Al Jaber, eigentlich Manager einer der größten Erdölfirmen der Welt (Adnoc) und seit einem Jahr intensiv als Umweltdiplomat in vielen Staaten zu Sondierungsgesprächen unterwegs, hatte diesen Moment offenbar lange geplant. Wie alle Vorgänger als Verhandlungsführer seit der ersten Klimakonferenz in Rio de Janeiro 1992 wusste er: jetzt ist der Moment, wo noch alles schiefgehen kann. Denn die UNO-Regeln besagen, dass alle Staaten gleichberechtigt sind, ob USA und China oder Kiribati und die Marshall Islands: Jeder könnte in diesem Moment das Wort im Plenarsaal ergreifen, und Nein sagen. Doch Al Jaber hatte offenbar alle Verhandlungsparteien zufrieden gestimmt. Niemand meldete sich.
Der Hammer fällt
"Ich höre keinen Einwand“, sagte der Emirati, und es folgte eine Pause von wenigen Sekunden. Er blickte erst gar nicht zu den Delegierten und sprach die entscheidenden Worte: "Damit ist es entschieden.“ Sein Hammer sauste auf den Tisch. Damit war das Dokument im Konsens angenommen. Sofort brandete Applaus auf im Plenarsaal. Damit hatte Sultan Al Jaber tatsächlich geliefert, was er schon vor Monaten versprochen hatte: Eine historische Entscheidung, ausgerechnet im Öl-Staat der Vereinigten Arabischen Emirate. Oder?
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Zentral ist, dass der Beschluss alle Länder zum ersten Mal auffordert, de facto bis 2050 aus den fossilen Brennstoffen auszusteigen. Das ist vor allem in Signal an die Finanzwirtschaft – Investitionen in fossile Projekte laufen immer mehr Gefahr, zu "stranded investments" zu werden, weil sich die Projekte bis 2050 kaum amortisieren werden.
"Die Welt verabschiedet sich von den fossilen Energien. Das ist ein riesiger Schritt nach vorne“, hielt Österreichs Klimaschutzministerin Leonore Gewessler nach der Einigung fest. Und im fernen Brüssel sah EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen „eine gute Nachricht für die ganze Welt“.
Aber der Beschluss kann die Länder nicht dazu zwingen und enthält „eine Litanei von Schlupflöchern“, kritisierten die Vertreter der kleinen Inselstaaten. Sie sind unmittelbar und am stärksten von den Auswirkungen der Klimakrise betroffen, wenn die Erderwärmung 1,5 °C übersteigt. Wir sind bereits bei 1,1 °C. Und ein Ergebnis der „globalen Bestandsaufnahme“ war auch, dass alle Staaten viel zu wenig tun, um Klimaziele einzuhalten. Derzeit sagen die Prognosen, dass die Erderwärmung auf 2,8 °C hochschnellen wird. Das wäre schlichtweg katastrophal – für alle Regionen der Welt.
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Russland arbeitete still daran, jeden Fortschritt zu verhindern, und wird dies im nächsten Jahr, wenn die COP in Baku, Aserbaidschan, wieder einem Ölstaat, stattfindet, noch viel mehr tun.
Die größte Leistung Al Jabers war vielleicht, dass zum ersten Mal in 28 Klimakonferenzen die fossilen Energieträger im Schlussdokument überhaupt genannt wurden – und gleich beerdigt wurden. Umweltschutzorganisationen wie der WWF („Das ist ein wichtiger Fortschritt auf der UN-Ebene“) oder Greenpeace („Anfang vom Ende der fossilen Energien“) fanden überraschend lobende Worte – und natürlich auch viel Kritik.
„Künftige Generationen kennen vielleicht eure Namen nicht“, hatte Al Jaber den Delegierten zugerufen. „Aber sie werden euch allen, jedem Einzelnen, zutiefst dankbar sein.“ Pathos ist also auch den Arabern nicht fremd.
Enormer Widerstand
Es gibt viele weitere Probleme mit diesem Deal. Die Entwicklungsländer brauchen immer noch Hunderte Milliarden Euro mehr an finanziellen Mitteln, um den Übergang von Kohle, Öl und Gas zu bewältigen. Entwickelte Länder und Ölproduzenten werden nicht gezwungen, so schnell voranzukommen, wie die Klimawissenschaft es empfiehlt.
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Aber dieser Beschluss, so unvollkommen er auch sein mag, stieß auf enormen Widerstand seitens der weltweiten Ölproduzenten. Allen voran versuchte etwa Saudi-Arabien, jeden Hinweis auf fossile Brennstoffe zu entfernen, und unternahm dann alles, um Verweise auf Kohlenstoffabscheidung und -speicherung einzufügen, eine Technologie, auf die alle fossilen Unternehmen verweisen, die aber in der Realität kaum jemand anwendet – zu teuer.
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