CETA: Christian Kern will SPÖ-Position erfragen

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Unterzeichnung Österreichs laut Kern derzeit "gar nicht möglich." Scharfe Kritik aus der ÖVP, Europabgeordneter Karas wirft Kern "Flucht aus staatspolitischer Verantwortung" vor.

Fünf einfache Fragen, jeweils mit Ja oder Nein zu beantworten, sollen Klarheit in die Position der SPÖ zum Freihandelsabkommen CETA (EU-Kanada) bringen.

Denn die Ergebnisse der von Bundeskanzler Kern am Freitag präsentierten Umfrage sollen bindend sein. "Wir haben nicht vor, eine Mitgliederbefragung zu machen und dann die Ergebnisse zu kübeln." Unter www.mitreden.spoe.at können ab sofort auch Nicht-SPÖ-Mitglieder an der Umfrage teilnehmen und folgende Fragen beantworten:

  • Soll Österreich der vorläufigen Anwendung von CETA auf EU-Ebene zustimmen?
  • Soll CETA in Österreich in Kraft gesetzt werden, wenn darin die Möglichkeit von Schiedsverfahren gegen Staaten enthalten ist?
  • Soll CETA in Österreich in Kraft gesetzt werden, wenn dadurch europäische Qualitätsstandards gesenkt werden können?
  • Sollen künftige Freihandelsverträge so gestaltet sein, dass die hohen europäischen Qualitätsstandards (etwa für Produktsicherheit, Daten-, Verbraucher-, Gesundheits-, Umwelt- und Tierschutz) beibehalten werden?
  • Soll für künftige Verhandlungen zu TTIP und anderen Freihandelsverträgen eine Verpflichtung zur größtmöglichen Transparenz gelten?

"Kein populistischer Reflex"

"Angesichts des Widerstands, der hier bisher formuliert worden ist, ist eine Unterzeichnung Österreichs, ohne dass wir uns vorher damit genau auseinandersetzen und es Punkt für Punkt abklopfen, aus meiner Sicht gar nicht möglich", sagte der Kern. Das sei "kein populistischer Reflex", sondern es gehe um eine "breite Bewegung" gegen das Abkommen.

Selbstverständlich sei er für die Offenheit der österreichischen Volkswirtschaft, betonte Kern. Handelsabkommen zu Zöllen und Marktzugang habe man immer unterstützt. "Das Problem mit CETA (Anm.: "Comprehensive Economic and Trade Agreement") ist, dass hier unter dem Deckmantel eines Freihandelsabkommens eine Reihe von Dingen mittransportiert werden, die wir mit Skepsis sehen."

"Für uns ist es wichtig, eine Form der Globalisierung zu finden, die gerecht ist, die diese Wohlstandsgewinne gerecht verteilt." Es dürfe nicht zur Aushöhlung demokratischer Entscheidungsprozesse zugunsten global agierender Konzerne kommen. "Wir können die Globalisierung nicht zurückdrehen, sondern es geht darum, faire Bedingungen zu schaffen." Der auch in CETA extra geregelte Investorenschutz sei schwierig zu verstehen, da es ordentliche Gerichtsbarkeit sowohl in Österreich als auch in Kanada mit hohen Standards gebe, warum daneben eine neue Gerichtsbarkeit geschaffen werde. Zur Absicherung der sozialen und Umweltstandards gebe es zwar ein klares Bekenntnis in CETA, aber keinen ausreichenden Sanktionsmechanismus.

Mit SPD "im Kern der Kritik verbunden"

Aufgrund des EU-Rechtsrahmens habe man aber möglicherweise gar keine Option mehr, "wenn wir nicht mehr Partner finden". Es könne auch sein, dass wir "ein klares Nein formulieren, und dort mit fliegenden Fahnen untergehen".

Mit der SPD sehe er sich "im Kern der Kritik verbunden." Auch wenn sie etwas abkommensfreundlicher sei, meinte der Kanzler. "Wir wollen hier mit dem Kollegen Gabriel eine gemeinsame Vorgangsweise entwickeln." Auch in der SPD sollen die Mitglieder in einem eigenen Konvent Mitte September über das Freihandelsabkommen abstimmen. Wirtschaftsminister und SPD-Vorsitzender Sigmar Gabriel, der sich zuletzt kritisch gegenüber TTIP geäußert hatte, wirbt jedoch für eine Unterstützung CETAs.

