Wie sieht eigentlich die Rechtslage aus?
Prinzipiell gilt: Wenn etwa angestellte Arbeitnehmer in Österreich krank werden, bekommen sie auch dann ihren Lohn, also das Entgelt, weiter bezahlt, wenn sie sich auskurieren. Anfangs übernimmt der Arbeitgeber die Fortzahlung, bei längeren Krankenständen springt die Krankenkasse ein.
Da Covid-19 schwere bis tödliche Verläufe verursachen kann und weil es mittlerweile eine gesetzlich verpflichtende Schutzimpfung gibt, stellt sich bei Ungeimpften derweil die Frage, ob sie mit einer Covid-19-Erkrankung die Arbeitsunfähigkeit nicht selbst verschuldet haben.
Den Hintergrund erklärt Wolfgang Mazal, stellvertretender Vorstand am Institut für Arbeits- und Sozialrecht der Universität Wien: „Das geltende Recht sagt: Wer zumindest grob fahrlässig eine Arbeitsunfähigkeit verschuldet, der bekommt kein Entgelt.“
Bislang ist diese Bestimmung so etwas wie totes Recht. Denn laut Mazal gibt es – abgesehen von der „Teilnahme an fremden Raufhändeln“ oder dem „betrunkenen Autofahren“ – kaum Anwendungsbereiche dafür. Covid-19 ist allerdings etwas anderes. Mazal: „Wenn diese Bestimmung einen Inhalt haben soll – wann, wenn nicht vor dem Hintergrund einer Pandemie?“
Bedeutet das: Wer ungeimpft an Covid-19 erkrankt, kann möglicherweise bald sein Gehalt verlieren?
Nicht in allen Fällen. Milde Verläufe wird und muss man wohl unter dem „üblichen Krankenstandsrisiko“ subsumieren, sprich: Sie sind rechtlich betrachtet wie viele andere Erkrankungen und bleiben weiterhin fortzahlungspflichtig.
Anders ist die Lage, wenn ein Ungeimpfter einen schweren Verlauf bzw. einen Aufenthalt in der Intensivstation erleidet. In diesen Fällen hat Experte Mazal eine klare Rechtsmeinung: „Wenn wir das Gesetz ernst nehmen, dann stellt sich die Frage, ob Arbeitnehmer, die gegen die Impfpflicht verstoßen und damit einen schweren Verlauf bzw. einen Aufenthalt in einer Intensivstation bewusst in Kauf genommen haben, nicht auf die Entgeltfortzahlung verzichten müssen.“
Kann man es Arbeitnehmern tatsächlich vorwerfen, wenn sie eine schwere Covid-19-Erkrankung erleiden?
Juristisch ist das allemal zulässig. Warum? Ungeimpfte, die auf der Intensivstation behandelt werden müssen, handeln aus einer rechtlichen Perspektive nicht nur fahrlässig, weil sie mit der Impfung eine möglicherweise sogar lebensrettende Präventivmaßnahme abgelehnt haben.
Da die Impfung heute sogar gesetzlich vorgeschrieben ist, ist das Nicht-Geimpftsein auch rechtswidrig. Und ein Verhalten, das zweifelsfrei rechtswidrig ist, kann dem Betroffenen jedenfalls vorgehalten werden.
Werden Ungeimpfte, die mit einem schweren Krankheitsverlauf auf der Intensivstation landen, künftig also kein Gehalt bekommen?
Davon ist noch nicht auszugehen. Der Gesetzgeber, also das Parlament, hat bislang nicht klargestellt, was mit der Entgeltfortzahlung passieren soll, wenn ein ungeimpfter Arbeitnehmer in der Intensivstation landet.
Auch die Sozialpartner haben hiezu keine klaren Vorgaben gemacht, und das bedeutet im Umkehrschluss: Strittige Fälle werden in den nächsten Jahren wohl von den Gerichten geklärt. Das gilt im Übrigen auch für die Impfpflicht am Arbeitsplatz (der KURIER berichtete in der Donnerstag-Ausgabe).
Silvia Hruska-Frank, Arbeitsrechtsexpertin der Arbeiterkammer, ist wie die meisten Fachleute überzeugt, dass der Arbeitgeber am Arbeitsplatz eine Impfung verlangen kann, sofern er niemanden diskriminiert. Bei Ausfällen oder Kürzungen der Entlohnung sei man aber auf „arbeitsrechtlichem Neuland“.
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