CDU über Merkels Flüchtlingspolitik: Heikle Gesprächstherapie

CDU über Merkels Flüchtlingspolitik: Heikle Gesprächstherapie
Die Partei diskutiert über die Flüchtlingspolitik ab 2015 – wie das die neue Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer nützen will.

Ups. Als "Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten" begrüßte CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer am Sonntag die Mitglieder und Funktionäre im Konrad-Adenauer-Haus. Das Publikum lachte. Kramp-Karrenbauer korrigierte sich, führte den Lapsus auf die SPD zurück, die am selben Tag ihre Klausur abhielt. Soll ja keiner glauben, sie würde die CDU "sozialdemokratisieren", wie es Kritiker ihrer Vorgängerin Angela Merkel oft vorgeworfen haben. Aber die neue Chefin steht gesellschaftspolitisch ohnehin weiter rechts: So stellt sie etwa den Doppelpass infrage und hat zur gleichgeschlechtlichen Ehe eine "sehr persönliche Meinung", erklärte sie im Talk bei Sandra Maischberger. Die hatte sie mit einer Aussage von 2015 konfrontiert, wo sie die gleichgeschlechtliche Ehe mit Vielehe und Inzest verglich. Restriktiv zeigt sie sich bei der Flüchtlingspolitik. Als saarländische Ministerpräsidentin ließ sie das Alter von minderjährigen Flüchtlingen zwangsweise prüfen. Und vor dem Wettstreit um den Parteivorsitz versprach sie die Überprüfung der Flüchtlingspolitik ab 2015. Auch weil sie nicht wolle, dass das Thema intern zum Trauma wird wie Hartz IV für die SPD

Sonntag und Montag folgte also die angekündigte Gesprächstherapie unter dem Namen "Werkstattgespräch": An zwei Tagen diskutierte die CDU teils öffentlich mit Experten über Innere Sicherheit und Abschiebepraxis, europäischen Grenzschutz sowie Steuerung von Migration und der Integration vor Ort. Am Ende präsentierten sie mögliche Maßnahmen, etwa ein Frühwarnsystem für Migrationsbewegungen. Allerdings auch Vorschläge, die in der Koalition sowie intern für Kontroversen sorgen könnten, zum Beispiel Asylverfahren auf eine Instanz zu beschränken. Abgelehnte Asylwerber könnten dann nicht mehr in Berufung gehen, was CDU-Politiker Thomas Strobl als "harten Punkt" einräumte.

Spannungen abbauen

Nicht nur deshalb war das Format ein heikles Manöver für die neue Parteivorsitzende. Es sollte kein Scherbengericht für die Kanzlerin werden, die übrigens nicht teilnahm, ebenso wenig sollte es den Anschein einer oberflächlichen Problemabwicklung haben. Die Parteivorsitzende übte sich daher in sehr sanfter Kritik, griff eine Formulierung ihre Förderin Merkel auf, nämlich dass 2015 eine Ausnahmesituation war. Gleichzeitig betonte sie, dass "sich so etwas wie 2015 nicht wiederholen darf". Neben dieser Botschaft soll überhaupt das ganze Format den eigenen Leuten signalisieren: In der CDU wird wieder über heikle Themen diskutiert, was unter Merkel oft nicht der Fall war.

Seit ihrer Wahl versucht Kramp-Karrenbauer die Spannungen in der CDU abzubauen - mit Absetzbewegungen in vielen Bereichen. Den Wirtschaftsliberalen, die sich von Merkel vernachlässigt fühlten, versprach sie Anfang des Jahres den raschen Abbau des Solis und brachte die Reform einer Unternehmenssteuer ins Spiel. Beim Thema Kohleausstieg ist sie zögerlicher als die Kanzlerin – klar, einige betroffene Länder wie Sachsen und Brandenburg wählen im Herbst. Sollte die CDU dort gut abschneiden, würde das auch ihre innerparteiliche Macht festigen könnte - und es wäre eine weitere Etappe Richtung Kanzlerschaft geschafft.

Positionierung außerhalb der Koalition

Viel Handlungsspielraum hat sie vorerst aber nicht. Da sie als Parteichefin nicht im Kabinett sitzt, kann sie nur den Koalitionsausschuss mit Kanzlerin, Fraktionschef und SPD nützen, um Programmatisches zu verhandeln. Dasselbe Problem hat auch Andrea Nahles. Die SPD-Chefin präsentierte am Sonntag ebenfalls Ideen, die bis auf die Grundrente nicht im Koalitionsvertrag stehen. Gerüchte, dass sie es mit dem Konzept auf einen Bruch anlegen, dementierte Nahles, ebenso Generalsekretär Lars Klingbeil. Dennoch ließ er wissen: Die SPD werde "sehr ernsthaft" mit der Union über ihre Beschlüsse reden, sagte er im ZDF. Er sei auch überzeugt, dass es auch in der Union Bewegung geben werde. Ausgang ungewiss.

Kramp-Karrenbauer bleibt also vielleicht nicht so viel Zeit, um ihre Macht intern zu festigen – sollte es darauf ankommen und sie nach Merkels Sessel greifen. Natürlich müsste auch die Schwesterpartei CSU mitspielen. Aber nach dem vertrackten Sommertheater um die Migrationspolitik will man ohnehin inhaltlich an einem Strang ziehen. Aus diesem Grund war der bayerische Innenminister Joachim Herrmann zu Gast im Adenauer-Haus, aus seiner Sicht "keine Selbstverständlichkeit". Auch die Hausherrin schien am Ende zufrieden, bedankte sich - diesmal ohne Versprecher - "bei den lieben Freundinnen und Freunden von CDU und CSU". Man wolle weiter mit "Werkstattgesprächen" arbeiten, "obwohl man im Vorfeld Zweifel gehört habe, ob so ein Format nötig wäre", adressierte sie in Richtung  Wolfgang Schäuble, der kürzlich wissen ließ, dass er wenig von ihrem Vorhaben hält.

 

Kommentare