Bericht zur Causa Pilnacek: Zadic will Sonderbehandlung in Verfahren abschaffen
Eine Woche, nachdem Kommissionsvorsitzender Martin Kreutner die zentralen Ergebnisse seiner Untersuchungen in der Justiz präsentiert hat, stellt das Ministerium Dienstagfrüh den vollständigen Bericht online.
Der 234 Seiten starke Bericht ist mit dem Argument des Persönlichkeitsschutzes zum Teil geschwärzt. Hier geht's zum Bericht.
Anlass für die Einsetzung der Kommission war das Auftauchen einer Aufnahme, auf der der frühere Sektionschef Christian Pilnacek bei einer abendlichen Runde mit Bekannten im Wirtshaus gesagt hatte, die ÖVP habe erfolglos verlangt, Ermittlungen einzustellen und Hausdurchsuchungen abzudrehen.
In ihrem Bericht zu den Jahren 2010 bis 2023 hat die Kommission laut Vorsitzendem Kreutner u. a. Belege für Interventionen, Informationsabflüsse und eine "Zwei-Klassen-Justiz" gefunden.
Was war da "im Schwarzen Kameel"?
Dass der vollständige Bericht nicht sofort vorgelegt wurde, hatte für Kritik vonseiten der Opposition gesorgt. Im Justizministerium wurde erklärt, dass die Veröffentlichung vorab medienrechtlich abgeklärt werden musste.
Was hat es mit den vorgenommenen Schwärzungen auf sich?
Kreutner erklärt im KURIER-Gespräch, dass die Kommission dem Ministerium zwei Versionen des Berichts vorlegt habe: Eine Version war ein Vorschlag für die Veröffentlichung. Darin sind Aktenquellen, Inhalte aus Ermittlungsakten und andere Details, die der Öffentlichkeit noch nicht bekannt sind, geschwärzt.
Ein besonders skurriles Beispiel dafür ist die Seite 165:
Was sich da "im April 2012" im "Schwarzen Kameel" - dem Stammlokal des verstorbenen Sektionschef Pilnacek - abgespielt hat, bleibt verborgen.
Zwei zusätzliche Schwärzungen
Die zweite, ungeschwärzte Version ist nicht zur Veröffentlichung sondern nur für den internen Gebrauch bestimmt. Sie enthält alle Informationen, die das Ministerium braucht, um entsprechende Schlüsse zu ziehen und Maßnahmen abzuleiten, erklärt Kreutner. Zurück zum Beispiel: Das Ministerium kann nachlesen, was der Weisungsrat da moniert hat.
Die bereits von der Kommission geschwärzte Version wurde vom Ministerium noch einmal bearbeitet: Konkret sollen, so erklärte man gegenüber Kreutner, zwei zusätzliche Stellen geschwärzt worden sein. Kreutner will sich diese noch einmal anschauen.
Ministerin: Keine Sonderbehandlung mehr für "clamorose" Fälle
Zu Mittag erklärte dann auch Justizministerin Alma Zadic (Grüne) im Ö1-"Mittagsjournal", dass der überwiegende Teil von der Kommission selbst geschwärzt worden sei und das Ministerium lediglich zwei weitere Stellen unkenntlich gemacht habe, was man auf der Homepage auch ausgewiesen habe.
Zudem forderte die Ministerin neue Regeln für "clamorose Fälle". Diese sollten künftig nicht mehr anders behandelt werden. Das hatte die Kommission auch so empfohlen (der KURIER berichtete am Montag).
Neos wollen "konsequente Maßnahmen und Reformen"
Grundsätzlich arbeite die Justiz sehr gut, allerdings habe man gesehen, "dass es bei Verfahren mit Bezug zu Politikern und Politikerinnen immer wieder Versuche von Beeinflussungen gab", so Zadic.
Die Neos bezeichneten die Veröffentlichung des Berichts als "überfällig" und führten diese auf den "öffentlichen Druck" zurück. "Jetzt müssen dem Bericht aber konsequent Maßnahmen und Reformen folgen", forderte Vize-Klubobmann Nikolaus Scherak etwa eine unabhängige Bundesstaatsanwaltschaft.