Breite Diskussion - auch mit kanadischem Handelsminister

Weiters werde eine breite Diskussion zum Thema geführt. Am 14. September werde dazu eine Enquete im Parlament stattfinden. In den breiten Diskussionsprozess zum CETA-Freihandelsabkommen will der Kanzler zahlreiche Experten einbeziehen. Auch die kanadische Handelsministerin, mit der er lange telefoniert habe, werde für die Diskussion zur Verfügung stehen. Weiters sollen unter anderem Georg Kapsch, Präsident der Industriellenvereinigung (IV), Ex-Finanzminister und Unternehmer Hannes Androsch, der neue Wifo-Chef Christoph Badelt, Bürgermeister, Landeshauptleute und die Zivilgesellschaft eingebunden werden. Auch die Umweltschutzorganisationen Greenpeace, Global 2000 sowie Attac sollen sich an der Debatte beteiligen.

ÖVP-Karas: "Flucht aus staatspolitischer Verantwortung"

Die Reaktionen auf Kerns Vorstoß ließen am Freitag nicht lange auf sich warten. ÖVP-Delegationsleiter im EU-Parlament Othmar Karas kritisierte die Ankündigung Kerns als "Flucht aus staatspolitischer Verantwortung". Handelsabkommen dürften nicht von einer SPÖ-Mitgliederbefragung abhängig gemacht werden.

Karas forderte Kern auf zu informieren, statt zu befragen. "Die Fakten widersprechen Kern. Der tägliche Kniefall vor dem Boulevard - Türkei, TTIP, CETA, Notverordnung - ist ein unwürdiges Schauspiel, eine Beleidigung der Bürger", so Karas am Freitag in Brüssel. Jede einzelne Forderung an CETA sei erfüllt worden. Jetzt nach Ende eines mehr als siebenjährigen Prozesses eine Kehrtwende zu machen, sei sachlich nicht gerechtfertigt und unverantwortlich.

Applaus von beiden Präsidentschaftskandidaten

Applaus kam hingegen von bekannten Kritikern der Freihandelsabkommen wie Attac! oder Greenpeace. Auch die Arbeiterkammer sprach sich gegen CETA aus. Auch die beiden Präsidentschaftskandidaten Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer begrüßten die kritische Linie Kerns zu CETA.

Forderung "Ding der Unmöglichkeit"

Bereits die gestrige Ankündigung Kerns, CETA nachverhandeln zu wollen, war beim Koalitionspartner ÖVP auf zurückhaltende Reaktionen gestoßen. Im Interview mit dem KURIER erklärte Vizekanzler Reinhold Mitterlehner die Forderung für ein "Ding der Unmöglichkeit". "Sollten wir uns gegen das Abkommen entscheiden, würden wir voraussichtlich überstimmt, weil sich eine qualifizierte Mehrheit für CETA abzeichnet", so Mitterlehner.

Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter betonte im Ö1-Morgenjournal, dass bei CETA viele Bedenken der Konsumenten berücksichtigt wurden. Das Abkommen mit Kanada sei ganz anders als TTIP und keine Gefahr für Österreich. "Der Vertrag liegt am Tisch und kann von jedem im Internet eingesehen werden."

ÖVP uneins bei TTIP

Was TTIP - das Freihandelsabkommen mit der USA - betrifft, so hatte sich Mitterlehner bereits am Mittwoch für einen Neubeginn der Verhandlungen nach den US-Wahlen ausgesprochen - was innerhalb seiner eigenen Partei jedoch mit wenig Wohlwollen aufgenommen wurde. Neben Wirtschaftskammer-Präsident Leitl, sprach sich auch Christoph Neumayer, der Generalsekretär der Industriellenvereinigung, gegen einen Verhandlungsstopp aus. Fairer freier Handel sei eine "Riesenchance für Österreich", sagte Neumayer. Ein Wirtschaftsminister sollte immer zuallererst den Standort, die Unternehmer und die Arbeitnehmer im Fokus haben, übte er indirekt Kritik an Mitterlehner.

INFO: SPÖ-Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler erklärte, dass es sich um die erste österreichweite SPÖ-Mitgliederbefragung handle. Jedes Mitglied bekomme einen Code, um Doppelabstimmungen zu vermeiden. Aber auch Nicht-Mitglieder könnten an der Umfrage extra teilnehmen. Auch über Facebook werde die SPÖ in Interaktion treten. "Wir wollen beide Seiten zu Wort kommen lassen, Befürworter und Skeptiker, damit sich die Menschen eine Meinung bilden können". Die Befragung sei ein erster wichtiger Schritt hin zu einer stärkeren Einbindung der rund 200.000 SPÖ-Mitglieder. www.mitreden.spoe.at

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