Christchurch-Attentäter war mit Österreichern in Nordkorea

Innenminister Kickl
Innenminister Kickl berichtete im Parlament über Reisen des 28-jährigen Australiers. 2018 war er auch in Österreich.

"Nichts ist schlimmer als diffuse Ängste nach Anschlägen wie diesem", sagte Innenminister Herbert Kickl zum Attentat von Christchurch. Das Wichtigste sei daher Klarheit und Transparenz, entsprechend wollte er am Donnerstag im Nationalrat einen Überblick über die bisherigen Ergebnisse der Ermittlungsbehörden mit Österreichbezug geben.

Österreich sei eines der Länder, in denen ein Aufstand beginnen könnte - das schrieb der Attentäter von Christchurch, Neuseeland, in seinem Manifest mit dem Titel "The Great Replacement" ("Der große Austausch"). Es ist ein Slogan, der von der Identitären Bewegung seit Jahren bei Kampagnen verwendet werde.

Auch habe der Mann seine Waffen mit der Zahl 1683, dem Jahr der zweiten Türkenbelagerung Wiens, und dem Namen des damaligen Wiener Stadtkommandanten Graf Ernst Rüdiger von Starhemberg beschriftet.

Der spätere Attentäter hatte also offenbar mehrere Anknüpfungspunkte an Österreich, die teilweise schon bekannt waren.

Neu ist, dass er seine Nordkorea-Reise im Jahr 2014 in einer Gruppe unternahm, in der sich auch drei Österreicher befanden. "Es laufen Ermittlungen über die Hintergründe dieser Reise, die Kontakte werden durchleuchtet", erklärte Kickl.

Der 28-Jährige dürfte mehrmals nach Europa und Asien gereist sein. Die Tatsache, dass er dies ungehindert tun konnte, zeige, dass er von Neuseeland nicht als Gefährder eingestuft war. "Bis zu seiner Wahnsinnstat galt er als unauffällig", sagte Kickl.

Christchurch-Attentäter war mit Österreichern in Nordkorea

In Österreich war er etwa eine Woche - von 27. November bis 4. Dezember 2018. Eingereist ist er mit einem Zug aus Budapest, davor war er zwei Wochen lang in Bulgarien, Rumänien und Ungarn.

In Wien mietete er ein Auto legte damit rund 2000 Kilometer zurück. Die BVT-Ermittler gehen davon aus, dass er in dieser Zeit auch nach Deutschland gefahren ist, erklärte Kickl: "Die genaue Reiseroute wird gerade rekonstruiert." Am 4. Dezember 2018 endete der Österreich-Aufenthalt. Er flog vom Flughafen Schwechat nach Tallinn, Estland.

Österreich war offenbar nur eines von vielen Ländern, die der spätere Attentäter bereist hat. Er war auch in Asien unterwegs, u.a. in Pakistan.

Der Innenminister zeigte sich „entsetzt und betroffen über diesen schrecklichen rechtsextremen Terrorakt, der in Neuseeland stattgefunden hat“. Aufgabe auch der österreichischen Sicherheitsbehörden sei es nun, die Hintergründe der Bluttat genauestens aufzuarbeiten und allen Hinweisen und Spuren nachzugehen. Dies betreffe auch mögliche Verstrickungen und Netzwerke.

Österreich-Chatgruppe der "Schatten-Armee"

Einen - zumindest inhaltlichen - Bezug gibt es auch zwischen dem neuseeländischen Terroristen und einer so genannten "Schatten-Armee", die aus aktiven und ehemaligen Bundeswehr-Soldaten in Deutschland gebildet wurde, erklärte der Innenminister. Der Neuseeländer hat in sozialen Netzwerken Berichte über diese Gruppierung gepostet.

Laut diversen Medien gibt es Hinweise von Geheimdiensten, dass auch Österreicher dort aktiv sind.

Die Gruppe, die offiziell als Verein "Uniter" auftritt, hat sich über verschiedene Chatgruppen ausgetauscht (Ost und West, vermutlich auch Nord und Süd), für Österreich gab es angeblich eine eigene Chatgruppe.

Bisherige Ermittlungen legen nahe, dass die Gruppe eine Reihe von Anschlägen und einen "Systemsturz" geplant hat, erklärte der Innenminister. In Deutschland gebe es eine Liste mit Namen von unliebsamen Persönlichkeiten und Politikern, die "festgesetzt und liquidiert werden sollen", sagte Kickl. "Einen Österreich-Bezug gibt es derzeit aber nicht."

Kickl wertete beide Causen als Beleg dafür, dass die Zusammenarbeit des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) mit ausländischen Partnerdiensten hervorragend funktioniere und dass das BVT seinen gesetzlichen Aufgaben in vollem Umfang nachkomme.

