassen worden zu sein: Das Zweier-Ticket gibt es vorerst gar nicht, da wird noch verhandelt.
Und beim Einser-Ticket hält nur Wien (und damit die in der Bundeshauptstadt regierenden Parteien SPÖ und Neos, die im Bund in Opposition sind) mit 365 Euro Gewesslers Versprechen. Allerdings hat Wien dieses Ticket bereits seit dem 1. Mai 2012, Idee und Umsetzung stammten von den Wiener Grünen unter der damaligen Chefin Maria Vassilakou. Die forderte 2010 übrigens gleich ein 100-Euro-Jahresticket, die SPÖ wollte das Ticket um 500 Euro verkaufen. 365 Euro war der Kompromiss – der bis heute steht (und zum Leidwesen von Finanzstadtrat Peter Hanke auch nie an die Inflation angepasst wurde).
Vorarlberg ist das andere Land, das Gewesslers Wunsch umgesetzt hat. Dort wird das Ticket nur 355 Euro kosten.
Alle anderen Bundesländer liegen über dem Preis von einem Euro pro Tag, Tirol verlangt 509 Euro, Oberösterreich 695 Euro (= 1,90/Tag) oder die Steiermark 588 Euro. Und Kärnten rechnet noch, derzeit gibt es kein Landesticket. In Salzburg hat Verkehrslandesrat Stefan Schnöll (ÖVP) erklärt, dass es die „politische Intention“ gebe, ein Jahresticket um 365 Euro anzubieten, noch würden aber die Berechnungen laufen.
In Niederösterreich und dem Burgenland ist außerdem Großes geplant, wie der KURIER erfahren hat: Dort soll es ein Jahresticket um 550 Euro für beide Bundesländer geben. Das dürfte aber erst 2022 starten.
Der Bund stellt mehr als eine halbe Milliarde Euro bis 2024 für die Tickets bereit. Klimaministerin Gewessler hatte ja nie die Kompetenz zu bestimmen, was die Länder für Jahrestickets verlangen. Mit dem Geld vom Bund können die Länder billige Tickets anbieten oder die Öffi-Infrastruktur ausbauen – oder beides.
Das Klimaministerium legt übrigens Wert darauf, dass mit dem Klimaticket keine bestehenden Tarife der Verkehrsverbünde oder Bahnen ersetzt werden. Sollte ein Ticket jetzt schon billiger sein, als es das Zweier-Ticket je sein kann, wird es das auch weiter geben.
Laut Berechnungen des Verkehrsministeriums werden zumindest 100.000 Besitzer von Pendler-Jahrestickets mit dem Klimaticket günstiger unterwegs sein. Wie viele sonst noch umsteigen, wird die „Treibhausgas-Inventur 2022“ zeigen.
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