Tests kostenpflichtig machen, um zur Impfung zu motivieren?
Experten warnen angesichts der Aussagen von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), wonach die Regierung im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie nun verstärkt die Eigenverantwortung der Bevölkerung in den Mittelpunkt stellen will, vor zu viel Nachlässigkeit. "Wir müssen jetzt extrem aufpassen, dass wir nicht in eine Lage wie in den Niederlanden kommen, wo sich die Infektionszahlen innerhalb einer Woche versiebenfacht haben", sagte Epidemiologe Gerald Gartlehner in "ZiB2" (siehe Video oben).
Mittelfristig sei die Strategie, die Bevölkerung in die Eigenverantwortung zu entlassen, richtig, jetzt sei es dafür aber noch zu früh, so Gartlehner. Der Epidemiologe sprach sich außerdem dafür aus, die 3-G-Regeln in der Nachtgastronomie strenger zu gestalten und kann sich auch vorstellen, Corona-Tests kostenpflichtig zu machen, um die Menschen zur Impfung zu bewegen. Vorrangig sei allerdings, Impfskeptiker von den Vorteilen der Impfung zu überzeugen, diese wollen "die Daten auf dem Tisch sehen", hier gebe es noch Defizite.
Zuletzt hatte Gerald Loacker, Gesundheitssprecher der Neos, gefordert Tests nach dem Sommer kostenpflichtig werden sollten, damit sich möglichst viele Menschen impfen lassen. "Das Testen schützt nicht vor schweren Verläufen. Davor schützt nur die Impfung", sagte Loacker.
Impfpflicht wie in Frankreich
Auch eine Impfpflicht im Gesundheitsbereich wie in Frankreich hält Gartlehner für überlegenswert, weil erkrankte oder pflegebedürftige Menschen, die vielleicht nicht geimpft sind, dem Gesundheitspersonal anvertraut seien. In pädogischen Eirichtungen gelte dies zwar auch, aber Kinder hätten "doch wesentlich leichtere Verläufe". Auch was die Infektion von Vollimmunisierten betrifft, beruhigt er: Diese hätten keine schweren Verläufe.
"Wir werden uns an ein Leben mit Corona gewöhnen müssen", sagte Gartlehner, in zwei, drei Jahren werden wir uns "gar nicht mehr so wirklich an Corona erinnern können und wollen". Quarantänevorschriften sollten dennoch "als grundlegende epidemiologische Voraussetzungen" für nicht Geimpfte bestehen bleiben.
"Das Virus wird nicht verschwinden, es wird bleiben"
Kurz hatte am Montag eindringlich an alle Bürger appelliert, sich gegen das Coronavirus impfen zu lassen. Die Infektionszahlen werden nämlich auch in Österreich bald wieder steigen, sagte er am Sonntagabend (Ortszeit) in New York. "Das Virus wird nicht verschwinden, es wird bleiben. Es wird uns noch Jahre beschäftigen", so Kurz. Er machte zugleich bekannt, dass er vor wenigen Tagen seine zweite Astrazeneca-Impfdosis erhalten hat.
"Für jeden, der geimpft ist, ist die Pandemie vorbei. Für jeden, der nicht geimpft ist, ist das Virus ein massives Problem", warnte der Kanzler im Gespräch mit österreichischen Journalisten. Ein Anstieg der Ansteckungszahlen wie jüngst in Südeuropa oder den Niederlanden "wird auch bei uns stattfinden", sagte er. Nach eineinhalb Jahren Erfahrung mit dem Coronavirus wisse man nämlich: "Diese Pandemie kommt in Wellen."
Im Vergleich zu den früheren Wellen gebe es nun aber die Impfung als "Gamechanger", sagte Kurz. Diese schütze auch gegen alle bisherigen Varianten einschließlich der Delta-Variante. Er selbst stelle dabei "jeden Tag" die Frage, ob es eine Mutation gebe, die von der Impfung nicht abgedeckt sei, versicherte er.
Kurz hatte erst kürzlich die Eigenverantwortung im Umgang mit der Pandemie betont. Nun machte er klar, dass die Bundesregierung ein Interesse an möglichst vielen geimpften Menschen in Österreich habe. So versuche man mit den Bundesländern "ein ganz niederschwelliges Angebot zu schaffen", um etwa auch Personen zu erreichen, die sich ohne Anmeldung impfen lassen wollen. Auch Kooperationen mit Vereinen wie der Freiwilligen Feuerwehr seien geplant.
An finanzielle Anreize für Impfungen denkt Kurz offenbar nicht. "Wir haben bisher darauf gesetzt, die zu impfen, die das wollen", beantwortete der Kanzler eine entsprechende Frage der APA. Wenn die Ansteckungszahlen wieder steigen, gehe er davon aus, dass das Impfangebot auch von jenen Menschen angenommen werde, die bisher die Hoffnung hatten, dass das Virus "verschwindet".
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