Landau: Asylverfahren „ruhen lassen“

Michael Landau, Caritas, Interview, Asylwerber
Caritas-Direktor ist für ein Moratorium, die Innenministerin lehnt ab.

Wiens Caritas Direktor Michael Landau ist besorgt: Er sorgt sich um die Flüchtlinge, die im Winter in der Votivkirche Quartier bezogen hatten und nun im Wiener Servitenkloster untergebracht sind. Konkret geht es ihm darum, dass nicht auf dem Rücken dieser Gruppe Wahlkampf betrieben werde.

Wie berichtet, wurden Montag vergangener Woche acht pakistanische Asylwerber aus dem Kloster abgeschoben. Tags darauf gab es wieder „breaking news“ der Polizei: Aufgrund von Ermittlungen gegen einen Schlepperring habe es sechs Festnahmen gegeben, darunter drei Personen aus dem Servitenkloster. Ihnen werde zur Last gelegt, „einer großen kriminellen Organisation“ anzugehören, mit der Schlepperei Millionen verdient zu haben und äußerst grausam mit den Geschleppten umgegangen zu sein. Auch Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) sagte in einem KURIER-Interview, dass es sich um einen sehr brutalen Schlepperring handle, der etwa Schwangere hilflos zurückgelassen habe, wenn es Probleme gegeben habe.

Sie selbst habe immer zwischen Asylwerbern und dem internationalen Schlepperring differenziert, gegen den auch in Deutschland, Ungarn und Griechenland ermittelt werde, sagt die Innenministerin jetzt auf Nachfrage zum KURIER und ergänzt: „Man darf Asylwerber nicht pauschal kriminalisieren.“

Konkret ermitteln die Staatsanwaltschaften Wien und Wiener Neustadt gegen Asylwerber, die im Servitenkloster untergebracht waren „wegen des Verdachtes der Schlepperei im Rahmen einer kriminellen Vereinigung“. Aus der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt heißt es, es gehe nicht um große Bosse. Auch über Beträge, die sie vom Schlepperring bekommen haben sollen, sei noch nichts bekannt. Eine brutale Vorgangsweise sei nicht Gegenstand der Ermittlungen, sagt der Sprecher der Staatsanwaltschaft Erich Habitzl zum KURIER.

Wahlkampf

Die Caritas hält das Zusammentreffen von Abschiebungen, Festnahmen, Ermittlungen und Informationen, die die Polizei über Servitenkloster-Flüchtlinge veröffentlicht hat, nicht für Zufall. Landau: „Für die Flüchtlinge muss gelten, was auch für das Innenministerium gilt: die Unschuldsvermutung. Doch derzeit sind die Indizien erschreckend dicht, dass auf dem Rücken der Flüchtlinge Wahlkampf betrieben wird. Wir haben immer gesagt, die Flüchtlinge aus der Votivkirche dürfen weder besser noch schlechter behandelt werden als andere. Im Moment haben wir aber den Eindruck, dass sie schlechter behandelt werden.“ Landau appelliert an die Ministerin, die Asylverfahren ruhen zu lassen, bis der Wahlkampf vorbei ist. „Wenn jetzt keine gute Zeit ist, nüchtern mit der Sache umzugehen, dann sollte man abwarten. Es geht um Menschen, deren Leben im Herkunftsland in Gefahr ist.“

Ein Stopp der Verfahren kommt für Mikl-Leitner nicht infrage. Dazu und zum Zeitpunkt der Abschiebungen und Festnahmen hält sie fest: „Der Rechtsstaat muss 365 Tage pro Jahr funktionieren. Die Polizei muss den Anweisungen der Staatsanwaltschaft folgen. Ob und welche Rolle die Festgenommenen gespielt haben, gilt es jetzt aufzuklären.“ Dazu, dass die Vorfälle im Wahlkampf zum Thema geworden seien, sagt Mikl-Leitner: „Es gibt nie einen richtigen Zeitpunkt für eine Abschiebung – weder vor einer Wahl noch danach.“

Die Temperaturen sind hoch und die kurzen Mitteilungen auf Twitter ohnehin nicht immer ernst zu nehmen. Aber wenn jetzt Fluchthelfer aus der kommunistischen Diktatur DDR mit heutigen Schlepperbanden verglichen werden, hört sich der Spaß auf. Kurzer historischer Einschub: Alleine an der Berliner Mauer wurden zwischen 1962 und 1989 mindestens 251 Menschen getötet, die von Deutschland Ost nach Deutschland West übersiedeln wollten.

Aber auch in der aktuellen Debatte ist Faktenwissen nötig: Im Jahr 2011 wurden 9812 Flüchtlinge nach Österreich geschleppt, 2003 waren es noch doppelt so viele. Von eine zugespitzten Situation kann also nicht die Rede sein, trotzdem sind organisierte Schlepper, die vom Leid anderer leben, streng zu bestrafen.

Wahr ist aber auch, dass die EU hier nur unzureichend funktioniert. Die sogenannte Dublin-II-Verordnung sieht im Prinzip vor, dass über die Gewährung von Asyl in jenem Land entscheiden wird, wo ein Flüchtling zuerst angekommen ist. Die europäische Geografie sorgt dafür, dass Südländer, vor allem Griechenland, heillos überfordert sind. Schlepper leben also auch davon, dass sie Notleidende durch Europa führen. Die EU braucht nicht nur ein einheitliches Asylrecht, sondern auch eine zentrale Verwaltung.

Und wir Österreicher haben einen Anspruch auf eine ehrliche Informationspolitik. Was die Medien dann damit machen, ist dann wieder eine andere Sache. Wer nur dem Boulevard glaubt, sieht ganze Schlepperbanden in seinem Vorgarten, andere wiederum verharmlosen dieses Verbrechen. Mit dem Leid anderer soll man weder nach Lesern noch nach Wählern gieren.

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