Coronavirus: Haimbuchner plädiert für "Reindustrialisierung"
Das Land Oberösterreich schnürt 580 Millionen Euro schweres Hilfspaket. 400 Millionen Euro sind für Bürgschaften und Landeshaftungen für Unternehmen reserviert. Landeshauptmann-Stellvertreter und FPÖ-Landeschef Manfred Haimbuchner im Interview über die Maßnahmen der Regierung, der EU und warum es zuerst im Nationalstaat Solidarität gibt.
KURIER: Österreich ist im Notbetrieb. Welche Frage wird Ihnen als Landeshauptmann-Stellvertreter und OÖ-Landeschef der FPÖ derzeit als erste gestellt?
Manfred Haimbuchner: Jeder stellt sich die Frage, wie lange die Maßnahmen andauern und wie es mit der Wirtschaft weitergehen kann. Die Bilder, die bereits entstanden sind, sind düster. Wir haben jetzt – nach nahezu Vollbeschäftigung – 58.000 Arbeitslose. Das ist eine bittere Pille. Der Wohlstandsverlust wird verheerend, und das Ende der Fahnenstange, was die Arbeitslosigkeit betrifft, ist noch nicht erreicht.
Der Rekordarbeitslosigkeit stehen 250.000 Menschen gegenüber, die dank Kurzarbeit noch einen Job haben …
Kurzarbeit hin, Kurzarbeit her – wenn die Unternehmen die Liquidität nicht mehr haben und die Insolvenz droht, dann nützt auch das System der Kurzarbeit nichts mehr.
Über 13.000 Unternehmen sehen das anders und in Kurzarbeit eine Chance.
Wenn das AMS drei Monate Zeit hat, bis die Löhne und Gehälter bezahlt werden, dann wird das eine oder andere Unternehmen, das jetzt null Euro Umsatz hat, bald ruiniert sein.
Der 15 Milliarden Euro schwere Hilfsfonds und der zwei Milliarden Euro schwere Härtefall-Fonds der Regierung reichen Ihrer Meinung nach nicht aus?
Die Regierung hat mit unterschiedlichen Paketen eine Salami-Taktik praktiziert. Die Pakete wurden teils schon wieder revidiert. Die Voraussetzungen für die Förderungen, Absicherungen und Stundungen sind zum Teil so schwierig, dass man sie als Einzelunternehmer nicht einhalten kann. Man wird weitere Maßnahmen schaffen müssen, damit vor allem kleine und mittlere Unternehmen nicht unter die Räder kommen.
Welche konkreten Maßnahmen schlagen Sie vor?
Es geht um existenzsichernde Maßnahmen und darum, dass den Unternehmern nachhaltig geholfen wird. Der Unternehmer hat nichts davon, wenn der Kredit für zwei oder drei Monate gestundet wird, er aber dann im vierten Monat alle Raten zurückzahlen muss. Es muss gesetzliche Moratorien geben, denn sonst wird die Stundung zum Bumerang. Da sind auch die Banken gefragt, die Regularien zu hinterfragen, damit die Wirtschaft nicht total krachen geht.
Haben Sie Bedenken, dass die heimische Wirtschaft "total krachen geht“?
In einer vernetzten Welt hängt Österreichs Wirtschaft mit jener der EU, der USA und Chinas eng zusammen. Es hängt maßgeblich davon ab, wie es den anderen Volkswirtschaften geht. Österreichs Regierung muss so ehrlich sein und sagen: Am Dienstag nach Ostern wird die Situation nicht eine gänzlich andere sein. Die Wirtschaft, die Bevölkerung muss wissen, bis wann die Einschränkungen so zu akzeptieren sind, weil die Experten dazu raten.
Oberösterreich lebt von der Industrie und vom Tourismus, der heuer ausbleiben wird?
Wir werden die Tourismuswirtschaft unterstützen mit eigenen Paketen, weil wir wissen, dass die Eigenkapitalquote gerade in der Hotellerie und Gastronomie eine geringe ist. Das hat mit Investitionen zu tun, die notwendig sind. Überall dort, wo die Maßnahmen der Bundesregierung nicht greifen, werden wir helfen. Noch wissen wir aber nicht einmal ansatzweise, wann ein wirkliches öffentliches Leben, wann Urlaub stattfinden wird können.
Wenn der Sektor ausfällt, muss ein anderer gestärkt werden, um den Wirtschaftskreislauf aufrecht zu erhalten: also weniger Tourismus, mehr Industrie?
Ich fordere sogar eine Reindustrialisierung! Besonders in Europa, weil wir gesehen haben, dass die Werkbank China ein irrsinniges Klumpenrisiko darstellt. Wir müssen, wie wir jetzt sehen, Medizinprodukte und Arzneimittel herstellen, um autark zu sein. Die Produkte dürfen nicht nur hier entwickelt, sondern müssen wieder vor Ort produziert werden. Die Lehre dieser Krise ist, dass die globalisierte Wirtschaft ohne Lagerhallen, nur mit Just-in-Time-Produktion keine Zukunft hat.
Die Schattenseiten der Globalisierung waren schon vor Corona bekannt.
Da haben Sie Recht. Als Freiheitlicher antworte ich Ihnen, dass Nationalstaaten weltweit erstarken. Weil sich gerade in der Krise zeigt, dass supranationale Institutionen gar nicht in der Lage sind, die Herausforderungen zu bewältigen. Der moderne Nationalstaat des 21. Jahrhunderts ist auf der einen Seite weltoffen, auf der anderen soll er seine Bürger schützen, denn nur er kann das wirklich.
Die Grenzen innerhalb Europas sind zu, die Solidarität zwischen EU-Staaten ließ beim Transport von Masken jüngst zu wünschen übrig.
Solidarität gibt es immer zuerst im Nationalstaat. Ich brauche die EU nicht, um Solidarität zeigen zu können, denn es werden jetzt quer durch Europa Intensiv-Patienten transportiert: aus Frankreich nach Deutschland, aus Südtirol nach Österreich. Das ist der europäische, solidarische, gelebte Gedanke.
Heißt das, die EU ist obsolet geworden?
Nein. Im Bereich der Gesundheit hat die EU nie eine Rolle gespielt, und das soll sie auch nicht. Ein Bürokratiemonster wie die EU kann so eine Krise gar nicht managen. Dazu brauche ich Länder, Regionen, Gemeinden und funktionierende, ehrenamtliche Strukturen. Die EU hat die Aufgabe, die Außengrenzen zu schützen und ein geostrategischer Player zu sein, wirtschaftliche Rahmenbedingungen zu schaffen.
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