SPÖ: "Nicht einmal der Anschein darf entstehen"
Für die SPÖ zeigt der Bericht einmal mehr die Notwendigkeit einer unabhängigen Bundesstaatsanwaltschaft als oberste Weisungsspitze. Diese müsse "klar von der politischen Spitze" getrennt sein, betonte die rote Justizsprecherin Selma Yildirim. Der Bericht offenbare ein problematisches Naheverhältnis zur Politik. Im Bereich der Justiz dürfe aber nicht einmal der Anschein einer politischen Einflussnahme entstehen, so Yildirim: "Das müssen wir sicherstellen."
Die rote Justizsprecherin fordert daher unter anderem die Reduzierung der Berichtspflichten an die übergeordnete Instanz, die Abschaffung des Weisungsrates und der "clamorösen Fälle" sowie eine Reform der Bestellung von Staatsanwälten sowie Dienst-und Fachaufsicht.
FPÖ: "Bericht ist Opfer politischer Einflussnahme"
"Dieser Umfang der Schwärzungen überrascht im negativen Sinn. Das Transparenzverständnis der Grünen hat unter der Koalition mit der ÖVP offenbar stark gelitten", findet FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker: "Ein Bericht, der die politische Einflussnahme aufzeigen sollte, wurde erneut Opfer politischer Einflussnahme."
Der vorliegende Bericht zeige aber dennoch eindeutig, wie die ÖVP über den mittlerweile verstorbenen Sektionschef Pilnacek massiv bei Justiz und Strafrechtspflege interveniert habe.
Regelbrüche bei Casag und Inseratenaffäre
Von großflächigen Schwärzungen betroffen sind unter anderem einige der Fälle, bei denen "signifikante Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass den vorgegebenen Regeln im Zuge von Ermittlungsverfahren gegen hochrangige Justizangehörige nicht entsprochen wurden".
Einen Regelbruch ortet der Bericht etwa darin, dass Pilnacek vertrauliche Gespräche mit Beschuldigten und deren Verteidigern geführt hatte, etwa mit zwei CASAG-Aufsichtsratsmitgliedern oder mit "einem Parteigänger zweier Beschuldigter in der Causa Inseratenaffäre", für die es keine rechtliche Grundlage gebe.
Ebenso wurde - etwa in der Causa Chalet N - festgestellt, dass sich Verteidiger mit Eingaben direkt an die Oberstaatsanwaltschaft wandten, obwohl das Ermittlungsverfahren nicht von der Oberstaatsanwaltschaft (OStA) an sich gezogen worden war.
Die Kommission widmete sich - nachdem sie mehrere Hinweise bekam - auch einem Nebenstrang des Telekom-Falls. "Der Fall zeigt eindrücklich, wie in einem geschlossenen System trotz polizeilich ermittelter, nicht unbedeutender Verdachtsmomente gegen einen hochrangigen Justizrepräsentanten nicht weiter ermittelt, sondern das Verfahren möglichst 'geräuschlos' eingestellt wird."
Details dazu sind allerdings geschwärzt. Nach Auffassung der Kommission zeigt sich ein "bedenkliches Grundverständnis des Umgangs mit Anscheinsbefangenheit durch führende Repräsentanten der StA."
"Abschaffung der Zwei-Klassen-Justiz"
Der Originalbericht umfasst rund 230 Seiten, Untersuchungszeitraum war von 1. Jänner 2010 bis 14. Dezember 2023. Sechs Monate lang hatte die Kommission, die im Dezember des vergangenen Jahres eingesetzt worden war, ermittelt.
Auch eine Reihe an Empfehlungen finden sich darin. Neben der Einrichtung einer Generalstaatsanwaltschaft und der "Abschaffung der Zwei-Klassen-Justiz" empfiehlt die Kommission unter anderem die "Außerstreitstellung sowie Stärkung der WKStA (Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, Anm.) bei gleichzeitiger Herauslösung des 'Bundes-Nadelöhrs' Oberstaatsanwaltschaft Wien als Instanz" (diese ist derzeit Oberbehörde der WKStA, Anm.).
Alle Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sollen zudem eingeladen werden, eine öffentliche Erklärung betreffend "(nötiger) Distanz zu Politik und Äquidistanz zu einzelnen politischen Parteien" sowie den Medien abzugeben.
Eine weitere Forderung ist die Beschränkung des staatsanwaltlichen Instanzenzuges auf zwei Instanzen bei gleichzeitiger Stärkung der gerichtlichen Kontrolle und Reduktion des Berichtswesens. Dies spielt vor allem eine Rolle bei sogenannten "clamorosen Fällen", die derzeit von zahlreichen Personen in Oberstaatsanwaltschaft und Justizministerium begutachtet werden müssten.
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