Chronologie: Wie es zu Harald Mahrers Rücktritt kam
Tagelange Debatten, immer lautere Kritik aus der ÖVP und Länderkammern, nun der erwartete Schlussstrich: Harald Mahrer ist Donnerstagabend als Präsident der Wirtschaftskammer und Chef des ÖVP-Wirtschaftsbundes zurückgetreten. Das verkündet er in einem Abschiedsvideo in der Christoph-Leitl-Lounge: zwölfter Stock der WKO-Zentrale in Wien, vor nebliger, spätherbstlicher Stadtkulisse.
Mahrer nennt sich im Video Brückenbauer, er stehe für ein demokratisches Miteinander. Leider hätten „persönliche Ressentiments und Populismus“ die mediale Debatte der vergangenen Tage bestimmt – „ohne Mehrwert für die Wirtschaft und unser Land“, sagt Mahrer. „Das ist nicht mein Spielfeld.“ Noch weiter ins Detail geht er im KURIER-Interview – seinem einzigen Abschiedsinterview.
Schlussendlich war der Druck auf Mahrer zu groß geworden. Die Vorgeschichte: eine Aneinanderreihung kommunikativer Patzer. In den vergangenen Wochen verhandelt die Regierung den Beamtenabschluss für 2026 neu, auch mehrere Branchen schließen deutlich unter der Inflationsrate von 3,5 Prozent ab. Mahrer tritt in den Wochen und Monaten zuvor ebenso gerne als Mahner auf – kritisiert Österreichs hohe Lohnstückkosten und den „fetten“ Staat.
Druck baut sich auf
Am 3. November berichtet die Presse über einen Präsidiumsbeschluss der WKO, wonach die Gehälter ihrer Mitarbeiter 2026 um 4,2 Prozent steigen sollen. Hintergrund: Wegen einer eigenen Berechnungsformel werden die Löhne der WKO erst später an die Inflation der Vorjahre angepasst. Die Signalwirkung ist dennoch fatal: Vertreter von Regierung und Opposition kritisieren die WKO scharf. Dazu kommt Kritik an den um bis zu 60 Prozent gestiegenen Funktionsentschädigungen der Landeskammer-Präsidenten Tirols, der Steiermark und des Burgenlands – von 2024 auf 2025.
Zwei Tage später rückt Mahrer in mehreren Interview – auch im KURIER – aus und spricht ein „Machtwort“. Er habe durchgesetzt: Die WKO-Gehälter würden 2026 im Durchschnitt nur um 2,1 Prozent steigen. Das Problem: Im Halbjahr wird die volle Anhebung um 4,2 Prozent erfolgen. Heißt: Die Gehaltserhöhungen für 2027 finden auf dem ursprünglich geplanten Niveau statt.
In den folgenden Tagen wird die Kritik an Mahrer immer massiver – von außen, aber auch ÖVP-intern. Man spricht von einem PR-Desaster. Der Rechnungshof verkündet zudem, dass er die Finanzgebarung der Kammer und die Doppelbezüge Mahrers prüfen werde. Der 52-Jährige zieht Konsequenzen – und legt am Montag sein Mandat als Präsident der Nationalbank zurück.
Schnell wird klar: Seinen internen Gegnern reicht das nicht. Am Mittwoch stellt sich ÖVP-Generalsekretär Nico Marchetti zuerst offiziell hinter Mahrer, auch Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer springt diesem zur Seite. Im Gegenzug formiert sich eine breite, öffentliche und mächtige Gegenfront: Die WK-Länderchefs Barbara Thaler (Tirol), Doris Hummer (OÖ), Wolfgang Ecker (NÖ) und Peter Buchmüller (Salzburg) fordern recht eindeutig den Rücktritt des Präsidenten. Auch ein Statement von Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner lässt wenig Spielraum.
Wie es weitergeht
Dass Mahrer zurücktreten wird, steht Donnerstagvormittag – Mahrer gibt zu diesem Zeitpunkt sein letztes KURIER-Interview als WKO-Präsident – bereits fest. Er wirkt aufgeräumt, spricht bereits über Zukunftspläne: „Ich werde wieder mehr unternehmerisch tätig sein und nicht von der öffentlichen Bildfläche verschwinden.“ Aber wie geht es in der Wirtschaftskammer weiter?
Die offizielle, weitere Vorgehensweise: In den turnusmäßigen Sitzungen des Wirtschaftsbundes und der WKO am 26. und 27. November bestimmt Mahrer, wer bis zur Nachwahl eines neuen Präsidenten die Geschäfte führen wird. Der Name steht bereits fest: WKO-Vizepräsidentin und Tiroler Unternehmerin Martha Schultz, Co-Geschäftsführerin der Schultz-Gruppe – Österreichs größter Seilbahnbetreiber (siehe unten). Wer Mahrer langfristig nachfolgen soll, gilt noch als völlig offen. Klar ist nur, dass die Wahl auf einen Unternehmer fallen soll.
Weiterer Punkt: die Debatte über eine umfassende Kammerreform, die auch Mahrer angekündigt hatte. Diese fordern die Grüne Wirtschaft und die Unos (die Neos-Fraktion in der WKO). Die Industriellenvereinigung fordert Strukturreformen und Entlastungen – dafür gehörte die Entwicklung in der Wirtschaftskammer genutzt.
3. November
Die Presse berichtet, dass WKO-Mitarbeiter 2026 eine Gehaltserhöhung von 4,2 % erhalten sollen – weit über anderen Branchen. Die WKO begründet das mit einer eigenen Berechnungsformel.
5. November
Mahrer verkündet in Medien, die Erhöhung werde 2026 bei durchschnittlich 2,1 % liegen.
6. November
Da die Gehälter zur Jahreshälfte 2026 doch um 4,2 % steigen, gibt es massive Kritik an Mahrers Aussagen. Der Rechnungshof gibt an, er werde die WKO-Gebarung und Mahrers Doppelbezüge prüfen.
9. November
Bei Gipfel der WKO-Spitzen in Wien wird Mahrer – trotz Kritik an „desaströser“ Kommunikation – das Vertrauen ausgesprochen.
10. November
Mahrer tritt als Präsident der OeNB zurück.
12. November
Die Spitzen der Länderkammern NÖ, OÖ, Salzburgs und Tirols fordern ziemlich eindeutig Mahrers Rücktritt – NÖ-Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner ebenso.
13. November
Mahrer tritt als WKO-Präsident zurück. Vizepräsidentin Martha Schultz übernimmt interimistisch.
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