Die Causa BVT (Stichwort Razzia) soll dem Amt also nicht geschadet haben, wie Kritiker und Opposition anprangern. "Beide Fälle zeigen auch, wie wichtig und richtig der eingeschlagene Weg einer Reform des BVT ist. Sie zielt auf noch professionellere Bekämpfung dieser Phänomene ab."

Bezug zu Identitären: Drei Vereine werden geprüft

Kickl äußerte sich auch zu den Ermittlungen gegen Martin Sellner, Chef der Identitären Bewegung Österreich (IBÖ). Bei dem 30-Jährigen hatte ja eine gerichtlich angeordnete Hausdurchsuchung stattgefunden, weil er eine Spende in der Höhe von 1500 Euro vom Neuseeland-Attentäter erhalten hatte.

Geprüft wird jetzt, ob die Vereine, die im Zusammenhang mit der IBÖ stehen, aufgelöst werden können. Insgesamt gibt es drei: zwei in Graz (davon ein Spendenverein) und einer in Linz. Die zuständigen Landespolizeidirektionen sind mit der Überprüfung betraut, erklärte Kickl.

Morgen, Freitag, tagt der Unterausschuss des Innenausschusses. Am Montag findet eine Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates statt. Kickl will dann über neue Erkenntnisse informieren.

Hitzige Debatte zu Identitären

In der anschließenden Debatte wurde der Innenminister von der Opposition heftig attackiert: SPÖ und Liste Jetzt verwiesen auf Verbindungen zwischen Freiheitlichen und Identitären. Die FPÖ wies entsprechende Vorwürfe zurück. Die ÖVP forderte einen politischen Schulterschluss.

Besonders offensiv ging es der stellvertretende SPÖ-Klubobmann Jörg Leichtfried an. Er nannte die Identitären eine Bewegung, die nicht nur von vielen FPÖ-Funktionären freundlich behandelt sondern von Vizekanzler Heinz-Christian Strache sogar auf Facebook hofiert worden sei und heute Kontakte in höchste Regierungskreise habe.

Erwähnt wurde von Leichtfried auch ein schon länger bekanntes Foto, auf dem Strache in einem steirischen Gasthaus mit einem Identitären-Vertreter zu sehen ist.

Das beantwortete wenig später FPÖ-Klubobmann Walter Rosenkranz mit einer Aufnahme, die Identitären-Chef Martin Sellner auf einem Foto mit Bundespräsident Alexander Van er Bellen zeigt. Es gehe verdammt schnell, dass man unter einen Verdacht komme, meinte Rosenkranz dazu.

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner zeigte sich empört, dass hier versucht werde, einen Zusammenhang zum Bundespräsidenten herzustellen.

Christchurch-Attentäter war mit Österreichern in Nordkorea

Leichtfried attackierte indes auch Kickl persönlich, weil dieser versucht habe, die Leiterin des Rechtsextremismus-Referats im BVT aus dem Amt zu mobben. Sollte das BVT jetzt funktionieren, sei das bestimmt nicht der Verdienst des Innenministers. Rosenkranz sprach im Gegenzug von Verschwörungstheorien. Für die SPÖ sei Kickl wohl für jede kriminelle Tat auf der Welt verantwortlich.

VP-Sicherheitssprecher Werner Amon befand wiederum das Thema für nicht angemessen, hier billige Punkte zu machen. Er sei so altmodisch, dass er sich so etwas wie einen politischen Schulterschluss und nicht das Wechseln von politischem Kleingeld erwarte. So dürfe man die Sicherheitsbehörden auch nicht schlecht reden.

Christchurch-Attentäter war mit Österreichern in Nordkorea

Einen grundsätzlichen Anlauf nahm Neos-Mandatarin Irmgard Griss, die sich der geistigen Hintergründe des Christchurch-Attentats annahm. Die Wurzel sei die Abgrenzung, der Folge die Ausgrenzung und im extremen Fall die Auslöschung. Gerade Österreich mit seiner Geschichte müsse besonders wachsam sein. Daher rufe sie alle auf: „Wehren wir den Anfängen und treten gegen solche Geisteshaltungen auf.“

Dafür warb auch Jetzt-Abgeordnete Alma Zadic. Diese Ideologie habe keinen Platz in Europa und damit auch keinen in Österreich. Sie werde alles tun, um eine Spaltung der Gesellschaft zu verhindern. Die Identitären gehörten zu den neuen Rechten, die in Europa sehr gut vernetzt seien. In diesem Zusammenhang erinnerte sie eben an einen Auftritt von Innenminister Kickl bei einem Kongress, an dem auch die Identitären teilnahmen. Deshalb sah auch SPÖ-Klubobfrau Rendi-Wagner Kickls Glaubwürdigkeit bei der Bekämpfung der Gruppierung gefährdet.

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